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MAGNOLIA: Erzählerische Virtuosität im Dienste einer pessimistischen Weltsicht

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Ich hadere mit Paul Thomas Andersons MAGNOLIA, den ich mir in den letzten paar Wochen gleich zweimal angesehen habe. Es ist ein ausuferndes Ensemblestück über die Schicksale verschiedener Personen, die mit der Vergangenheit ringen und nach Vergebung suchen; der Film ist ein dicht gewobenes Netz aus großen Themen und kleinen Momenten, aus scharf porträtierten Figuren und ambivalent gezeichneten Situationen, aus souveräner Erzählkunst und filmischer Virtuosität. Und doch habe ich das Gefühl, dem Film gewissermaßen widersprechen zu müssen, weil er all seine Pracht in den Dienst einer Weltsicht stellt, die ich nicht teilen kann. Oder will.

Es ist eine bittere Welt, die Anderson in diesem Panoptikum an menschlichen Tiefpunkten zeigt: Da liegt ein alter Mann, Earl Partridge (Jason Robards in seinem letzten Kinofilm), im Sterben, weil er den Kampf gegen den Krebs verloren hat, und seine weitaus jüngere Frau Linda (Julianne Moore) ist am Rande des Nervenzusammenbruchs, weil sie ihn ursprünglich nur wegen des Geldes geheiratet hat und plötzlich merken muß, daß sie nicht so gefühlskalt sein kann, wie sie geglaubt hat. Earl hat schon seit Jahren keinen Kontakt mehr zu seinem Sohn, weshalb sein Pfleger (Philip Seymour Hoffman) versucht, diesen ausfindig zu machen, bevor es zu spät ist. Dieser Sohn ist der Verführungsguru Frank T.J. Mackey (Tom Cruise), der in gut besuchten Seminaren unsicheren Männern archaische Konzepte knallharter Männlichkeit eintrichtert und seinen Frauenhaß als eine Art Präventivschlag gegen die Niederträchtigkeit des anderen Geschlechts verkauft. In einem Interview erzählt Frank, daß sein Vater schon vor Jahren gestorben sei, und blockt weitere Fragen nach der Vergangenheit ab: "The most useless thing in the world is that which is behind me."


Auch der Showmaster Jimmy Gator (Philip Baker Hall) wird bald sterben - er hat erfahren, daß er nur noch zwei Monate zu leben hat. Seit Jahrzehnten moderiert er die Quizshow "What Do Kids Know", in der kluge Kinder gegen Erwachsene antreten - so auch der junge Stanley (Jeremy Blackman), der von seinem Vater zu der Sendung hingetrieben wird, damit er dort abkassieren kann. Jimmy Gator hat wie Earl Partridge kein gutes Verhältnis zu seinem Kind: Seine erwachsene Tochter Claudia (Melora Walters) will ihm gar nicht zuhören und wirft ihn hysterisch aus der Wohnung. Claudia, die sich mit One Night Stands und Drogen betäubt, lernt wegen einer Lärmbelästigungsbeschwerde den überaus korrekten Polizisten Jim Kurring (John C. Reilly) kennen, der so einsam ist, daß er bei der Autofahrt mit sich selber spricht, als würde er einem unsichtbaren Beifahrer die Wichtigkeit seines Berufs erklären. Noch einsamer ist der Verkäufer Donnie Smith (William H. Macy), der als Kind einst durch Jimmy Gators Quizshow berühmt wurde und als Erwachsener sein Leben in keinerlei Hinsicht auf die Reihe kriegt.

Das ist viel Tragik, die da zusammenkommt, und eine Menge Schmerz. Erzählt wird MAGNOLIA beinahe als große Oper, die in 188 Minuten Laufzeit zwischen ihren Figuren hin- und herspringt und sie immer wieder thematisch, örtlich oder narrativ zusammenführt. Vor allem im Mittelteil zeigt Anderson als inszenatorischer Herrscher über seine Welt, welch kunstfertiger Marionettenspieler er ist: Die Kamera gleitet in langen Plansequenzen ihren Figuren nach und tastet sich mit ihnen zu den zentralen Schauplätzen vor, der Schnitt jongliert beinahe hypnotisch mit allen erzählerischen Strängen, und die Musik rückt in teils über zehnminütigen Sequenzen mit großem Orchester so eindringlich in den Vordergrund, als würden wir unaufhaltsam auf die Katastrophe zusteuern. Das beeindruckende Ensemble aus namhaften Charakterdarstellern tut sein Übriges, aus den stillen wie aus den opulent orchestrierten Szenen Unmengen an faszinierenden, emotionalen und reichhaltigen Momenten herauszuholen.


Andersons erzählerische Strategie ist es, Motive und Situationen zu doppeln und damit eine Vielzahl an Themen herauszuarbeiten. Earl Partridge leidet ebenso an inoperablem Krebs wie Jimmy Gator, beide haben ihre Ehefrauen betrogen, beide haben ein schlechtes Verhältnis zu ihren Kindern. Linda existiert ebenso am Rande der Hysterie wie Claudia; Stanley leidet jetzt ebenso unter der Erwartungshaltung der Quizshow, wie es Donnie seit Jahren tut; und Donnie und Jim sind verzweifelt auf der Suche nach jemandem, den sie lieben können. Der Film zeigt alle diese Menschen in einer Situation, wo sie aufhören, zu funktionieren, wo sie an ihrem verletzlichsten, dunkelsten Punkt ankommen. Sie wollen Vergebung, aber nicht immer vergeben. Und sie alle sind in einem Netz aus gestörter Kommunikation gefangen: Gator kann nicht mit seiner Tochter reden, der Pfleger muß sich telefonisch mühsam zu Frank vorarbeiten, Donnie schafft es nicht, einem Barkeeper seine Gefühle zu gestehen, Frank lehrt kommunikative Manipulation in Seminaren, und Jim hört einem schwarzen Jungen nicht zu, der ihm etwas über einen Mordfall erzählen will, weil er sich für seinen Geschmack zu vulgär ausdrückt.

Und da sind wir bei der Weltsicht, die mir letztlich den Film bei all seiner beeindruckenden Kraft unangenehm erscheinen läßt: Die Welt von MAGNOLIA ist so trüb und düster, daß selbst die paar als Hoffnungsschimmer gesetzten Momente zum Schluß trostlos wirken. Hier geht es den Menschen schon von Beginn an schlecht, und es wird ihnen im Laufe des Films noch schlechter gehen, und sie können nicht viel dagegen tun. Ich weiß, daß die Welt hart und unmenschlich sein kann, aber ich bin zu sehr Optimist, als daß ich das als allumfassende Primäreigenschaft sehe. Ich sehe zu viele schöne Seiten der Welt, als daß ich akzeptiere, daß sich bei so vielen Erzählsträngen nur menschliche Tiefpunkte versammeln können. Ich bevorzuge ein Ensemblestück wie GRAND CANYON, das neben der Tragik und dem Leid auch Platz für Witz, Liebe und Hoffnung bietet.


Ein wenig komme ich mir bei diesen ganz persönlichen Beobachtungen wie Patrick in SILVER LININGS vor, der Hemingways A FAREWELL TO ARMS erbost aus dem Fenster wirft, weil ihn das tragische Ende wütend macht. Meine Reaktion auf MAGNOLIA ist zwiespältiger: Ich bin fasziniert von dem Film und weiß seine künstlerische Ambition vollauf zu schätzen. Und doch sperrt sich etwas in mir gegen seinen Grundtenor. Bei genauerer Betrachtung läßt sich das aber auch an spezifischen Kritikpunkten festmachen: Der Prolog des Films, der die Frage des Zufalls bei bizarren Todesfällen anspricht, läßt die Geschichte wegen der Absurdität der gezeigten Vorgänge schon reichlich zynisch beginnen, und die daraufhin eingeführten Figuren werden auch mit einem gewissen verächtlichen Tonfall vorgeführt - sei es das plakativ überzeichnete Aufreißer-Werbevideo von Frank oder die Tatsache, daß Gator beim Sex mit einer jungen Mitarbeiterin gezeigt wird, während wir im Voiceover hören, was für ein Familienmensch er ist. Abgesehen davon, daß den Charakteren damit erstmal ihre Menschlichkeit genommen wird, bevor der Film sie ihnen über die lange Laufzeit hinweg wieder zurückgibt, beraubt sich die Erzählung damit auch gewisser Entwicklungsmomente: Es hätte einigen Figuren durchaus gut getan, wenn wir sie nicht schon von Anfang an als erbärmliche Gestalten gezeigt bekommen hätten. Und letztlich ist es enttäuschend, daß der Film immer wieder die Worte "We might be through with the past, but the past ain't through with us" wiederholt, aber keine Perspektive anbietet, wie man mit der Vergangenheit umgehen könnte.

Und doch bin ich froh, daß es den Film MAGNOLIA gibt, und ich bin froh, ihn gesehen zu haben. Ich freue mich, wenn Filme Ambitionen haben. Ich freue mich, wenn talentierte Schauspieler Rollen mit Substanz spielen können. Ich freue mich, wenn ein Regisseur Filme mit eigener Handschrift macht. Und ich freue mich, wenn mich Filme dazu bringen, über meine Sicht auf die Welt nachzudenken - selbst, wenn dabei herauskommt, daß meine ganz anders aussieht.




Magnolia (USA 1999)
Regie & Buch: Paul Thomas Anderson
Kamera: Robert Elswit
Musik: Jon Brion
Darsteller: Tom Cruise, Jason Robards, Julianne Moore, Philip Baker Hall, William H. Macy, John C. Reilly, Philip Seymour Hoffman, Melora Walters, Alfred Molina, Ricky Jay, Jeremy Blackman, April Grace, Luis Guzman, Henry Gibson, Melinda Dillon, Michael Murphy

THE GRAND BUDAPEST HOTEL: Kauzigkeit als Fingerübung

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Es wird der Punkt kommen, an dem die Realfilme von Wes Anderson künstlicher wirken als sein Animationsfilm DER TALENTIERTE MR. FOX. Andersons Inszenierungen waren schon immer celluloidgewordener Spleen, das Artifizielle stets Quintessenz seiner Geschichten; unter der Verschrobenheit und der demonstrativen Naivität blickte er aber mit warmherziger Melancholie auf menschliche Beziehungen und eine schwer zu greifende Sehnsucht nach besseren Zeiten. Sein mittlerweile achter Spielfilm THE GRAND BUDAPEST HOTEL taucht in die Skurrilität ein, als wären die vorigen Werke nur Trockenübungen gewesen, aber leider findet sich diesmal nichts unter der Oberfläche.

Die ist dafür so sehr von Andersons Schrulligkeit geprägt, daß jeder Moment und jedes Bild als Demonstration verwendet werden kann, wenn man jemandem die stilistischen Eigenheiten dieses Regisseurs erläutern wollte. Die Bilder sind in peinlich genauer Geometrie auf horizontalen Linien komponiert und von Symmetrien durchzogen, Fahrten geschehen parallel entlang dieser Linien, Schwenks werden in rechten Winkeln vollzogen. Jede Einstellung ist wie ein Tableau - oder vielmehr wie ein Bild in einem Kinderbuch, zumal die Bewegungen von Autos, Zügen, Fahrstühlen, Seilbahnen und anderen Transportmitteln so wirkt, als würde man in einem Popup-Buch mit den beweglichen Bildchen spielen. Die Bauten und die Ausstattung gehen mit diesem Look Hand in Hand: Nicht nur das namensgebende Hotel wirkt wie ein bonbonfarbenes Puppenhaus.


Auch das, was in diesen Bildern passiert, ist gewissermaßen Vorzeige-Anderson: Putzige Gestalten unterhalten sich in wunderlichen Dialogen, absurde Geschehnisse resultieren in Momenten, in denen die Figuren mit steinerner Miene ihre Gefühlsregungen deklarieren. Diesmal füllen Andersons Lieblingsschauspieler in derartiger Üppigkeit die Besetzungsliste, daß die Präsenz dieser Darsteller selber schon zum skurillen Spaß mutiert: Man wartet schon auf den Moment, an dem Bill Murray erscheint, kann Karl Markovics neben Harvey Keitel in einer Gefängniszelle erspähen und sich nebenbei fragen, ob da eben George Clooney den Kopf ins Bild gehalten hat. Weil es sich nicht gehört, in einem Wes-Anderson-Film das Gesicht zu bewegen, wirken die Stars dabei gleichsam wie niedliche Animationsversionen ihrer selbst.

Schade nur, daß es im GRAND BUDAPEST HOTEL abseits dieser vergnüglichen Spielereien um nicht wahnsinnig viel geht. Die Geschichte dreht sich um einen Concierge, der sich mit besonderer Hingabe um die alleinstehenden alten Damen unter den Hotelgästen kümmert und nebenher einem jungen Pagen korrekte Verhaltensweisen beibringt. Als eine verstorbene alte Frau diesem Concierge ein wertvolles Gemälde vermacht, ist die Familie der Frau aufgebracht und hetzt einen Killer auf ihn - und weil in diesem fiktiven Land die Grenzen gerade von Soldaten geschlossen wird, die den Nazis nicht unähnlich sind, entspinnt sich eine wilde Flucht- und Kriminalgeschichte, in die Anderson diesmal sogar ein paar überspitzte Gewaltmomente einbaut.


Trotz eines literarischen Überbaus - die Geschichte wird in mehrfacher Rückblende als Erinnerung eines Autors erzählt, die Erzählweise ist in Kapitel untergliedert - und eines Satzes gegen Schluß des Films, daß die Zeit dieses Concierges vorbei ist bzw. schon zu seinen Lebzeiten vorbei war, bleibt THE GRAND BUDAPEST HOTEL aber stets nur an seiner putzigen Oberfläche. Im Gegensatz zu THE ROYAL TENENBAUMS oder DIE TIEFSEETAUCHER, wo Anderson eben diese Themen auch in die Geschichte einweben konnte und sie in seiner Verschrobenenheit mit Resonanz füllte, ist THE GRAND BUDAPEST HOTEL wie eine stilistische Fingerübung in Schrulligkeit. Als solche ist sie unterhaltsam und mit viel Liebe zum Detail gestaltet - aber man wird das Gefühl nicht los, daß es hier zum ersten Mal mehr um das Kauzige an sich ging als darum, was man damit erzählen kann. Schade.




The Grand Budapest Hotel (USA 2014)
Regie: Wes Anderson
Buch: Wes Anderson, Hugo Guinness, nach Motiven von Stefan Zweig
Kamera: Robert Yeoman
Musik: Alexandre Desplat
Darsteller: Ralph Fiennes, F. Murray Abraham, Mathieu Amalric, Adrien Brody, Willem Dafoe, Jeff Goldblum, Harvey Keitel, Jude Law, Bill Murray, Edward Norton, Saoirse Ronan, Jason Schwartzman, Tilda Swinton, Tom Wilkinson, Owen Wilson, Tony Revolori, Florian Lukas, Karl Markovics, Bob Balaban, Fisher Stevens, Wally Wolodarsky

ROSEN IM HERBST: Effi Briest und der Heimatfilm

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Mit dem Titel ROSEN IM HERBST positioniert sich die zweite Verfilmung von Theodor Fontanes Gesellschaftsroman EFFI BRIEST (nach DER SCHRITT VOM WEGE von 1939) schon im Vorfeld im Heimatkino der Wirtschaftswunderjahre, verweist aber auch schon auf seine pessimistischeren Absichten: Im Gegensatz zu Titeln wie TAUSEND ROTE ROSEN BLÜHN oder WENN DIE ALPENROSEN BLÜH'N stehen die Blumen hier schon symbolisch kurz vor dem Verwelken. Und doch ist Rudolf Jugerts Version aus dem Jahr 1955 von der Ästhetik und vom Duktus her zunächst ganz dem Heimatdrama dieser Dekade verschrieben, von der Inszenierung über die Bildsprache bis hin zur Dramaturgie.

Das liegt natürlich zum Teil daran, daß Fontanes Geschichte unfreiwillig gut in die rigide Darstellungsweise paßt, die dem Heimatgenre zu eigen ist. Im Roman steckt die junge Effi Briest in einer unerfüllenden Ehe mit dem viel älteren Baron von Innstetten, der sie zugunsten seiner Karriere als Landrat oft vernachlässigt; sie findet kurzfristig Trost in den Armen des unkonventionelleren Major von Crampas, aber als die Affäre Jahre später ans Licht kommt, bringt der Baron seinen einstigen Nebenbuhler im Duell um und verstößt Effi, der er auch die gemeinsame Tochter entreißt. Letztlich sind es die gesellschaftlichen Konventionen und Zwänge, an denen Effi zugrundegeht - und eben solche Konventionen sind ja fixer Bestandteil der Erzählmuster des Heimatfilms, wenn nicht gar seiner ganzen Weltsicht. Zu Fontanes Zeit wurde ebensowenig über Sexualität geredet oder einer Frau freier Handlungsspielraum zugestanden, wie das im Heimatkino der Fall war.


Nun blickt Fontane aber kritischer auf die Gegebenheiten seiner Zeit, als Jugert dies im Hinblick auf die Rahmenbedingungen des Heimatgenres macht - oder machen kann. Aufgrund der Erzählweise dieser Filmart verschieben sich die Beziehungen unter den Figuren ein wenig: Der Handlung gemäß zeigt von Innstetten seiner Frau gegenüber wenig Gefühl, ihre Ehe ist leidenschaftslos - aber weil die beiden hier so förmlich agieren, wie man das auch von anderen Filmen des Genres gewohnt ist, wirkt ihr Zusammenleben ganz normal. Crampas dagegen wirkt vor allem anfangs fast noch väterlicher als der Baron; später bekommt er mit seiner Zudringlichkeit einen unangenehmen Beigeschmack, der aber auch ganz im Modus üblicher Romanzen der Zeit steht: Der Mann macht kontinuierliche Avancen, die Frau ziert sich erst und schmilzt dann dahin.

Die gesellschaftlichen Zwänge, die Fontane mit seiner Geschichte anvisiert, werden in ROSEN IM HERBST eher zweitrangig: Wo im Roman die Konventionen den Figuren - nicht nur Effi, sondern auch dem Baron oder beispielsweise Effis Eltern, die sie nach der Schande des Fehltritts ebenfalls verstoßen - ihren Handlungsspielraum nehmen (ob tatsächlich oder nur so wahrgenommen, sei dahingestellt), entwickelt sich die Tragödie dieser Filmversion eher aus persönlichem Schicksal. Wo von Innstetten im Roman noch die Wahrnehmung der anderen als Grund für sein Duell mit Crampas anführt, ist es hier der eigene Schmerz, der ihn dazu treibt: Er erklärt, wie sehr er Effi liebt, und wie sehr sie ihn mit ihrer Untreue verletzt hat. Es ist interessant, wie nicht nur durch diese Verlagerung der Baron hier als durchaus sympathischer Mensch gezeichnet wird - einerseits paßt die Tatsache, daß der Figur hier mehr Verständnis entgegengebracht wird, in das Weltbild der Fünfziger Jahre, wo die Geschichte gewissermaßen als Moralstück über die Gefahr der Sittenwidrigkeit verstanden werden kann (Effi muß für ihren Seitensprung letztlich sterben), aber andererseits ist es eine Blickweise, die sich von üblichen Lesarten wegbewegt, in denen der Baron die Rigidität der Gesellschaft vertritt.


Erwähnenswert ist auch der Fokus auf das Spukmotiv im ersten Teil des Films - es heißt, daß im Haus des Barons ein vor langer Zeit verstorbener Chinese herumspukt, hinter dessen Tod auch eine verbotene Liebesaffäre gestanden haben soll. Jugert spielt hier intensiv mit dem Motiv des Unheimlichen - wenn Effi bei Kerzenschein alleine durch das Haus schleicht, der Wind die Vorhänge ominös durch das Zimmer wehen läßt, ein ausgestopftes Krokodil sich während einer Kamerafahrt ins Bild schiebt und eine Art Buddhastatue mit verzerrter Fratze zu sehen ist, offenbart der Film eine Kehrseite der sonst so idyllischen Häuslichkeit. Diese Bilder für Effis Gefühlszustand übernimmt Jugert aus der ersten Verfilmung, wo sie schon angelegt sind (die Statue ist im Film von 1939 ebenso zu sehen), gibt ihnen aber hier mehr Raum und Gewicht.

So ist ROSEN IM HERBST eine Verfilmung, die ganz ein Produkt ihrer Zeit ist - aber auch wenn die Inszenierung primär dem braven Auflösungsmuster des Heimatfilms verbunden ist und gerade aus der zeitlichen Distanz heraus fast künstlicher wirkt als Fassbinders formstreng gehaltene Schwarzweiß-Verfilmung von 1974, zeigt der Film doch den Versuch, Fontane nicht nur mit bunten Farben zu bebildern, sondern einen Blick auf den Stoff zu entwickeln. Wo Fassbinder sich seine ästhetischen Regeln freiwillig selber auferlegt, muß sich Jugert in seiner Version zwangsläufig mit von außen gegebenen Richtlinien arrangieren - und die machen seine Verfilmung vielleicht nicht zum besseren Film, aber dafür zu einem interessanten Gegenstück.




Rosen im Herbst (Deutschland 1955)
Regie: Rudolf Jugert
Buch: Horst Budjuhn, nach dem Roman "Effi Briest" von Theodor Fontane
Kamera: Werner Krien
Musik: Franz Grothe
Darsteller: Ruth Leuwerik, Bernhard Wicki, Carl Raddatz, Paul Hartmann, Lil Dagover, Lotte Brackebusch, Günther Lüders

SCHREI WENN DU KANNST: Ein filmischer Nachahmungstäter mit anständigem Kundendienst

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Es wird gerne bestritten, aber es ist wahr: Horrorfilme regen zum Nachahmen an. Zumindest Filmproduzenten, die bei erfolgreichen Gruselstreifen reflexartig die Scheckbücher zücken, um über Jahre hinweg ähnlich geartete Filme zu ermöglichen. Schon Anfang der Achtziger war der Slasherfilm mehr Replik als Risiko: So eine gut gemachte Schauermär über einen unaufhaltsamen Irren funktioniert eben auch beim hundertzwölften Aufguß noch immer als sichere Bank. Nachdem Wes Cravens SCREAM dem Traditionsgenre 1996 wieder Aufwind gegeben hat, sprangen Hollywoods Geldgeber wie die Nachahmungstäter erneut auf alles, was mit Maske und Messer herumlaufen könnte - nur daß es diesmal die großen Studios waren, die die neue Slasherwelle fortführten. Nachdem sie sich Anfang der Neunziger mit eher literarisch orientierten Horrorstoffen wie DRACULA und INTERVIEW MIT EINEM VAMPIR an das zuvor so disreputable Genre herangewagt hatten, war jetzt der Punkt gekommen, wo das Killerkino zum Mainstream-Event werden konnte.

VALENTINE, im Deutschen hübsch reißerisch SCHREI WENN DU KANNST betitelt, hält sich an alle Rituale, ohne die die Welt des Slasherfreundes ins Chaos stürzen würde: Wie in den Vorbildern HALLOWEEN und FREITAG DER 13. wird ein Feiertag zum Todestag auserkoren (auch wenn der schon 1981 in BLUTIGER VALENTINSTAG sozusagen abgefeiert wurde), ein Mörder arbeitet sich mit To-Do-Listen-Fleiß durch das Schauspielensemble durch, und das Motiv der Tötungen liegt in der Kindheit begraben. Mehr noch als in den Vorbildern sind die Opfer in VALENTINE vornehmlich junge, ansehnliche Menschen wie du und ich - sofern ich mit sechsstelligem Jahresgehalt in einer Villa hause und du die Kandidatinnen zur Party mitbringst, die neben dir in Germany's Next Topmodel auftreten.


Sterben müssen die schönen Gestalten hier, weil sie im vorpubertären Alter beim Schulball den unpopulären Jeremy abblitzen ließen und gehänselt haben: Wie in einem Stephen-King-Destillat wird uns im Vorspann die Schule als Raum des sozialen Horrors gezeigt, aus dem der Außenseiter nur mit tiefen seelischen Narben hervorgehen kann. Jeremy muß nämlich nicht nur Körbe kassieren, sondern wird auch von ein paar Halbstarken gedemütigt, nachdem ihn ein Mädchen als Perversen beschimpft und den Jungs erzählt hat, daß er sie belästigt habe. Punsch über den Kopf, verprügelt und zum öffentlichen Striptease gezwungen: Das stimmt Jeremy doch nachdenklich. Zehn Jahre später ist er fertig mit Nachdenken und bringt die unwilligen Weiber von damals um.

Auch in den Morden geht VALENTINE ganz im Sinne des Konsumenten vor: Die filmischen Opfer dürfen auf manchmal recht originelle Weise ihr Leben lassen. Die Medizinstudentin Shelley versteckt sich auf der Flucht vor dem bewaffneten Killer im Leichenhaus in einem Leichensack (was für den Mörder den praktischen Nebeneffekt hat, daß er den Körper danach nicht mehr entsorgen muß), die ansehnliche Paige darf beim Plantschen im Whirlpool Bekanntschaft mit einem Bohrer machen (nachdem sie per Plexiglasdeckel im Pool eingesperrt wurde). Und selbst auf einer gut besuchten Party schafft es Jeremy, seine Opfer immer irgendwo einzeln und unbemerkt zu erwischen - aber vielleicht liegt das daran, daß nebenan auf der Tanzfläche lauter Hits von Linkin Park, Marilyn Manson, Disturbed, Static-X, den Deftones und anderen seinerzeit populären Rabauken gespielt werden.


Wie es in den Slashern nach SCREAM so üblich war, ist auch hier eine gewisse Ironie spürbar. Zwar verkneift sich der Film jegliches Bewußtsein, Film zu sein, und nimmt auch nicht am popkulturellen Zitierspiel teil - zumindest nicht jenseits der Tatsache, daß den Genreregeln in jeder Hinsicht entsprochen wird - aber dafür betrachtet die Geschichte ihre Mann-Frau-Beziehungen mit amüsantem Augenzinkern: Sämtliche Männer sind schräge Vögel, unbrauchbare Lebensgefährten, Spinner mit dämlichen Aufreißsprüchen, Ex-Alkoholiker oder Tatverdächtige. Das wird gerade zu Beginn beinahe wie in einer Romantic Comedy gefeiert - zum Beispiel bei einem Speed-Dating, wo alle männlichen Kandidaten zum Davonlaufen animieren, oder in der Figur eines Nachbarn, dessen Anbandelungsversuche zum Augenverdrehen gereimt sind ("You look great, Kate. How about a date, Kate?" - Kate antwortet mit "You're scary, Gary"). Wenn nicht die meisten weiblichen Figuren außer der sympathisch normalen Kate so neurotisch, manipulativ und nervig gezeichnet wären, hätte es eine richtig schöne Satire gängiger Rollenklischées werden können.

So weit wagt sich VALENTINE dann aber doch nicht ins seltener beschrittene Horrorterrain: Er funktioniert prinzipiell wie jeder andere spätere Slasher, bei dem die Figuren hauptsächlich präsent sind, damit sie nach und nach über die Klinge springen dürfen, und bei denen das Drehbuch dafür sorgt, daß wir sie nicht sonderlich vermissen. Insofern interessant, wie schon der Vorspann eigentlich eine Identifikation mit dem gehänselten späteren Täter erlaubt - obwohl der nur mit Maske agiert und gerätselt werden darf, ob vielleicht eine der Figuren aus dem Ensemble hinter den Morden steckt. Es ist eben auch Genretradition, dem Zuseher eine gewisse Komplizenschaft mit dem Killer zu gönnen: Vor allem in ihren Sequels waren ja schon Freddy Krueger und Jason Voorhess weitaus populärer und vertrauter als all die Opfer, die da kamen und gingen.


So mag VALENTINE gewissermaßen ein sicheres Produkt sein, aber als solches ist der Film durchaus gelungen. Regisseur Jamie Blanks, der sich schon mit URBAN LEGENDS am Wiederaufleben des Slashers beteiligte, und sein Kameramann Rick Bota haben ein Gespür für Räumlichkeiten und verpacken die altbewährte Geschichte in gestylte, aber auch stimmige Bilder. Der Sinn für die Oberflächenreize wird nicht zuletzt auch bei den Darstellerinnen ausgekostet - vor allem an Denise Richards kann sich der Film kaum sattsehen und gönnt ihr auf der Tanzfläche genußvolle Zeitlupen, bevor sie ihre Modelfigur in den Hauspool bewegen darf. Sprich: Der Artikel wird auch mit anständigem Kundendienst geliefert.




Schrei wenn du kannst (USA 2001)
Originaltitel: Valentine
Regie: Jamie Blanks
Buch: Donna Powers, Wayne Powers, Gretchen J. Berg, Aaron Harberts, nach einem Roman von Tom Savage
Kamera: Rick Bota
Musik: Don Davis
Darsteller: Denise Richards, David Boreanaz, Marley Shelton, Jessica Capshaw, Jessica Cauffiel, Katherine Heigl, Hedy Burress, Daniel Cosgrove

BRUCE LEE - SEINE ERBEN NEHMEN RACHE: Vier Bruce-Lee-Klone räumen auf

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Wo manche Leute Probleme sehen, sehen andere Lösungen. Der tragische Tod von Bruce Lee im Jahr 1973 war so ein Problem - immerhin hatte sich der Martial-Arts-Star mit nur einer Handvoll an Filmen, viel Kampfkunst und etwas Lebensphilosophie zur höchst erfolgreichen Marke entwickelt. Wie verkauft man den Fans also nun die ganzen Kung-Fu-Filme, wenn das größte Zugpferd weg ist? Ganz einfach: Man heuert Leute an, die auch kämpfen können, und verkauft sie dem Publikum als Original. Über 100 Filme entstanden in den Jahren nach Lees Tod mit Darstellern, die Bruce Le, Bruce Li, Bruce Lai, Bruce Ly oder - Bonuspunkte für Cleverness - Lee Bruce hießen und dem Vorbild nicht unähnlich sahen - vor allem für westliche Zuseher, die einen Asiaten nicht vom anderen unterscheiden können. Bei uns nahm man das wie so oft auch mit der Namensgebung nicht so ganz genau und pappte ganz einfach den Namen "Bruce Lee" darauf. Problem gelöst, die Geldzirkulation geht weiter.

Ein besonders heiteres Exponat aus der unendlichen Menge an sogenannten Bruceploitation-Filmen trägt bei uns den eher unscheinbaren Titel BRUCE LEE - SEINE ERBEN NEHMEN RACHE. Der englische Titel deutet den Wahnwitz schon eher an, der sich da rüpelhaft auf der Leinwand breit macht: THE CLONES OF BRUCE LEE. Oh ja, hier ist nicht etwa ein einzelner Bruce-Lee-Imitator zu Werke. Es sind auch nicht zwei. Es sind nicht mal drei. Gleich vier Lee-Kopien purzeln durch diesen Streifen: Dragon Lee, Bruce Le, Bruce Lai und Bruce Thai. Wer die alle auseinanderhalten kann und mir ihre einzelnen Filme inklusive deutschem Verleihtitel auswendig aufzusagen vermag, darf mir demnächst ein Schnitzel spendieren.


Dieser Angriff der Klonkrieger wird freilich streng wissenschaftlich erläutert: Gleich zu Beginn des Films wird der echte Bruce Lee mit Herzanfall ins Krankenhaus gebracht. Während die Ärzte um sein Leben kämpfen, grast der Kameramann die Szenerie ab und bleibt an einer Art Gasdruckanzeige hängen, die uns bestätigt, was wir schon befürchten: Lee ist tot. Zum Glück steht schon ein Geheimdienstler vom SBI parat (Special Branch of Investigations, klarerweise), der einen Professor Lucas angeheuert hat, um eine Gewebeprobe von Lee sicherzustellen, aus der er drei Klone schaffen kann. Wir sehen Lucas' hochmodernes Labor: Ein Kasten mit blinkenden Lichtern, nervenaufreibendes Fiepen im Hintergrund, und wenn der Prof nicht gerade dezent irre lacht, spricht er in ein Karaoke-Mikrophon, um den Bruce-Klonen Instruktionen zu geben, die sie über eine Art Aluminiumhelm empfangen. Bei solchen Wundern der Wissenschaft wird einem ganz wonnig ums Herz.

Ganze 100% Bruce sind die drei Retortenkämpfer aber dann offenbar doch nicht: Sie sehen ein bißchen aus wie Bruce Lee - zumindest würde eine alte Frau aus Neu-Anif bei einer polizeilichen Gegenüberstellung auf mindestens einen von ihnen mit dem Finger zeigen - aber dennoch benötigen sie Kampftraining. Das erhalten sie von einem Chinesen im blauen Kittel, den ich schon mal in einem anderen Film gesehen zu haben glaube, in dem ein Mann gegen einen anderen Mann gekämpft hat. Weitere Unterweisung erhalten sie von Bolo Yeung, der 1973 in DER MANN MIT DER TODESKRALLE gegen den echten Bruce Lee antrat (und unterlag) und 1988 Jean-Claude Van Damme in BLOODSPORT schief ansah (und unterlag). Zum Glück hallt ein wenig das ROCKY-Theme über die Trainingssequenzen, sonst würden wir uns womöglich um die Qualität der Ausbildung Sorgen machen.


Und schon wird der erste Klon, der auf den originellen Namen "Bruce Lee 1" getauft wurde, auf eine Mission geschickt: Er soll sich undercover bei Dreharbeiten einschleusen, um einen finsteren Schurken dingfest zu machen - der ist nämlich nicht nur Goldschmuggler, sondern schändlicherweise auch noch Filmproduzent. Oder war das umgekehrt? Egal: Der grenzgeniale Plan, den Doppelgänger eines Weltstars unerkannt bei einem Filmdreh mitwirken zu lassen, geht auf, aber weil der Herr Produzent sich über die Herkunft dieses neuen Kampfgenies nicht ganz klar ist, will er ihn sicherheitshalber umbringen lassen. Und als das schiefgeht und Bruce seine Knallchargen verkloppt, will er ihn sicherheitshalber so richtig umbringen lassen. Und weil das auch nicht hinhaut, soll Bruce beim nächsten Drehtag vor laufender Kamera erschossen werden. Bevor noch jemand auf die finstere Ironie des Schicksals hinweisen und "Brandon Lee" rufen kann, tauchen am Set auch schon diverse Rabauken auf - die aber ihre Pistolen vergessen haben und stattdessen Messer verwenden. Vielleicht mußte der goldschmuggelnde Filmproduzent mit Budgetkürzungen seitens des Studios kämpfen.

Während Bruce da also diversen Lümmel eine Lektion erteilt, buddelt der Produzent in der Erde und gräbt seine zu schmuggelnden Goldbarren aus. Wie schön, daß der Chef hier noch selber Hand anlegt! Aber dann verfolgt Bruce ihn und seine Gang auf ein Boot, wo er sie alle niederprügelt. Während ich mich natürlich freue, daß diesem produzierenden, goldschmuggelnden Schuft das Handwerk gelegt wurde, stimmt mich der Gedanke an das Filmkunstwerk doch ein wenig traurig, das jetzt aufgrund seiner ausbleibenden Finanzierung unvollendet bleiben muß.


Zeit für einen neuen Auftrag, den diesmal "Bruce Lee 2" und "Bruce Lee 3" erledigen dürfen. Der mutet vergleichsweise harmlos an: Es ist kein ruchloser Produzent, den sie dingfest machen sollen, sondern nur ein wahnsinniger Drogendealer mit Weltherrschaftsanspruch, Dr. Ngai. Dazu treffen sich die beiden Bruces (Brucen?) mit einem Kontaktmann namens Chuck, der von Bruce-Lee-Doppelgänger Bruce Thai gespielt wird - und kaum als Doppelgänger für einen der Doppelgänger herhalten dürfte, weswegen er wohl nicht als Klon in die Handlung eingesponnen wurde. Schon zu Beginn des Auftrags werden sich die ganzen Brucen und Chucks am sonnigen Strand der knallharten sozialen Realitäten bewußt: Da laufen nackte Frauen durchs Wasser, plantschen und lachen, reiben sich ihre Brüste mit Sonnencreme ein und spazieren durch unzählige Nahaufnahmen. Die Burschen gucken eine Zeitlang hin, aber dann dämmert ihnen wohl, daß die Sequenz nichts mit der Handlung zu tun haben wird, und ziehen sozusagen unverrichteter Dinge weiter.

Zur Abwechslung wird jetzt ein wenig gekämpft, weil Bruce Zwei, Drei und Thai auf Handlanger von Dr. Ngai stoßen und das schöne Chemielabor des Doktors inklusive aller zehn Reagenzgläser vernichten. Erst dann zeigt sich der wahrlich abscheuliche und vermutlich sogar rechtswidrige Plan des Doktors: Er verwandelt seine Schergen in beinahe unbesiegbare Bronzekämpfer, mit denen er die Welt unterjochen will (könnte es sich hierbei um die ominösen Gesellen handeln, die wir noch in DIE RACHE DER BRONZEKÄMPFER vergeblich suchten?). Also prügeln sich Tick, Trick und Track, äh, Bruce Zwei, Drei und Thai erstmal eine Zeitlang vergeblich mit den etwas untersetzten goldfarbenen Männern in Unterhosen, bevor sie ins Grübeln kommen. Aber wie wir schon eingangs erwähnten: Wo manche Probleme sehen, sehen andere Lösungen. Die Lösung zum Problem der unbesiegbaren Bronzejungs liegt gleich in Nachbars Garten, wo ein hochgiftiges Kraut wächst, das wohl als Düngemittel fungieren soll. Hält man einem Bronzemensch dieses Kraut vor den Mund, knabbert er sofort wie ein Suchtler daran und segnet nur wenige Sekunden später das Zeitliche. Daraus kann man eigentlich eine ganz generelle Lebensphilosophie ableiten: Wenn Schwierigkeiten unüberwindbar erscheinen, hat man einfach das richtige Kraut noch nicht gefunden.


Nachdem Dr. Ngai nun also auch seine Unternehmungen aufgrund seines plötzlichen Dahinscheidens abblasen mußte, bedankt sich der eingangs eingeführte SBI-Chef bei Professor Lucas für die Unterstützung. Daraufhin wird der gute Professor wahnsinnig und will ebenfalls die Weltherrschaft an sich reißen (oder wenigstens mal ein ruhiges Forschungssemester einlegen dürfen). Man könnte freilich die Theorie aufstellen, daß er schon von Anfang an wahnsinnig war, aber derartige Detailanalysen überlasse ich erfahreneren Filmwissenschaftlern. Jedenfalls schmiedet der gute Prof sogleich einen herzerweichend hinterhältigen Plan: Er läßt alle drei Bruces gegeneinander kämpfen, weil der, der dann übrig bleibt, der beste Kämpfer sein muß und man mit dem dann sicherlich die Welt beherrschen kann. Bevor noch jemand darauf hinweisen kann, daß drei gute Kämpfer die Chancen vielleicht steigern, weil der beste ja automatisch dabei wäre, kloppen sich die drei Klonkrieger auch schon die Raupen aus der Nuß.

Zum Glück gibt es noch die beiden hübschen Assistentinnen des Professors, die sich sogleich daran machen, die "Magnetatoren" des Wissenschaftlers auszuschalten, mit denen er die drei Bruces steuert. Was sind Magnetatoren? Gut, daß gefragt wird: Das sind im Gebüsch versteckte Lautsprecher, deren Kabel man durchschneiden kann. Und sobald die Bruces von den Assistentinnen darüber informiert werden, daß sie jetzt nicht mehr ferngesteuert werden, hören sie auch schon wieder auf zu kämpfen - beziehungsweise: Sie wenden sich lohnenswerteren Kämpfen zu, nämlich solchen gegen plötzlich auftauchende Tagelöhner des Professors sowie die beiden Trainingsmeister.


Da wird dem Prof dann doch mulmig, und er lockt einen der Bruces in eine Todeslaserfalle (liebe erfahrenere Filmwissenschaftler, die ihr vielleicht jetzt knobelt: Vielleicht ist die Tatsache, daß Professor Lucas in seinem Labor Todeslaser hat installieren lassen, schon ein Hinweis auf meinen Verdacht, daß er von vornherein nicht ganz entspannt im Oberstübchen war). Der nächste Bruce haut aber einfach ein Loch in die Wand, durch das er ins Labor kommt, und kämpft noch gegen einen zombifiziert aussehenden Bodyguard, mit dem er die seinerzeit so üblichen Kampftechniken von der Schlange über den Leoparden bis hin zum Murmeltier durchspielt. Professor Lucas flieht und wird vor seinem Gebäude schon vom SBI in Gewahrsam genommen.

Und schon ist der Film aus. Für das profunde Schlußwort muß ich mir aber erst noch mindestens einen eigenen coolen Doppelgänger suchen.





Bruce Lee - Seine Erben nehmen Rache (Hongkong/Philippinen 1981)
Originaltitel: The Clones of Bruce Lee
Regie: Joseph Kong
Martial Arts Director: Wong Kei Lung
Produzent: Dick Randall, Chang Tsung Lung
Darsteller: Dragon Lee, Bruce Le, Bruce Lai, Bruce Thai, Jon Benn, "Yang Tze" (= Bolo Yeung)

U-BOOT ACADEMY: Die herrlich alberne Ode an den Außenseiter

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Eigentlich ist die U-BOOT ACADEMY gar kein Vertreter des in den Achtzigern so beliebten Academy-Subgenres: Wie bei vielen anderen Filmen (DRIVING ACADEMY, FBI ACADEMY, ...) war es der deutsche Verleih, der dem Film die Nähe zur immens erfolgreichen POLICE-ACADEMY-Reihe geben wollte. Und doch paßt GOING UNDER, wie die U-BOOT ACADEMY im Original heißt, perfekt zu dieser Komödienspielart, in der die Unfähigen auf eine altehrwürdige Institution oder ein ganz nüchternes Berufsfeld losgelassen werden.

Im Prinzip waren die Academy-Filme kleine Oden an den Außenseiter: Hier standen die Spinner und die Seltsamen im Zentrum der Geschichten und waren ihre Helden, während die ordnungsliebenden Normalos als unsympathische Gegenspieler fungierten. Es war erfrischend, einmal nicht die Supercops zu sehen, die knallharten Ermittler, die Besten ihres Feldes, sondern sich komische Käuze in diesen Rollen vorzustellen; einmal nicht die aufrechten Führungspersönlichkeiten abzufeiern, sondern die sozial Schwachen und die unsicheren Eigenbrötler das gewohnte Erfolgsprinzip unterwandern zu sehen. Natürlich waren diese Ausgeflippten als Karikaturen angelegt, aber sie waren liebevoll gezeichnet und hielten zusammen - und wir waren eingeladen, mit ihnen die kleinen Triumphe gegen das System zu feiern. Die Academy-Filme waren das perfekte Gegenmittel zum Narrativ der Leistungsgesellschaft.


In der U-BOOT ACADEMY sind die Protagonisten zwar größtenteils in keiner Akademie, aber das Prinzip der schrägen Dilettanten im genormten Umfeld der Disziplin greift hier ebenso. Die Geschichte dreht sich um den unglückseligen U-Boot-Kapitän Biff Banner (Bill Pullman), der Angst vor Wasser hat und an Klaustrophobie leidet - keine guten Voraussetzungen für den Job. Das Verteidigungsministerium setzt ihn aber trotzdem ein: Der Stapellauf des geheimen Tarnkappen-U-Boots (oh ja!) U.S. Sub Standard (jawohl!) steht bevor, und weil die Gelder für das sündhaft teure Forschungsprojekt eher in die Taschen von Admiral Malice (Ned Beatty) geflossen sind, will man den notdürftig zusammengeschraubten Kahn möglichst unauffällig versenken. Dann gerät Banner mit seiner Crew an entbehrlichen Versagern aber in einen Ost-West-Konflikt, der einen Atomkrieg auslösen könnte ...

Schon die Zusammenfassung zeigt: U-BOOT ACADEMY ist albern. Was sonst sollte so eine Academy-Komödie wohl sein? Das Wunderbare an diesem Film ist gerade die Tatsache, wie unglaublich albern und absurd sich das ganze Prozedere über die Leinwand blödelt. Da ist kein Witz zu hirnrissig, kein Unfug zu fern, keine Entwicklung zu hanebüchen - die Geschichte ist so närrisch, daß sie mitunter wie bei den schönsten ZAZ-Parodien ins Surreale abkippt. Da steht Banner, nachdem er aufgefordert wird, endlich als Captain zu funktionieren, plötzlich mit Piratentuch und Steuerrad auf der Brücke; zum Showdown Amerika gegen Rußland erwirkt Banner wie beim Football ein Time-Out und beruft ein Huddle der sechsten Flotte ein; Lecks im U-Boot werden wahlweise mit Gummipropfen oder mit jungen Matrosen beseitigt, die den Finger ins Loch halten; und die "Tarnkappenvorrichtung" läßt das U-Boot als großen Wal erscheinen, woraufhin es von einem japanischen Boot mit Harpunen angegriffen wird (die auf der Brücke einfach so durch die Wände krachen). Als Banner sich Rat bei Footballlegende Joe Namath holen will, geht er zu einem Telefon im U-Boot und sagt: "Hallo, Vermittlung? Geben Sie mir Joe, hier ist Biff."


Man muß freilich eine Vorliebe für Kalauer haben, um an der U-BOOT ACADEMY wirklich Vergnügen zu entwickeln. Schon die Namen würden mancherorts Einzahlungen in die Wortwitzkasse erfordern: Das Boot heißt "Sub Standard", Banners Therapeut heißt "I.M. Friendly" (und ist ein plärrender Drill Sergeant im Stil von EIN OFFIZIER UND GENTLEMAN), irgendwo sitzt ein "General Alert" herum, und der Navigator heißt McNally (Rand McNally ist ein großer US-Verlag für Karten und Navigationssysteme). Die Crew trägt Kappen mit übergroßen Schirmen, mit denen die Leute ständig irgendwo hängenbleiben. Der erste Offizier war schon zwölf Jahre auf der Marineakademie, hätte letztes Jahr fast den Abschluß geschafft ("Versuchen Sie's weiter", empfiehlt ihm Banner) und lobt jede Order mit "Super!" oder "Ein toller Befehl!". Und das russische U-Boot, das Jagd auf unsere Helden macht, trägt den Namen "Pink November".

Die deutsche Synchro läßt sich da nicht lumpen und blödelt mit Wonne mit. Banner kann das Wort "Periskop" nicht aussprechen ("Persikokosp ausfahren!"), die Russen schwäbeln oder hängen an jedes Wort ein "-i" oder "-ski" ("Geheimski Radarstützpunkti"), der japanische Kapitän redet gewissermaßen asiatisches Bayrisch ("Sacklzement! Wos fül Fisch! Meine Flau legt sich niedel!"), und Admiral Malice spricht von "nuklearen Waffeln". Beständig werden Sprüche geklopft ("Geh mir aus der Sonne, sprach schon Diogenes in der Tonne"), oder die Figuren reden in verstellten Stimmen - vor allem Michael Winslow, der in einer Nebenrolle als Reporter auftaucht und mit Quietschestimme ruft: "Ich bin der Onkel von Eddie Murphy!"


Oh ja, die U-BOOT ACADEMY ist wunderbar beknackt, und Regisseur Mark W. Travis hat viel Vergnügen daran, sich von einer Absurdität zur nächsten Albernheit fortzubewegen. Für eine solche Blödelei muß man eine Antenne haben - aber wenn schon die Protagonisten dafür gefeiert werden, komische Spinner mit drolligen Spleens zu sein, darf der Film sich genauso verhalten. Die heldenhaften Kapitäne und dienstbeflissenen Soldaten, die ganz im Sinne der Navy agieren, gibt es anderswo: Hier herrscht sympathische Anarchie. "Hißt die Segel! Schrubbt das Deck! Kocht Kaffee!"




U-Boot Academy (USA 1990)
Originaltitel: Going Under
Regie: Mark W. Travis
Buch: Darryl Zarubica, Randolph Davis
Musik: David Michael Frank
Kamera: Victor Hammer
Darsteller: Bill Pullman, Wendy Schaal, Chris Demetral, Tyrone Granderson Jones, Dennis Redfield, Lou Richards, Ernie Sabella, Elmarie Wendel, Bud Cort, Ned Beatty, Roddy McDowall, Robert Vaughn, Richard Masur, Joe Namath, Michael Winslow, Tad Horino

KILLER NINJAS infiltrieren ein bis drei Archivfilme!

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Hat schon einmal jemand einen Ninja-Film gesehen, der auch nur annähernd so großartig war wie sein Videocover? Es ist schwer, die Faszination in Worte zu packen, die man vor allem als Jugendlicher vor solchen VHS-Motiven wie dem von KILLER NINJAS entwickeln konnte: Das mußte man doch einfach sofort sehen. Dicke Wummen, muskelbepackte harte Burschen, Hubschrauber, Panzer, Action pur, alles in schicken Farben - und mitten drin auch noch Ninjas! Ninjas machen einfach alles cool. Naja, alles außer den Filmen, die sich hinter diesen Covern verbargen.

KILLER NINJAS heißt mittlerweile in der DVD-Version DIE TODESKÄMPFER DER NINJA; im Original heißt der Streifen NINJA IN THE KILLING FIELD. Und wenn da als Regisseur ein gewisser "York Lam" genannt wird, denkt man sich erstmal gar nichts - und landet prompt in einer der vielen Dutzend Resteverwertungsproduktionen von Godfrey Ho, wo aus alten Schrottfilmen fast ganz neue Schrottfilme zusammengeschnitten werden. Mit Ninjas.


Theoretisch dreht sich KILLER NINJAS um eine "Ninja-Sekte" unter der Leitung von Oberninja Sears. Der trägt ein knallrotes Ninjakostüm mit aufgeklebtem Stern auf der Kapuze und brummt jedesmal mürrisch, wenn er ins Bild kommt. Sears befindet sich in einem schwarzen Zimmer zusammen mit vielen anderen Ninjas, denen er Instruktionen gibt, und dann sehen sich die Ninjas jedesmal ganz verblüfft an, als würden sie sich wundern, warum hier jeder ein Kostüm trägt. Schon zu Beginn zeigt Sears seiner Gefolgschaft per TV-Schirm einen billigen Actionfilm - es soll ein Mitschnitt eines von der Organisation durchgeführten Raubüberfalls sein, ist aber eigentlich nur ein ganz anderer Film, den Ho halt mal eben hier verwurschteln wollte.

"Hinter diesen Überfällen steckt jemand ganz Bestimmtes", schlußfolgert derweil ein Polizeiinspektor, der den ganzen Film über sein Gesicht hinter einer gigantischen Sonnenbrille und einem ebensolchen Schnauzer verstecken wird. "Das können nur die Ninjas sein", spricht ein anderer Polizist im Raum. Von solch präzisen Deduktionsmethoden kann die Salzburger Polizei nur lernen.

Die Ninjas glauben unterdessen, daß sich ein Verräter in ihrer Mitte befindet. Sears verdächtig den Ex-Freund von Ninja #18 - ein gewisser Steve, der mit Aschenbecherbrille in einem ganz anderen Film herumlümmelt und irgendwie mit dem Polizeiinspektor zusammen an so einer Drogenbande dran ist. Aber sowas kann man ja flugs zusammenschneiden - vor allem, wenn man noch schnell eine Szene dreht, in der Ninja #18 (wie hält Sears seine Ninjas eigentlich auseinander?) sich mit Steve kloppt und dann wieder verträgt. Den Rest des Films wird Ninja #18 leider aussetzen müssen, aber eventuell ist eine der Frauen, die so durch die (räusper) Handlung spazieren, Ninja #18 ohne schwarzes Kostüm. Wer weiß das schon.


Weil dieser Asia-Action-Thriller rund um die Drogengang in recht üppigem Ausmaß wiederverwertet wird, muß man lange Zeit ohne weitere Ninjas auskommen. Nur zwischendurch tritt einmal Agent Richard Jones auf den Plan, der nie mit den anderen handelnden Personen in Berührung kommt, aber prompt bei hellichtem Tag von schwarzgekleideten Ninjas angegriffen wird. Einer surft auf seinem Autodach und sticht mit dem Schwert durchs Blech, aber dann schüttelt Jones ihn ab und fährt ein paar Mal drüber. Es liegen dann allerdings nur noch schwarze Fetzen am Boden, und ein anderer Ninja mit flammendem Pfeil taucht im Straßengraben auf - vielleicht ist es auch derselbe Ninja, der den Ninjakurs "Wie komme ich nicht unter die Räder" mit Auszeichnung bestanden hat.

Jedenfalls explodiert Jones' Auto, nachdem Jones wieder eingestiegen ist - macht aber gar nichts, in der nächsten Einstellung läuft Jones schon wieder durch die Gegend, mit nacktem Oberkörper und jetzt weißer Hose. Er spricht einen herumstehenden Gärtner an, der ihn mit der Heckenschere angreift, und das macht Jones stutzig: "Wer hat dich geschickt, um mich zu töten?" Bevor der Gärtner aber Protest einlegen kann, landet ein Wurfstern aus dem Gebüsch in seinem Hals. Aufgrund des Informationsdefizits wird Jones an weiten Teilen des Plots nun nicht teilnehmen können.


Derweil fahren Soldaten Panzer auf, die möglicherweise auch wieder aus einem anderen Film entlehnt wurden. Ein Off-Sprecher erklärt: "Um mit den Ninjas fertigzuwerden, brauchen wir die Unterstützung von Marine, Luftwaffe und Armee". Sehr gut! Weil jetzt aber erstmal dieser Drogenthriller weiter erzählt werden muß, muß die geballte Feuerpower noch eine halbe Stunde lang warten. In dieser Geschichte haben die brutalen Dealer, denen Steve (wir erinnern uns!) auf den Fersen ist, jetzt eine noch brutalere Killerlady angeheuert. An die macht sich der Oberdealer ein wenig heran, und nach etwas Geraufe schmusen sie auch schon miteinander und säuseln folgendes romantisches Geplänkel:

Er: Ich hab' noch nie eine Frau getroffen, die so gut kämpfen und küssen kann wie du.
Sie: Du bist aber auch nicht schlecht. Ich bin überrascht, daß ein Verbrecher aus der Unterwelt so zärtlich sein kann wie du.
Er: Hat man dir in den Trainingscamps auch das Bumsen beigebracht?


Was passiert jetzt? Ah ja, es wird viel geballert, viel gestorben, und wenn man genau wüßte, wie das jetzt alles zusammenhängt, wäre das auch sicher sehr dramatisch. Zum Glück droht uns noch ein Showdown zwischen Agent Jones und Oberninja Sears, der aus der Rahmenhandlung flüchten will und mit drei anderen Ninjas davonfährt. Leider bleibt ihr Auto in einem Schlagloch stecken, und während die drei Schergen den Wagen anschieben, schnappt sich Jones hinterrücks einen von ihnen. Das merken die anderen auch fast sofort:

Ninja #1: Wir können weiterfahren. Halt! Wo isser denn hin?
Ninja #2: Er ist verschwunden! Seltsam.
Ninja #1: Wir vermissen einen Ninja!

Leider fragt niemand nach: "Wie sah er denn aus?" Stattdessen kämpfen sie alle gegen Jones, der sie in einem mehr oder weniger epischen Schlußkampf in den Ninjahimmel schickt. Bemerkenswert ist vor allem der rote Oberninja, der sich im Boden verstecken kann, und dessen Hand, nachdem sie von Jones abgehackt wird, als Raketengeschoß durch die Luft fliegt. Solche Tricks lernt man nicht, wenn man auf der Ninjaschule nur das einfache Bachelorstudium absolviert.


Haben wir eigentlich schon die Musik erwähnt? Da hat man sich bei den billigen Martial-Arts-Streifen ja schon immer gerne im Archiv bedient. Hier hört man elektronisches Pulsieren, das aus einem Tangerine-Dream-Score entstammen könnte, daneben großes Orchester, dann den Beginn von "I'm Only Human" (von der Synthpop-Gruppe The Human League), und ein bißchen Synth aus dem TRON-Score.

Oh, irgendwie habe ich bei der Handlungsübersicht jetzt vergessen, daß vor dem Endkampf noch Panzer und Jagdflieger gegen Ninjas kämpfen. Es kann gut sein, daß sich die nicht alle im selben Film befinden. Ach ja, und es kann gut sein, daß es gar keine stringente Handlung gibt. Aber dafür Ninjas!




Killer Ninjas (Hong Kong 1984)
Alternativtitel: Die Todeskämpfer der Ninja
Originaltitel: Ninja in the Killing Field / Ninja in the Killing Fields
Regie: "York Lam" (= Godfrey Ho)
Buch: Dwight Bolinger
Kamera: Jackson Lee
Musik: Tsang Kwong Wah
Darsteller: Stuart Steen, Louis Roth, Jane Kingsly, Henry Steele, Patricia Greenfield, Joe Nelson

L'EXPÉRIENCE BLOCHER - Das Phantom Blocher

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Wie der ewige Pilger sitzt er in seiner Limousine und lässt sich durch die Schweiz fahren. Neben ihm seine Frau, die schweigt, wenn sie nicht gerade mit ihm Französischvokabeln für einen TV-Auftritt übt. Und immer ist die Kamera auf ihn gerichtet, während er wie ein abgekapselter Raumfahrer durch das Land gleitet und seine Ideen verbreitet – die der Mann hinter der Kamera nicht eine Sekunde lang teilt.

Christoph Blocher ist das, was man euphemistisch als "nicht unumstritten" bezeichnet: Ein Politiker der extremen Rechten, der mit populistischen Mitteln und zur Schau gestellter Bodenständigkeit Angst schürt, um sein Land vor allem gegen Zuwanderung von außen abzuschotten. Ein Milliardär, der mit fragwürdigen Mitteln sein Vermögen vermehrt und dabei auch schon mal eine Schlüsselrolle in einem Skandal um Insiderhandel spielt. Ein Demagoge, der mit Witz und Wortgewandtheit Menschen auf seine Seite zieht.

Filmemacher Jean-Stéphane Bron steht in seinem Dokumentarfilm L'EXPÉRIENCE BLOCHER vor der Aufgabe, diesen Mann zu porträtieren, obwohl er seine Anschauungen und Handlungsweisen ganz und gar nicht gutheißen kann. Deshalb dreht sich der Film, wie der Titel ("Die Blocher-Erfahrung") schon suggeriert, auch nur vordergründig um die Person Blocher – denn eigentlich geht es um die Herausforderung, ihn zu zeigen, um den Umgang mit ihm. Es geht um Bron, der sich unschlüssig ist, wie er Blocher gegenübertreten soll.


L'EXPÉRIENCE BLOCHER ist kein Exposé im Stil von Michael Moore und kein Time-Life-Bericht über das Leben und Wirken einer Person. Es ist ein Versuch, einen Mann als Mensch zu sehen, den man sonst nur als Rechtspopulisten kennt. Bron begegnet Blocher gewissermaßen auf Augenhöhe – aber schreckt gleichzeitig auch davor zurück, den Mann reden zu lassen, weil er Angst vor hohlen Phrasen hat. So ist der Dialog zwischen den beiden auch verzerrt: Blocher redet in die Kamera oder wird bei Gesprächen mit anderen gefilmt, aber Bron redet nur als erzählerische Off-Stimme zu ihm und über ihn: Er gibt Blochers Worte als Kommentar wieder, zeichnet seine eigenen Gedanken auf, aber scheint den Mann selten tatsächlich anzusprechen. Das ergibt eine eigentümlich passive Dynamik: Der große Redner Blocher wird oft schweigend gezeigt, während Bron versucht, seine Ansichten und Kritikpunkte zurückzuhalten.

Und doch scheint überall durch, wie Bron sein Gegenüber sieht. Er erwähnt Blochers Vergangenheit als Lohndrücker, seine Geschäfte mit dem Apartheitsregime. Er legt fremdartige, subtile Ambientklänge über Blochers Reise, als würde im Horrorfilm der Tod durch das Land ziehen. Er verwendet Worte wie "kontaminieren", wenn es um Blochers Einfluss auf die Politik geht. Und wenn Blocher 2003 ins Parlament gewählt wird, lässt Bron elegische Streicher erklingen: Die Tragödie nimmt ihren Lauf, scheint er zu sagen.


Das nachhaltigste Bild des Films ist das der Einsamkeit. Immer wieder wird Blocher alleine gezeigt: Im Pool, in seinem Haus, im Parlament. Man kann diese Momente so lesen, wie Blocher sich gerne sieht: als Einzelkämpfer. Man kann darin aber auch den alten Mann sehen, der nie vom Leben umgeben ist, auch wenn er noch so anbiedernd auf Volksfesten singt. Ein Mensch, dessen Ideen ihn von der Welt entfremden.

Natürlich scheitert Bron in seinem Ansatz, den Mensch Blocher zu ergründen. Als Porträt ist der Film adäquat, aber er zeigt wenig, was Blochers Gegner sowie seine Befürworter nicht schon wüssten. Seine Spannung bezieht der Film aber genau aus dieser Bruchstelle. "Sie werden zum Phantom dieser Geschichte, die zu Ende geht", sagt Bron zum Schluss, und es ist ein hoffnungsvoller Satz: Phantome kann man nicht verstehen. Man kann sich nur wünschen, dass sie verschwinden und kein Unheil mehr anrichten.



L'Expérience Blocher - Eine filmische Erfahrung (Schweiz/Frankreich 2013)
Originaltitel: L'Expérience Blocher
Regie: Jean-Stéphane Bron
Kamera: Patrick Lindenmaier
Musik: Christian Garcia

Dieser Text erschien zuerst am 29. Mai 2014 bei gmx.ch.

DIE UNSICHTBARE FALLE: Eine perfide psychologische Manipulation

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"You never know who anybody is", sagt die Sekretärin Susan mehrmals. Der reiche Industrielle Jimmy Dell sieht das anders: "Good people, bad people, they generally look like what they are." Die beiden Aussagen sind miteinander verknüpft: Paradoxerweise glauben wir beides, mal das eine, mal das andere, oder wir glauben das eine und handeln nach dem anderen. Es ist ebensowenig möglich, jedem zu mißtrauen, wie man jedem trauen kann.

David Mamets DIE UNSICHTBARE FALLE handelt von einem Betrug, und der Originaltitel weist vage in diese Richtung: THE SPANISH PRISONER ist die Bezeichnung für eine Täuschung, die bis ins 16. Jahrhundert zurückgeht und selbst heute noch in Variationen anzutreffen ist. Da wird einer Zielperson Reichtum und Glück in Aussicht gestellt (gerne auch verbunden mit der Möglichkeit einer romantischen Liaison) - aber weil beides derzeit in der Ferne festgehalten wird, muß die Zielperson erst etwas als Ablöse leisten. Um also gemäß des Namens, den dieser Betrug trägt, die schöne, reiche Gefangene aus Spanien zu befreien, muß das Opfer beispielsweise erst ein vergleichsweise geringes Lösegeld zahlen. Der Trick funktioniert, wenn die Zielperson das versprochene Resultat stark genug will, und genau das bereitet der Trickbetrüger in sorgfältiger psychologischer Manipulation vor.


Mamets Geschichte dreht sich um den jungen Erfinder Joe Ross (Campbell Scott), der für seine Firma ein nicht näher erläutertes Verfahren entwickelt hat, das immensen Reichtum verspricht. In einer Präsentation schreibt er den projizierten Gewinn auf eine Tafel, die wir nicht sehen, und es wird sehr still im Raum. Aber kann Joe seiner Firma trauen, daß sie ihn nach Aushändigung des Verfahrens auch entsprechend kompensiert? Versuchen bestimmte Leute vielleicht, das Verfahren zu stehlen? Und hat der Geschäftsmann Jimmy Dell (Steve Martin), mit dem sich Joe anfreundet, unlautere Absichten, oder kann ihm Dell helfen, sich gegen die Firma abzusichern?

DIE UNSICHTBARE FALLE ist ein Film, über den man beinahe nichts verraten darf, weil das Vergnügen darin besteht, sich langsam mit Joe in das Netz aus Argwohn und Täuschung zu begeben, das Mamet hier spinnt. Daß sich ein Betrug abzeichnet, merken wir schon bald, aber es bleibt diffus, wie genau der ablaufen soll - und wer in welcher Form involviert ist. Immer wieder werden Hinweise gestreut, die dann doch ins Leere führen, oder es fallen Sätze, die erst später an Bedeutung gewinnen. Irgendwann ist die "unsichtbare Falle" perfekt eingefädelt, und wir verlieren ebenso den Boden unter den Füßen wie Joe Ross.


Rückblickend betrachtet - beziehungsweise beim zweiten Ansehen des Films ganz offensichtlich - ist es faszinierend, wie perfide die Manipulation hier abläuft, sowohl für uns Zuseher als auch für Joe (da wir die Geschichte fast vollständig aus seinem Blickwinkel sehen, decken sich diese Täuschungen). Hier ist ganz raffinierte Psychologie am Werk: Zum Beispiel in der Art, wie Informationen beiläufig und indirekt gegeben werden, wie bei der Zielperson Gedanken gesät werden, wie Ablenkungen eingesetzt werden, wie menschlichen Schwächen ausgenutzt werden, und wie man das Opfer doch immer vermeintlich von sich aus agieren läßt.

Interessant ist vor allem die Besetzung von Jimmy Dell mit Steve Martin: Eins von Martins größten Talenten ist es, sympathische Betrüger zu spielen. Ob in ZWEI HINREISSEND VERDORBENE SCHURKEN, MY BLUE HEAVEN oder BOWFINGER: Martin lügt in zahlreichen Filmen seinen Mitmenschen das Blaue vom Himmel herunter. Auch eine seiner ernsteren Rollen, der Wanderprediger in DER SCHEIN-HEILIGE, spielte mit dieser Schlitzohrigkeit. In DIE UNSICHTBARE FALLE ist Martin völlig ernst - ein angenehmer, etwas reserviert wirkender wohlhabender Mann, der kein Geheimnis zu haben scheint und doch rätselhaft wirkt. Aber hat er Recht, wenn er sagt, daß die Leute üblicherweise nach dem aussehen, was sie sind, oder spielt er doch ein Spiel mit Joe? Und wenn ja, welches?


Ob der Schluß des Films ganz plausibel ist, sei einmal dahingestellt. Vielleicht ist er auch nur eine weitere Stufe im Betrug, und vielleicht ist er nur die Versinnbildlichung des Problems, das sich mit den zwei einleitenden Zitaten abzeichnet: Wir wissen nie wirklich, wer jemand ist, und glauben schon aus Notwendigkeit dennoch, es zu tun. So gesehen ist THE SPANISH PRISONER ein hinterhältiger Albtraum, dessen Ungewißheit nach und nach alles durchdringt. Vor allem aber ist der Film ein ausgefuchstes Spiel mit den Mechanismen psychologischer Beeinflussung - die wir erst verstehen, wenn wir von ihnen hinters Licht geführt wurden. Im Kino können wir das wenigstens tun, ohne dabei alles zu verlieren.




Die unsichtbare Falle (USA 1997)
Originaltitel: The Spanish Prisoner
Regie: David Mamet
Buch: David Mamet
Musik: Carter Burwell
Kamera: Gabriel Beristain
Darsteller: Campbell Scott, Steve Martin, Rebecca Pidgeon, Ben Gazzara, Ricky Jay, Felicity Huffman, Ed O'Neill, Clark Gregg

BRUCE LEE - SEIN TÖDLICHES ERBE: Solider Kampfsport ganz ohne Bruce Lee

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Was macht man, wenn einem Bruce Lee für einen schmissigen Kung-Fu-Film nicht zur Verfügung steht? Ganz klar, man heuert einen seiner vielen Doppelgänger wie Bruce Le, Bruce Lai oder Bruce Li an. Und was macht man, wenn einem die auch nicht zur Verfügung stehen? Gar kein Problem: Der Verleih wird's schon richten. Da nennt man den Film in der deutschen Version ganz einfach BRUCE LEE - SEIN TÖDLICHES ERBE und synchronisiert den Spaß so, als wäre die Hauptfigur der Vetter von Bruce Lee. Der amerikanische Verleiher geht's anders an: Weil dort 1974 die Blaxploitation-Welle in vollem Gange war, packte man den schwarzen Nebendarsteller Ron Van Clief auf das Poster und nannte das Ganze THE BLACK DRAGON. Wo kommt man sich veralberter vor - wenn der Hauptdarsteller ein paar Mal über den sonst nicht auftauchenden Titelhelden Bruce Lee schwadroniert, oder wenn der Mann auf dem Plakat nur ungefähr 15 Minuten lang im Film zu sehen ist?

Dabei hätte BRUCE LEE - SEIN TÖDLICHES ERBE solche Marketingtricks gar nicht unbedingt nötig - beziehungsweise: Der Film hat die Tricks nur nötig, weil seinerzeit hunderte von Martial-Arts-Streifen die Kinos stürmten und man sich irgendwie, irgendwie!, hervorheben mußte. Das ist beim Kung-Fu-Film genauso wie beim Italowestern, beim Sandalenfilm oder bei jedem anderen Pulp-Genre, wo in Fließbandgeschwindigkeit neue Ware produziert wurde - es gibt besser und schlechter ausgeführte Produktionen, aber abseits der handwerklichen Qualität unterscheiden sie sich nicht gewaltig.

Der vermeintliche Vetter von Bruce Lee heißt Tai-Lin und arbeitet auf einer Farm. Als sein Bruder als reicher Mann von den Philippinen zurückkehrt, will Tai-Lin ebenfalls dorthin aufbrechen, um sein Glück zu machen. Er heuert dort als Dockarbeiter an und wird aufgrund seiner Kampfsportkünste schnell zum Aufseher befördert - beziehungsweise auch als Wachposten, weil beständig eine Bande von Kämpfern die Verladungsarbeiten stören will. Irgendwann wird Tai-Lin aber darauf gestoßen, daß hier Rauschgift geschmuggelt wird und er für einen Verbrecher arbeitet. Er verbündet sich mit den Störenfrieden, um den Drogenhandel zu stoppen - und muß zuletzt gegen seinen eigenen Bruder kämpfen, den der Syndikatschef wieder als Leibwächter kommen läßt.


Auch ohne den deutschen Titel wäre der Bruce-Lee-Bezug der Geschichte ziemlich klar: Auch im Lee-Klassiker DIE TODESFAUST DES CHENG LI kam unser Held darauf, daß die Firma, für die er arbeitet (dort war es eine Eisfabrik), Rauschgiftgeschäfte betreibt, und machte sich daran, für Recht und Ordnung zu sorgen. Interessant ist hier, daß die Drogenthematik kurzfristig mit einem gewissen realistischen Blick eingeführt wird: Einer der ersten Eindrücke, die Tai-Lin vom Leben auf den Philippinen erhält, ist ein Mann, der sich in elendiger Sucht auf der Straße krümmt, während die Menschen einfach an ihm vorbeigehen.

Sehr viel mehr gibt es aber inhaltlich nicht festzuhalten. BRUCE LEE - SEIN TÖDLICHES ERBE lebt, wie so viele Filme seiner Art, vom Kampfsport, und da weiß er zu gefallen: Die Kämpfe sind hart und realistisch gehalten, die Inszenierung ist schnörkellos, aber sauber. Die Athleten - in diesen Filmen sind die Darsteller ja immer eher Sportler als Schauspieler - machen eine gute Figur, und die Geschichte wird mit einer gewissen Sorgfalt und Ernsthaftigkeit erzählt. Das alles macht den Film nicht bemerkenswert genug, um wirklich aus der Fülle an vergleichbaren Streifen herauszuragen - aber er bietet gut gemachte Unterhaltung in einem Genre, mit dem man sich ohnehin nicht wegen seiner unbedingten Originalität beschäftigt.




Bruce Lee - Sein tödliches Erbe (Hong Kong/Philippinen 1974)
Originaltitel: Tough Guy / The Black Dragon
Regie: Tommy Loo Chung
Drehbuch: Tommy Loo Chung
Darsteller: Jason Pai Pow, Ron Van Clief, Jorge Estraga, Nancy Veronica, Meng Fu, Thomson Kao Kang, Chang Lau Chu

NECROPOLIS - DIE BLUTSAUGER VON MANHATTAN: Satan sucht die Videothek heim

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Aufregende Plakate sind bei Videothekenware selten mit wirklich aufregenden Filmen gleichzusetzen - und doch reizt es einen immer wieder auf's Neue, die Streifen mit den schönsten Groschenheft-Motiven zu begutachten. Im folgenden Gastbeitrag erläutert uns der tapfere Don Arrigone, warum die Empire-Produktion NECROPOLIS in der Liste seiner Lieblingsfilme nicht in den obersten Regionen steht.



Reinkarnation und die ewige Wiederkehr immer gleicher Abläufe – NECROPOLIS behandelt nicht gerade spannungsarme Themen. Aber daß mich beim Ansehen schon bald das Gefühl beschleicht, ein Déjà-Vu zu haben, ist selbst angesichts der Thematik kein gutes Zeichen, sind die Erinnerungen, die (in) mir hochkommen, doch geprägt von immenser Langeweile, die ich schon bei ähnlichem Schrott verspürt habe. Das Nirvana, das mich aus dem ewigen Kreislauf erlöst, scheint weit entfernt. Und so fühle ich mich tatsächlich 70 Minuten Ewigkeit lang, als würde ich nicht mit Herrn Genzel auf einer Couch sitzen, sondern mit dem alten Sisyphos, und als wäre NECROPOLIS ein ungemein schlechter Scherz grausamster Götter (und nicht bloß eine weitere Produktion von Charles Band).


Die Handlung ist schnell erzählt, da nicht vorhanden. Eine Hexe will im Jahre 1686 eine junge Frau ermorden, die gerade ihrem Zukünftigen das Ja-Wort gibt, und wird dabei von einem schwarzen Sklaven aufgehalten. 300 Jahre später wiederholt sich dieselbe Geschichte mit denselben Charakteren. Damit ist der Plot, der in keinster Weise so verständlich ist, wie meine Beschreibung es nahelegt, tatsächlich schon erledigt. Drehbuchautor Bruce Hickey hatte wohl Feierabend oder einfach keinen Bock mehr – wer könnte es ihm verdenken? – und war dann auch so konsequent, nie wieder einen Film zu verbrechen.

Womit soll man dann die Spielfilmlänge füllen? Einerseits gibt es da natürlich die Möglichkeit, die Hauptdarstellerin – die tatsächlich sehr ansehnliche LeeAnne Baker – in engen Lederklamotten lasziv vor der Kamera tanzen zu lassen. Und tatsächlich, das hätte ein Film werden können, den ich mir gerne ansehe! Leider hört die Frau aber recht bald zu tanzen auf und widmet sich stattdessen diversen Machenschaften, die für mich nicht durchschaubar sind (schminken, mit Satan tratschen, Leute ermorden – was Hexen halt so die liebe lange Nacht über machen). Außerdem spaziert sie gern in der Gegend herum, wobei ihre Stöckelschuhe selbst auf Teppich hallen, als würde sie eine leere Lagerhalle durchqueren.


Vor allem legt sie großen Wert darauf, Personen feinfühlig Handlungen mit negativen Folgen nahezulegen. "Verlass deine Freundin für mich!"– "OK!"; "Verlass deinen Freund für mich!"– "Warum nicht?"; "Nimm das Messer und schnitz dir die Pulsadern auf!"– "Ne…?"– "Komm schon…"– "Na, wenn du das sagst…". Wahrlich, eine sehr überzeugende Frau. Was genau sie mit all den Schandtaten bezweckt, ist mir natürlich nicht klar; der Plot hat sich längst zur Ruhe gesetzt und genießt seinen Lebensabend bei einem guten Glas Wein.

Die Polizei ermittelt derweil, wie es zu den seltsamen Todesfällen kommt. Daß an jedem Tatort seltsamer, glibberiger Schleim zurückbleibt, verunsichert niemanden außer dem schwarzen Priester, am wenigsten den schlecht gelaunten Forensiker, der sämtliche andere Charaktere beschimpft – vielleicht hat aber auch nur der Schauspieler begriffen, worauf er sich eingelassen hat. Die Handlung geht nur voran, weil nach dem Ausscheiden des Autors und dem Wegzug des Plots das Drehbuch langsam, aber sicher bedenklich dünn wird.


Die Hexe, deren Schuhe immer noch die Lautsprecher erzittern lassen, läßt sich währenddessen vier weitere Brüste wachsen und säugt einer Sau gleich (die Wortwahl hier rein auf das Feld der Biologie bezogen, keine Sauerei des Rezensenten) eine kleine Anzahl Untoter, die nichts mit dem restlichen Film zu tun haben. Ebenso wenig wie die Szene an sich. Und ebenso wenig wie die Szenen davor und danach.

Schließlich und endlich kommt es zum Showdown, in dem die Hexe vernichtet wird, bzw. wie es das Klischee vorschreibt und wie es das Thema der Wiederkehr nötig macht, eben doch nicht. Und so hallen schon bald wieder Stöckelschuhe durch Fabrikhallen, bzw. durch die Nacht.

Inzwischen hat mich auch die traurige Nachricht erreicht, dass der Plot nach kurzer, aber schwerer Krankheit verstorben ist. Er hinterließ eine Frau, zwei Kinder und einen kleinen Hund, der in diesem Film eine kleine Nebenrolle hätte spielen sollen.




Necropolis - Die Blutsauger von Manhattan (USA 1986)
Originaltitel: Necropolis
Regie: Bruce Hickey
Buch: Bruce Hickey
Musik: Don Great
Kamera: Arthur D. Marks
Darsteller: LeeAnne Baker, Michael Conte, Jacquie Fitz, Andrew Bausili, Nadine Hartstein

WHAT A MAN: Beziehungsklischées von Til Schweighöfer

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What a Man, dieser Til Schweiger: erfolgreicher Filmstar mit Millionenpublikum, Autor, Produzent, Regisseur und regelmäßiger Lieferant bundesdeutscher Komödienhits. Diese Filme bieten immer wieder ein Potpourri aus Beziehungsnöten, Mainstream-Soundtrack, Derbheiten und ganz vielen Witzen über die Geschlechter: Männer! Und Frauen! Total unterschiedlich, die alle! KEINOHRHASEN, ZWEIOHRKÜKEN, WHAT A MAN: Da wird mit Ausdauer in dieselbe Kerbe geschlagen. Aber hoppla - hinter letzterem Film steckt ja gar nicht der Schweiger, sondern dessen Spezi Matthias Schweighöfer. Das merkt man hauptsächlich daran, daß Schweigers Kinder nicht mitspielen.

In der Tat sind Schweigers Komödienerfolge das primäre Vorbild für Schweighöfer, der mit WHAT A MAN sein Debüt als Regisseur, Autor und Produzent absolviert und darin auch die Hauptrolle spielt. Schon die Handlung läßt auf den üblichen Stereotypen-Humor der zuvor erwähnten Filme schließen: Der Lehrer Alex ist ein lieber Softie, der von seiner Freundin Carolin herumkommandiert und irgendwann vor die Tür gesetzt wird. Er zieht zu seiner besten Freundin Nele auf die Couch und will sich daran machen, endlich ein richtiger Mann zu werden - dabei hilft ihm sein Freund Okke, der ihn im Alphatierverhalten coacht und mit ihm ab sofort das Nachtleben unsicher macht. Dann merken Alex und Nele aber, daß sie Gefühle füreinander haben ...


Tja, wo fängt man an? Schlimm genug, daß der deutsche Film einmal mehr in die Mottenkiste abgestandener Geschlechterklischées greifen muß, um daraus erneut schlichteste Allgemeinplätze über Männer und Frauen zu stricken. Es muß wahrlich Millionen von Menschen geben, die sich und ihre Welt in solchen Schubladen wiederentdecken und dann mit dem Finger auf die Leinwand zeigen: Haha, genau, Frauen stehen auf Arschlöcher! Hihi, ganz richtig, Frauen sind dauernd auf Diät! Hoho, ja wirklich, als Mann weiß man heutzutage gar nicht mehr, wie man sich verhalten soll!

Auch den zotigen Humor der Schweiger-Filme findet man hier in aller Ausführlichkeit. Da wird gepinkelt und gekotzt, dicke Dildos werden aufgefahren, der coole beste Freund darf vom Ficken reden, und eine wahnsinnig wirkende Frau sprüht sich Schlagsahne auf ihre große Oberweite und drückt Schweighofers Gesicht hinein, bis ihm schlecht wird. Da sitze ich manchmal da und frage mich, ob ich hoffnungslos altmodisch bin, wenn ich mir nicht wiehernd auf die Schenkel klopfe, sobald jemand "Analspreizer" sagt. Aber dann fällt mir ein, daß ich beispielsweise die Obszönitäten von Mel Brooks absolut komisch finde - was vielleicht daran liegt, daß Brooks damit einen Witz baut und nicht davon ausgeht, daß die pure Erwähnung eines bösen Wortes zur Pointe reicht.


Unter dem angeblich augenzwinkernden Spaß sitzt natürlich das beinharte Spießbürgertum. Durch seine Überzeichnung tut WHAT A MAN ein wenig so, als würde er sich über die Klischées lustig machen, aber in der Tat zementiert er sie nur in sein altbackenes Weltbild: Der Mann darf wachsen und Mumm entwickeln, die Frau darf emotional verwirrt sein und sich dann durch große Gesten erobern lassen, und außerdem ist es ganz wichtig, man selbst zu sein, jaja. Dazu gesellt sich eine perfide unterschwellige Misogynie: Abgesehen von Nele scheinen die Frauen hier allesamt einem Gruselkabinett entsprungen zu sein. Carolin, die kaltherzige Ex-Freundin und natürlich ein oberflächliches Model, ist so haßerfüllt und boshaft, daß man sie unmöglich als Mensch wahrnehmen kann; die erwähnte Schlagsahnensprüherin scheint nicht nur irre zu sein, sondern läßt sich von Nele als Gefallen als Liebhaberin auf Alex ansetzen. Nele selbst ist sympathisch, weil Sibel Kekilli sie mit Charme spielt, aber dennoch darf sie sich als Spleen selber kleine Zettel schreiben und als Überraschung auf den Frühstückstisch legen.

Inszeniert ist WHAT A MAN genauso wie jeder andere Film von Til - Moment, das müssen wir wohl umformulieren. In der Inszenierung folgt Schweighöfer ebenso seinem Vorbild: Die hübsch ausgeleuchteten Bilder sehen aus, als würden sie Werbung für sich selber machen, und die Schauspieler sind brav im Bild, damit sie ihre Dialoge aufsagen können. Darüber wird ein Dauersoundtrack aus hochkommerziellem Gefühlspop gelegt, der so sehr Mainstream ist, daß Jake Bugg im Vergleich wie ein Experimentalmusiker aus dem Underground wirken würde. Manchmal schleichen sich ein paar nette Einfälle ein - zum Beispiel die Sequenz, in der Alex einem Mensch im Pandakostüm nachläuft, weil er glaubt, es sei Nele, und dann zu einer Versammlung von einem Dutzend Leuten mit demselben Kostüm sprechen darf. Um den Zuseher mit soviel Kreativität aber nicht zu überfordern, darf Alex dann seiner großen Liebe zum Flughafen hinterherhetzen, weil die ans andere Ende der Welt ziehen will - ehrlich, das ist eine Plotentwicklung, die ich bestimmt schon seit ein paar Wochen nirgendwo mehr gesehen habe.


Fast zwangsläufig wandern die Gedanken beim Ansehen von WHAT A MAN zu den feinen und dennoch hochkomischen Beobachtungen, die Großmeister wie Woody Allen oder Loriot zu diversen Beziehungsproblemen anstellen. Aber eigentlich muß man gar nicht so hoch greifen - es würde ja das Level von Nora Ephron schon reichen. Stattdessen kriegen wir Mario Barth. Männer! Frauen! Lacht schon wer?




What a Man (Deutschland 2011)
Regie: Matthias Schweighöfer
Buch: Matthias Schweighöfer, Doron Wisotzky
Musik: Peter Horn, Andrej Melita
Kamera: Bernhard Jasper
Darsteller: Matthias Schweighöfer, Sibel Kekilli, Elyas M'Barek, Mavie Hörbiger, Thomas Kretschmann, Nora Jokhosha, Pasquale Aleardi, Milan Peschel, Antoine Monot, Katharina Schüttler

ARACHNOQUAKE: Der Syfy-Channel spinnt sich wieder Unfug zurecht

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Lieber Griff!

Wir vom Syfy-Channel freuen uns, dir hiermit die Regie bei unserem jüngsten Programmfüller anbieten zu können: ARACHNOQUAKE. Wie du ja weißt, sind Katastrophen-Kombinationen derzeit in, und so wollen wir auch diesmal wieder wie zum Beispiel bei ALIEN TORNADO, SHARKTOPUS oder PIRANHACONDA zwei Katastrophen zur Lauflänge von einer bieten. Da du, werter Griff, ja schon Erfahrung mit billig produziertem Unfug hast - zum Beispiel dank 100 MILLION BC oder SWAMP SHARK - qualifizierst du dich optimal für diesen unseren jüngsten Schrott.

Dank des Titels erklärt sich die Handlung ja eigentlich schon von selber, und mehr mußt du dir auch gar nicht ausdenken - Ideen sind kostbar, und wir wollen nicht mehrere auf einen einzelnen Film verschwenden. Unsere Hauptfigur, mit der unsere wahllos zusammengewürfelten Opfer gegen die vom Erdbeben aufgeweckten Riesenspinnen ins Feld ziehen, ist ein unzuverlässiger, gern schon in der Früh dezent alkoholisierter Busfahrer. Da haben wir natürlich sofort an Edward Furlong gedacht - du weißt schon, der war in der Fortsetzung von diesem einen Achtziger-Jahre-Hitfilm, welcher war das gleich ... ach ja: FRIEDHOF DER KUSCHELTIERE II - aber Edward wollte lieber den anderen Busfahrer spielen, der mit einer Ladung junger Softball-Spielerinnen durch die Gegend gurkt. Um Eddie zu zeigen, wer hier der Boß ist, haben wir seine Szenen prompt auf das Notwendigste reduziert.


Die restliche Besetzung steht auch schon, aber ist es eher unwahrscheinlich, daß du da wen kennst. Was ziemlich egal ist, weil den Plunder, der im Skript steht, ohnehin jede Käsereibe spielen könnte. Eine Ausnahme dazu: Wir konnten Tracey Gold anheuern - du weißt schon, die aus UNSER LAUTES HEIM. Sie spielt die Ehefrau von Edward Furlong. Da haben wir ein bißchen überlegt, weil sie ja irgendwie älter ist als er und auch optisch nicht so super zu ihm paßt, aber dann sind wir draufgekommen, daß sie ja auch mal ein Alkoholproblem hatte und sich deswegen prächtig mit Eddie verstehen dürfte.

Die kleinen und großen Monsterspinnen werden wir natürlich alle in der Postproduction per CGI einfügen. Aber was erzählen wir dir da? Das machst du ja eh immer so. Unser Budget sieht dafür $137.50 vor, also mußt du halt hier und da Abstriche machen, was den Realismus der Animationen angeht. Dafür haben wir das beste FX-Team zusammengetrommelt, das man für kein Geld kriegen kann: Die Jungs haben unter anderem schon an ANACONDA 4 und MIAMI MAGMA gearbeitet. Und für den Soundtrack hat unser Hausmusiker Andrew Morgan Smith auch schon richtig laute Orchestermusik downgeloadet, mit der wir Aufregung und Spannung vortäuschen können.


Lieber Griff, wie üblich können wir dir nicht viel zahlen, aber dafür mußt du dich auch wirklich nicht anstrengen. Du weißt ja: Wir haben zwei Arten von Zusehern. Die einen haben keine Ahnung von Film, und die anderen kommen sich total ironisch vor, wenn sie den einmalig öden Quatsch gucken, den wir ihnen als Kult verkaufen. Beiden Gruppen kochen wir nachhaltig das Hirn weich, damit sie entweder weiterhin brav unsere BluRays kaufen oder für die im Fernsehen dazwischengeschaltete Kreditkartenwerbung empfänglich werden.

Übrigens, Griff: Falls das mit dem ARACHNOQUAKE reibungslos abläuft - und wir sehen keinen Grund, warum es das nicht tun sollte, schließlich mußt du ja nichts leisten - dann haben wir schon gleich den nächsten Auftrag für dich im Kopf. Und zwar: GHOST SHARK! Super, oder? Also, mach hin mit den Spinnen und viel Spaß im Sumpf. Meine Leute sagen mir dann, wie der Film war. Ich selber würde mir den Mist ja nie freiwillig anschauen.

Mit herzlichen Grüßen,
M. Moneysac
Chefetage Syfy Channel




Arachnoquake (USA 2012)
Regie: "G.E. Furst" (= Griff Furst)
Buch: Eric Forsberg (Story), Paul A. Birkett
Kamera: Lorenzo Senatore
Musik: Andrew Morgan Smith
Darsteller: Edward Furlong, Tracey Gold, Bug Hall, Megan Adelle, Olivia Hardt

THE EXPENDABLES: Ein Aufstand alter Männer

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So einfach kann man dem Älterwerden entgehen: Nur nichts anmerken lassen. Wenn Reinhold Messner mit 60 noch die Wüste Gobi durchqueren kann und Rock'n'Roll-Urgesteine wie die Stones im kollektiven Alter von 6200 Jahren die Bühnen bespringen, als würde es für jede volle Dekade Treuepunkte geben, dann kann so ein Actionstar von gestern schon gleich dreimal so tun, als wäre der Fortschritt der Zeit nur eine debattierbare Theorie.

Früher wurde noch gerne gelästert über Kinohelden, die in die Jahre kommen - obwohl genau das sie ja menschlich machte. Aber dann ackerte sich Sylvester Stallone - in den Achtzigern gewissermaßen ein eigenes Filmgenre und seit seinem Durchbruch ROCKY die pure Personifikation der Maxime, daß man nur stur genug sein muß, um aus dem Wunsch Wirklichkeit zu machen - in einem Alter, in dem andere mit dem Kreuzworträtseln beginnen, nochmal den Körper auf hundertachzig und kämpfte sich durch Fortsetzungen von RAMBO und ROCKY, die nicht nur ihm ein Comeback als Actionstar verschafften, sondern auch andere Männer jenseits der 50 ermutigten, weiterhin dem Körperkino zu frönen. "Ich war ungefähr 400 Jahre zu alt für die Rolle", sagte einst Roger Moore zu seinem letzten Bond-Film IM ANGESICHT DES TODES, bei dem er gerade mal 58 war. Heute würde es einen nicht überraschen, wenn er mit seinen mittlerweile 87 Jahren im nächsten Stallone-Film noch mal ebensoviele Terroristen abfrühstücken würde.


So kommen wir also zu THE EXPENDABLES, dem filmischen Äquivalent zum "Monsters of Rock"-Festival: Stallone trommelte für seine Söldnermär quasi ein Allstar-Lineup zusammen aus beinahe allem, was vor dreißig Jahren hochmaskulin die Leinwand vollschwitzte - plus ein paar Gesellen, die in der Alterskategorie von 40+ gewissermaßen als Juniormitglieder dieses Aufstands alter Männer fungieren und auch von jüngeren Kinogängern als Actionhelden identifiziert werden können. So schließen sich all die knallharten Einzelgänger zu einer Bande an Einzelgängern zusammen: Wer nicht gerade einen Bösen mimen darf, ist hier Mitglied der Söldnereinheit "Expendables", die im Laufe der, räusper, Handlung irgendeine südamerikanische Insel so gründlich von einer Militärdiktatur befreit, daß der Wiederaufbau der Infrastruktur wohl mit Strohhütten beginnen dürfte.

Und was für ein Testosteronclub da zusammentritt, um die Actionzeitmaschine zu füttern! Eric Roberts (der zum Zeitpunkt der Entstehung meines Textes in der IMDB satte 78 angekündigte Filme in verschiedenen Stadien der Fertigstellung bzw. Planung gelistet hat!) darf als widerwärtiger Großkapitalist Tee trinken, während schöne Frauen gefoltert werden; Dolph Lundgren (der im richtigen Leben einen Master-Abschluß als Chemieingenieur hat!) bleibt 25 Jahre nach ROCKY IV im Kampf gegen Stallone einmal mehr nur Zweiter; Jason Statham und Jet Li dürfen grimmig schauen und gefühlte drei Millionen Soldaten umnieten; und Mickey Rourke darf tätowieren und nachdenkliche Worte sprechen - und wurde vielleicht hauptsächlich deswegen angeheuert, weil er mittlerweile so hinüber aussieht, daß gegen ihn Stallone schön und unverbraucht wirkt. Nebenbei schauen auch noch harte Sportler wie Steve Austin, Terry Crews und Randy Couture vorbei. Mehr Knistern unter Kerlen geht gar nicht.


Angesichts eines solchen Aufgebots an Brachialkinogestalten liegt der Gedanke natürlich nicht fern, in den EXPENDABLES eine hochironische Angelegenheit zu sehen - aber tatsächlich wird nur in einer Szene mit dem Hühnerauge gezwinkert und dem Zuseher signalisiert, daß sich Stallone und seine Steher im Klaren darüber sind, welch absurder Actionkongress da abgehalten wird: Da erläutert Auftraggeber Bruce Willis die Hintergründe der Mission, für die er entweder Stallone oder Schwarzenegger anheuern will - die sich beide nicht leiden können, aber letzterer lehnt ohnehin ab und verschwindet aus der Handlung, weil er es eigentlich auf den Präsidentschaftsposten abgesehen hat. Drumherum wird das Spektakel in brutalem Ernst abgehalten, und das wirkt umso bizarrer, je mehr aufgepumpte Stehaufmännchen da über die Leinwand spazieren: Die Actiondesperados waren für sich schon oft genug mehr Comicfiguren als menschliche Wesen, und alle zusammen wirken sie wie der Best-of-Zusammenschnitt einer Thrashmetalband, die immer nur auf Anschlag spielt.

Nähme man den Film so ernst, wie er sich gibt, könnte man die Angelegenheit reichlich reaktionär finden. Das fängt schon damit an, daß der menschenfreundliche Amerikaner hier einmal mehr ins Ausland reisen darf, um dort die Welt von den Untermenschen zu befreien - das Problem der Diktatur läßt sich mal wieder damit lösen, daß einfach jeder böse Bube mit Blei vollgepumpt wird. Und dann ist da noch das Frauenbild: Die Mädels sind hier ganz dem Genreduktus entsprechend reine Trophäen, die manchmal gerettet werden müssen und oft privaten Kummer machen. Jason Staham merkt in einer Szene, daß seine Ex-Freundin von ihrem neuen Typ geschlagen wird, weshalb er den Burschen mitsamt dessen Basketballmannschaft zusammenkloppt. Merke: Schlechte Kerle schlagen ihre Frauen, während die guten Kerle stattdessen für teures Geld ein paar hundert Soldaten niederballern - achtet auf die feinen Unterschiede, liebe Damen!


Aber freilich sind das Probleme, die das Genre schon seit mindestens dreißig Jahren mit sich trägt. Wenn Stallone hier schon von einer gewissen Nostalgie nach Hardcorehelden zehrt, dann bedient er eben auch alle Gemeinplätze des Haudraufkinos und gibt sich und seinem Publikum die Sicherheit, daß sich die Welt gar nicht so sehr ändern kann, als daß ein paar harte Jungs sie nicht wieder in Ordnung ballern könnten. Die Inszenierung mag modern aussehen - düstere Bilder, wacklige Kamera, schnelle Schnitte, ein bißchen CGI-Blut - aber sonst ist die Blickrichtung eindeutig rückwärts gerichtet. Beim "Monsters of Rock" lädt man ja auch keine Bands ein, die mit progressiven Experimenten das traditionsbewußte Stammpublikum verstören könnten - lieber nichts anmerken lassen und so tun, als hätten wir noch 1985.




The Expendables (USA 2010)
Regie: Sylvester Stallone
Buch: Dave Callaham, Sylvester Stallone
Musik: Brian Tyler
Kamera: Jeffrey Kimball
Darsteller: Sylvester Stallone, Jason Statham, Jet Li, Dolph Lundgren, Eric Roberts, Randy Couture, Steve Austin, Giselle Itié, Charisma Carpenter, Terry Crews, Mickey Rourke, Bruce Willis, Arnold Schwarzenegger

DEN LETZTEN BEISSEN DIE HUNDE: Ein Raubzug der Ernüchterung

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"If I knew the way I'd go back home
But the countryside has changed so much
I'd surely end up lost ..."

Mit diesen Worten beginnt der Paul-Williams-Song "Where Do I Go From Here", der kurz nach Anfang von DEN LETZTEN BEISSEN DIE HUNDE angespielt wird und später nochmal über den Abspann erklingt. Nach außen hin ist der Film eine Mischung aus Buddy-Roadmovie und Raubzugkrimi, aber durchzogen ist die Geschichte von vorne bis hinten von der Desillusion: Amerika hat sich verändert, und die Menschen haben sich im Land verlaufen.

Dieses Gefühl der Ernüchterung prägte das US-Kino in den Jahren nach EASY RIDER. "We blew it" - "Wir haben's vermasselt" - sagt dort "Captain America" Peter Fonda zum Schluß, und gerade weil die Aussage so vage war, traf sie umso mehr den Nerv der Zeit. In den Sechzigern durchlitt Amerika die Ermordung von Präsident John F. Kennedy, dessen Bruder Robert Kennedy und Bürgerrechtler Martin Luther King. Der fragwürdige Vietnamkrieg eskalierte und kostete Tausende von Soldatenleben, ein Ende war nicht abzusehen. Aus der friedlichen Gegenkultur war irgendwie das Monster Charles Manson entwachsen. Die Kluft zwischen dem, was Amerika sein könnte und dem, was es tatsächlich war, wurde immer größer - und so blieb nur die traurige Feststellung, daß wir "es" vermasselt haben.


Auch in DEN LETZTEN BEISSEN DIE HUNDE ziehen die beiden Protagonisten wie Hopper und Fonda in EASY RIDER durch das Land, suchen nach der Freiheit und scheitern. Die Story dreht sich um den Bankräuber Thunderbolt (Clint Eastwood), der auf der Flucht vor ehemaligen Komplizen den weitaus jüngeren Vagabunden Lightfoot (Jeff Bridges) kennenlernt und sich mit ihm anfreundet. Die besagten Komplizen sind hinter der Beute des spektakulären Raubüberfalls her, den sie vor vielen Jahren mit Thunderbolt durchgeführt haben, aber die ist verschwunden. So raufen sich die Burschen irgendwann zusammen, um denselben Raubzug zu wiederholen und endlich abzukassieren.

Es ist bezeichnend, daß die Bande sich noch einmal an demselben Plan versucht, der einst für Schlagzeilen sorgte und Thunderbolt seinen Spitznamen gab: In der Gegenwart sind die Figuren ziellos, orientieren können sie sich nur an der Vergangenheit. Als Lightfoot Thunderbolt seine Freundschaft anbietet, sagt der ihm: "Junge, du kommst zehn Jahre zu spät". Thunderbolt und Komplize Red Leary (George Kennedy) waren einst Freunde, Leary hat im Koreakrieg Thunderbolt das Leben gerettet - aber jetzt will er ihn umbringen, um an sein Geld zu kommen. Das wurde vom einstigen Bandenführer in einem Schulhaus versteckt, aber der Mann ist mittlerweile tot und das Schulhaus wurde modernisiert.  Und natürlich ist der zweite Anlauf des Überfalls nur eine blasse Version des damaligen Raubzugs und bringt keinem der Beteiligten Glück.


Wie in seinem Kriegsdrama DIE DURCH DIE HÖLLE GEHEN und seinem Antiwestern HEAVEN'S GATE läßt Michael Cimino auch hier, bei seiner ersten Regiearbeit, ein nur andeutungsweise artikuliertes Gefühl der Desillusionierung durch das Geschehnis wehen. Das Land sieht wundervoll aus, wie in einem John-Ford-Film sind die Figuren immer wieder in fast mythologisch üppige, weite Landschaftsaufnahmen gebettet - aber darunter liegt der Schmerz, daß etwas schiefgelaufen ist. Schon zu Beginn spielt Cimino mit diesem Gegensatz aus Schein und Sein: Da sehen wir Thunderbolt als Prediger in einer idyllischen kleinen Kirche auf dem Land - aber dann platzt ein Killer in die Andacht hinein und verfolgt Thunderbolt, der sich ebenso als Gangster entpuppt.

Überhaupt sind die Dinge hier selten wirklich das, was sie zu sein scheinen: Lightfoot darf sich während des Raubzugs zur Ablenkung eines Wachpostens als Frau verkleiden; zu Beginn des Films täuscht er eine Beinverletzung vor, um ein Auto zu klauen. Einmal zitiert Thunderbolt ein Gedicht (eine Zeile, die scheinbar extra für den Film geschrieben wurde und zum Thema der Vergangenheit paßt: "The clock uncoils the working day, and he wakes up feeling his youth has gone away") und Lightfoot hält es für ein Gebet; später zitiert er einen Satz aus der Bibel, der für ein Gedicht gehalten wird. Ein Autofahrer, der Lightfoot und Thunderbolt als Anhalter mitnimmt, entpuppt sich als wahnsinniger Spinner mit einer Horde an Karnickeln im Kofferraum. Und in Vorbereitung für den Raubzug nehmen die Bandenmitglieder niedere Jobs als Metallarbeiter, Eisverkäufer und Bauarbeiter an - es paßt zu diesem schrägen Blick auf das Land, daß hier selbst hinter dem netten Eismann ein Mensch stecken kann, der das nächste große Ding plant.


Ganz reibungslos harmonieren die einzelnen Elemente in THUNDERBOLT AND LIGHTFOOT (so der Originaltitel des Films) nicht: komische und ernste Passagen passen nicht immer aneinander, der Witz ist manchmal niederträchtig und die Gewalt manchmal flapsig. Auch die Bauteile aus Buddy-Comedy und Kriminalfilm gehen nicht immer Hand in Hand. Lohnenswert ist der Film aber nicht nur wegen dem mühelosen Rapport zwischen Eastwood und Bridges (letzterer bekam eine Oscarnominierung als bester Nebendarsteller) und den wunderbar exzentrischen Charakterdarstellern, sondern auch wegen der Zwischenräume, die Cimino hier auslotet. Kein Wunder, daß er sich mit dem Film als New-Hollywood-Größe empfahl: Er nimmt die Bestandteile verschiedener Genrefilme und schaut, was in den Lücken passiert. Und darin findet er den Gefühlszustand seiner Zeit - nicht ausgesprochen, aber zum Greifen nahe.




Den letzten beißen die Hunde (USA 1974)
Originaltitel: Thunderbolt and Lightfoot
Regie: Michael Cimino
Buch: Michael Cimino
Musik: Dee Barton
Kamera: Frank Stanley
Darsteller: Clint Eastwood, Jeff Bridges, George Kennedy, Geoffrey Lewis, Catherine Bach, Gary Busey, Burton Gilliam, Dub Taylor

DIE DURCH DIE HÖLLE GEHEN: Gefühlte Bedeutungen und das Trauma des Krieges

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"This is this. This ain't something else." Michael hält eine Gewehrpatrone hoch und zeigt sie seinem Freund Stan, der mit ihm und einigen anderen Freunden in die Berge auf die Jagd gefahren ist. Die Burschen albern herum, aber Michael ist wütend, daß Stan die Jagd nicht ernst nimmt. "This is this. From now on, you're on your own", sagt er. Was genau meint er?

Möglich, daß er hauptsächlich auf die Ernsthaftigkeit des Jagens anspielt: Eine Kugel entscheidet über Leben und Tod. Aber er könnte auch etwas anderes meinen. Zuvor hat Michael schon über seine Überzeugung geredet, daß nur ein einzelner Schuß zählt. "One shot is what it's all about. A deer's gotta be taken with one shot", erklärt er. Es ist wie der Ehrenkodex eines Jägers und im weiteren Sinne eine Lebensphilosophie: Man konzentriert sich auf den einen Moment, der zählt. Eine weitere Chance kommt möglicherweise nicht. Vielleicht meint er das, wenn er die Patrone hochhält und sagt, "This is this". Wir können nur mutmaßen.


Michael Cimino hat ein ausgeprägtes Talent für solche vagen Momente, die ihre Bedeutung nur andeuten, die höchst ambivalent ausgelegt werden können, und die eher gefühlsmäßig auf etwas zu stoßen scheinen als konkret faßbar. Das war schon in seinem Erstlingswerk DEN LETZEN BEISSEN DIE HUNDE spürbar, wo er zwischen den Bestandteilen eines Buddy-Roadmovies und eines Gangsterkrimis die Ahnung fand, daß etwas im Land schiefläuft. In seinem zweiten Film, dem vielfach ausgezeichneten und kontrovers diskutierten Kriegsdrama DIE DURCH DIE HÖLLE GEHEN - im Original: THE DEER HUNTER - versucht er in zahlreichen solchen Momenten, den Finger auf die Wunde zu legen, die der Vietnamkrieg in Amerika gerissen hat.

Der Film gliedert sich mit seiner üppigen Lauflänge von 183 Minuten in drei Segmente: Im ersten lernen wir unsere Protagonisten kennen, allen voran Michael und seine Freunde Nick und Steven, die als Stahlarbeiter in einer Stadt in Pennsylvania leben und sich für den Einsatz in Vietnam gemeldet haben. Vor der Abreise heiratet Steven seine Freundin Angela, während Michael, Nick und einige andere Freunde noch einmal in die Berge fahren, um Wild zu jagen. Im zweiten Teil sind wir mit unseren drei Protagonisten in Vietnam, wo sie in Gefangenschaft des Vietcong fallen und dort gezwungen werden, russisches Roulette zu spielen. Der dritte Part schließlich beschäftigt sich mit den Schicksalen der Freunde nach ihrem Kriegserlebnis.


Da fällt zunächst auf, wie wenig Platz Vietnam in der Struktur eigentlich einnimmt: Der erste Teil dauert über eine Stunde, die Vietnam-Episode nur 42 Minuten - wobei davon auch nur 28 Minuten dem Kriegsgeschehen selber gewidmet sind, also nur knapp ein Sechstel des ganzen Films. Dieses Segment ist fast ganz entkontextualisiert: Die Sequenz beginnt schon in einem Kampfgeschehen, dessen Hintergründe wir nicht kennen, und läßt die drei Protagonisten fast sofort in Gefangenschaft geraten. Abgesehen von der kurzen Kampfszene sehen wir vom Dschungelkrieg nur den kleinen Vietcongposten, wo die amerikanischen Gefangenen mißhandelt werden.

Schon das zeitliche Verhältnis zeigt, daß es Cimino weniger um die Darstellung des Krieges geht oder die Differenzierung der Kriegsgräuel, sondern nur darum, was der Krieg mit den Menschen macht. Er wurde dafür vielfach angegriffen und sogar als Faschist bezeichnet: Weil die Vietnamesen hier anonyme Folterknechte sind und nur vom Leid der US-Soldaten berichtet wird, hieß es, er würde die Vietnamesen mit rechtem Blick als Untermenschen zeichnen, die Amerikaner dagegen als Opfer. Aber Cimino stellt gar keinen Anspruch auf einen gesamtheitlichen Blick auf die Kriegszusammenhänge; er erzählt von Individuen, die durch das Geschehnis gezeichnet werden - und die erleben ihre Gefangenschaft nun einmal so, ganz egal, wer politisch woran schuld war. Gerade weil er den Soldaten keine Mission gibt, kein Ziel jenseits des Überlebens, stellt er die Sinnfrage des Krieges deutlich in den Raum.


Vorgeworfen wurde Cimino auch, daß das Spiel des russischen Roulettes gar nicht faktisch belegt sei und der Vietcong keine Gefangenen zu diesem Spiel gezwungen hätte. Aber da sind wir wieder bei den Annäherungen, die eher intuitiv als gegenständlich funktionieren: Das Spiel ist ein Sinnbild für die Erfahrung des Krieges. Die Protagonisten müssen sich einen Revolver an die Schläfe halten und abdrücken - vielleicht haben sie Glück und überleben, weil keine Kugel in der Trommel ist, aber vielleicht haben sie auch Pech und sterben. Was ist das Kriegserleben sonst, als ein Glücksspiel mit dem Tod? Das ganze Drumherum - die Strategien, die Missionen, die Ziele, die Kampfausbildung - ändert nichts daran, daß die einzelne Person letzten Endes nicht beeinflussen kann, ob sie überleben wird oder nicht.

Das wirft natürlich ein ganz anderes Bild auf das Motiv der Jagd und den Grundsatz des "one shot". Anfangs hat die Jagd für Michael Bedeutung, die weite Natur der Berge sind wie seine Kathedrale - nicht umsonst ist in diesen Szenen ein Chor auf dem Soundtrack zu hören - und ein einzelner Schuß hat eine Bedeutung. Nach dem Krieg hat sich etwas geändert, und er kann den Hirsch, den er so klar im Visier hat, nicht mehr töten - stattdessen schießt er mehrfach in die Luft. "This is this. This ain't something else": Ja, ein einzelner Schuß zählt etwas, aber vielleicht nicht das, was Michael dachte. Und vielleicht definiert sich der Mensch nicht nur durch den einen Moment.


Gerade im ersten Teil zeigt Ciminos Film eher europäische Sensibilitäten, die auch viele Werke von New-Hollywood-Kollegen wie Altman, Rafelson, Bogdanovich und Coppola auszeichneten: In oftmals offener Bildgestaltung folgen wir dem Leben der Protagonisten, ohne daß der Zuseher zu einem Fokus auf bestimmte Gegebenheiten gedrängt wird. Geradezu unendliche Zeit nimmt sich Cimino für die Hochzeit von Steven und Angela, bei der die Trauungszeremonie stattfindet, getanzt wird, gelacht, getrunken, gefeiert - in klassischer Hollywood-Dramaturgie könnte die Sequenz auf ein Minimum heruntergeschnitten werden, aber Cimino taucht in sie ein und läßt uns teilhaben, als wären wir selber Gäste auf dieser Feier. Wieder liegt der Punkt nicht in der konkreten Substanz, sondern im Gefühl: Je mehr wir teilhaben am normalen Leben unserer Protagonisten, desto mehr spüren wir den einschneidenden Effekt des Krieges.

Während der Feier tauchen auch ominöse Vorahnungen auf. Teil der Zeremonie ist es, daß Braut und Bräutigam aus einem Becher mit zwei zusammenhängenden Gefäßen gleichzeitig Wein trinken - wenn sie dabei keinen Tropfen verschütten, bedeutet das Glück. Zwei kleine Tropfen fallen auf Angelas Brautkleid, was keiner merkt, aber wir ahnen ihre Bedeutung. Außerdem taucht ein Soldat in Uniform auf der Feier auf, der sich aber zurückgezogen im Hintergrund hält und alleine trinkt. Michael und die anderen sprechen ihn an, wollen Heldengeschichten aus dem Krieg hören - aber der Soldat reagiert kaum. (Warum geht ein Mann, der in Ruhe gelassen werden will, auf eine Hochzeitsfeier? Ganz einfach: weil Menschen nicht immer logisch handeln.) Er fungiert dabei als Schatten des späteren Michael, der nach seinem Kriegserlebnis ebenfalls die Uniform anbehält, als würde er den Krieg mit nach Hause tragen, und meist teilnahmslos seine Freunde beobachtet, wie sie feiern und ihrem Leben nachgehen. "This is this. From now on, you're on your own."


Auch der Schluß ist so ein Moment, dessen Bedeutung nur sehr vage bleibt. Die kleine Gemeinschaft an Freunden sitzt nach der Beerdigung einer der Protagonisten, die nicht aus dem Krieg heimgekommen sind, beisammen - ein trauriges Echo der anfänglichen Feierlichkeiten. Einer von ihnen stimmt die patriotische Hymne "God Bless America" an, in die die anderen dann einfallen, bevor sie noch ihr Glas auf den gefallenen Freund heben. Natürlich war die Szene Futter für alle, die Cimino rechte Tendenzen vorwarfen: Nach all dem Unheil wird hier die heilige Nation heraufbeschworen. Aber wieder stellt sich die Frage, welche Wichtigkeit das Lied für die Figuren hat - ist es ein Moment des Zusammenhalts? Ist es ein Ausdruck der Desillusion, weil die Worte nichts mehr bedeuten? "This is this. It ain't something else" - aber man kann sich gar nicht mehr sicher sein, ob die Dinge so einfach sind, wie sie scheinen.

Wie eigentlich alle Cimino-Filme bietet auch DIE DURCH DIE HÖLLE GEHEN Reibungsfläche und stellt bei aller Ambition keinesfalls einen perfekten Film dar (wie immer ein solcher aussehen könnte). Wobei für mich die Probleme nicht in der politischen Dimension liegen und auch nicht in der Sperrigkeit der Erzählung, die viele Zuseher - vor allem im ersten Drittel - als harte Geduldsprobe empfinden: Ich stoße mich viel eher an der Zeichnung der Freunde, die allesamt reichlich infantile Hohlköpfe sind und deren Späße eigentlich stets derb oder nervtötend sind. Ein Film braucht nicht zwangsläufig sympathische Figuren, nur interessante - aber hier wird über weite Strecken ein Freundschaftsbild gezeichnet, das hauptsächlich daraus besteht, daß sich die Männer wie primitive Proleten aufführen. Mag sein, daß unter Stahlarbeitern ein deftiger Umgangston herrscht - aber so dumm, wie sich hier alle gegenseitig anreden, gewinnt man oft genug den Eindruck, daß diese Freundschaft aus reiner Behauptung besteht, zumal sie in den Beziehungen der Figuren zueinander kaum Nuancen aufweist.


Ungeachtet dessen ist THE DEER HUNTER ein lohnenswertes, reichhaltiges Werk, das bei wiederholtem Ansehen auch immer wieder neue Facetten offenbart. Der Film zeigt, wie die Auswirkungen des Krieges gar nicht auf einzelne Geschehnisse und Facetten reduziert werden können, sondern daß der Krieg gewissermaßen einer ganzen Generation ein Trauma gibt, das ins Private reicht und schwer in Worte zu packen ist. Und genau diesen Bereichen verschafft Cimino Ausdruck, indem er ihnen die Ambivalenzen läßt und keine Behauptungen über Klarheit in den Raum stellt. Die Schlüsse muß jeder selber ziehen. "This is this. This ain't something else." Von wegen: Es ist alles so viel mehr.




Die durch die Hölle gehen (USA 1978)
Originaltitel: The Deer Hunter
Regie: Michael Cimino
Buch: Michael Cimino, Deric Washburn, Louis Garfinkle, Quinn K. Redeker
Kamera: Vilmos Zsigmond
Musik: Stanley Myers
Darsteller: Robert De Niro, Christopher Walken, John Savage, Meryl Streep, John Cazale, George Dzundza, Chuck Aspegren, Rutanya Alda

HEAVEN'S GATE - DAS TOR ZUM HIMMEL: Von Klassenkämpfen, Idealen und Wirklichkeit

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Bei der Abschlußzeremonie an der Harvard-Universität im Jahr 1870 gibt der Dekan den Elitestudenten einen Bildungsauftrag mit in die Welt: "It doubly behooves us to look well to the influence we may exert. A high ideal: the education of a nation." Viele dieser Studenten aus reichem Haus werden zukünftig die Geschicke des Landes lenken, und sie sollen es kultivieren. Der Jahrgangssprecher zieht seine nachfolgende Rede weitaus weniger ernst auf, reimt und witzelt sich durch eine Entgegnung, die letzten Endes ankündigt, daß die Dinge immer so bleiben werden, wie sie sind: "We disclaim all intention of making a change in what we esteem on the whole well-arranged."

Da ist sie wieder, diese Diskrepanz zwischen dem Ideal und der Realität Amerikas - eine Kluft, die sich immer wieder in Michael Ciminos Filmen niederschlägt, manchmal als melancholisches Gefühl, daß etwas schiefläuft im Land, wie in DEN LETZTEN BEISSEN DIE HUNDE, und manchmal als vage Ambivalenz zwischen Verehrung und Desillusion, wie in der Schlußszene von DIE DURCH DIE HÖLLE GEHEN. Nirgends aber ist diese Ernüchterung über das Land spürbarer und expliziter eingefangen als in Ciminos drittem Film, dem monumentalen Spätwestern HEAVEN'S GATE - DAS TOR ZUM HIMMEL.


Der Film ist ein wehmütiger Blick auf ein Amerika, das weit entfernt ist von der hehren Einladung, die auf der Freiheitsstatue zu lesen ist: "Give me your tired, your poor / Your huddled masses yearning to breathe free". HEAVEN'S GATE zeichnet eine andere Wirklichkeit: "It's getting dangerous to be poor in this country", heißt es an einer Stelle. Nach dem Harvard-Prolog spielt der Großteil des Films im Jahr 1890 in Wyoming, wo sich eine Vereinigung reicher Viehzüchter von den zahlreichen Einwanderern bedroht fühlt, die gelegentlich Vieh stehlen, um ihre hungernden Familien zu ernähren. Die Vereinigung kann eine "Todesliste" mit 125 Personen erstellen, die ab sofort als vogelfrei gelten und unter Absegnung der Regierung exekutiert werden dürfen - sprich: Die Wohlhabenden planen den legalisierten Mord an den Armen.

Dieser sogenannte Johnson-County-Krieg ist historisch verbrieft, auch wenn er tatsächlich eher in der Theorie stattgefunden hat: Die Viehzüchter heuerten tatsächlich eine Bande an Söldnern an, um 70 Einwohner von Johnson County, die des Viehdiebstahls bezichtigt wurden, unter dem Mantel des Gesetzes zu töten. Tatsächlich starben aber nur zwei Menschen, bevor sich die Einwohner zusammentaten und die Söldner umzingelten - die dann vom Militär gerettet wurden. Cimino spielt also sehr lose mit den geschichtlichen Gegebenheiten und konzentriert sich lieber auf die empörende Essenz dieser Vorgänge: Die Reichen kommen mit Mord durch, die Armen sind im Lande unerwünscht. Er ist dabei eindeutig auf der Seite der Notleidenden: Wenn man in einer Szene eine Gruppe von Frauen mühsam einen Pflug über den Acker ziehen sieht, weil die sich kein Vieh leisten können, käme man nie auf den Gedanken, die Position der Viehzüchter für legitim zu halten.


In den Ereignissen, die in Ciminos Variante in einem tragischen Blutbad enden, treffen zwei Freunde aus Harvard wieder aufeinander: James Averill (Kris Kristofferson), der als Sheriff von Johnson County zu den Einwanderern hält, und Billy Irvine (John Hurt), der seinerzeit die Abschlußrede gehalten hat und nun Mitglied der reichen Viehzüchtervereinigung ist. Irvine will den Mord an den (teils nur vermeintlichen) Viehdieben nicht gutheißen, aber sein kurzer Protest verhallt ungehört - und weil er, ganz im Sinne seiner damaligen Worte, zu feige oder zu bequem ist, um sich gegen die bestehenden Verhältnisse aufzulehnen, flüchtet er sich in den Alkohol und in die Apathie. "I'm a victim of our class", sagt er zu Averill - einer von Ciminos vielen ambivalenten Momenten, der andeuten könnte, daß Irvine zwangsläufig mitmachen muß, aber genauso gut bedeuten kann, daß sich das Verhalten der oberen Klasse in Amerika nie ändern wird.

Neben Averill gibt es noch eine weitere Figur, die sich zwischen den Klassen bewegt: Der Kopfgeldjäger Nate Champion, der zu Beginn des Films kaltblütig einen der Siedler erschießt, später aber dann einen potentiellen Viehdieb laufen läßt. Der wirft ihm vor: "You look like one of us. You work for them?", woraufhin Champion erwidert: "I'll decide what I am". Das tut er später auch, als er sich von dem Sadismus der angeheuerten Söldner distanzieren will und sich gegen die Vereinigung stellt - zu einem hohen Preis. Wie Irvine ist er gewissermaßen ein Opfer seiner Klasse - oder in diesem Falle beider: der einen, was sein Verhalten angeht, der anderen, was sein Schicksal betrifft.


Auch auf Averill trifft Irvines Ausspruch zu. Er kämpft ebenso wie Nate Champion um das Herz der schönen Ella Watson, die in der Nähe des Dorfes ein kleines Freudenhaus betreibt. Averill will sie dazu überreden, zu fliehen, weil ihr Name ebenfalls auf der "Todesliste" steht - aber sie will bleiben und hofft auf mehr Verbindlichkeit in ihrer Beziehung zu Averill. Der ist da eher ausweichend - aber dafür macht Champion Ella einen Heiratsantrag. Ein paar Mal sehen wir, wie Averill ein altes Photo betrachtet, auf dem er zusammen mit einer jungen Dame aus seiner Harvard-Zeit zu sehen ist. Ist er vielleicht dieser Frau schon versprochen, eventuell schon liiert? Oder kann er einfach nicht vom Glanz der guten alten Zeiten lassen? So oder so: Nachdem alles geschehen und vorbei ist, sehen wir Averill in einem kurzen Epilog weitere 13 Jahre später auf einem luxuriösen Dampfschiff - zusammen mit eben jener Frau aus Harvard. Man kann seine Klasse wohl doch nicht so leicht abstreifen.

Wie in seinem Vietnamdrama DIE DURCH DIE HÖLLE GEHEN findet Cimino den Zugang zu seiner Geschichte über das Private: Die Dreiecksbeziehung zwischen Averill, Champion und Ella nimmt sehr viel Raum im Film ein und spiegelt die Hoffnung ebenso wie die Ernüchterung wieder, die auch den politisch-gesellschaftlichen Blick bestimmen. Auch stilistisch führt Cimino die Erzählweise des Vorgängerfilms konsequent weiter: Schon der Harvard-Prolog verweilt lange beim Tanz und den Festlichkeiten der Abschlußfeier, damit wir in die Welt des Films eintauchen können; auch darüber hinaus läßt sich der dreieinhalbstündige Film unendliche Zeit für alle Vorgänge, drängt das Drama nicht in den Vordergrund und erlaubt in sehr offener Bildgestaltung, selber Bedeutungen und Wichtigkeiten zu erschließen - der Fokus liegt, fast mehr noch als in DIE DURCH DIE HÖLLE GEHEN, im Erleben, im Sehen und Fühlen, und nicht im Narrativen.


Damit kann HEAVEN'S GATE mitunter eine frustrierende Filmerfahrung sein: Die Geschichte ist trotz ihrer Mehrdeutigkeiten nicht komplex strukturiert, sondern orientiert sich an den eher kargen Plots klassischer Western. Weil also wenig narrativer Impetus vorherrscht und der Film sich bei seinem Schrittempo auch oft noch Zeit für lange Stimmungssequenzen nimmt - wie beispielsweise den Tanz in Harvard, der zum Donauwalzer von Johann Strauß vollzogen wird - ist vom Zuseher ein gewisses Maß an Geduld gefragt, die vor allem beim ersten Ansehen, wenn man gewissermaßen das Gesamtbild noch nicht kennt, durchaus strapaziert wird. Sehr zugänglich ist der Film nicht.

Und doch ist er eine lohnenswerte Angelegenheit, vor allem beim mehrfachen Betrachten - wie ich selber feststellen durfte, nachdem ich mich bei der ersten Sichtung noch zu sehr an der Gemächlichkeit der Erzählung und einigen nicht ganz geschickt gehandhabten Elementen gestört habe. Dazu zählt zum Beispiel die erste Szene mit Nate Champion, der in einer sehr stimmungsvoll arrangierten Szene als Schatten hinter einem Leintuch auftaucht, bevor er einen Siedler erschießt - aber sein Gesicht ist durch das Schußloch im Tuch nur so kurz zu sehen, daß sein zweites Auftauchen in der Handlung, viele Minuten später, durchaus verwirren kann. Auch in der Schlacht zwischen den Söldnern und den Einwanderern zum Schluß gibt es so einen merkwürdigen Moment, wo ein Mensch, der der von Jeff Bridges gespielten Figur sehr ähnlich sieht, erschossen wird - und das passiert so schnell, daß man sich kurz darauf wundert, warum die Bridges-Figur doch noch lebt.


Aber das sind Unvollkommenheiten, die das Besondere des Films keinesfalls reduzieren. Wie in DIE DURCH DIE HÖLLE GEHEN balanciert Cimino eine sehr ambitionierte Erzählung zwischen Epos und intimen Momenten und versucht einem Gefühl Ausdruck zu verleihen, das sich schwer in Worte fassen läßt. Er reißt wieder eine Vielzahl an Bedeutungen an, die sich nicht aufdrängen, aber bei näherer Betrachtung sehr reichhaltig ausfallen. Und all die Sequenzen, die nicht narrativ motiviert zu sein scheinen - wie beispielsweise ein ausgedehntes Fest im Dorf, bei dem die Musiker und die Bewohner mit Rollschuhen tanzen - sind keinesfalls so willkürlich in das Prozedere hineingeworfen, wie es zunächst wirken mag: Die erwähnte Festsequenz fungiert in ihrem lebhaften Tumult als Kontrapunkt zur formell gehaltenen Harvard-Feier, so wie viele andere Elemente und Figuren auch als Paare oder Gegenpole funktionieren.

Unabhängig von seiner Struktur und seinen durchaus vorhandenen Problemen ist HEAVEN'S GATE aber auch einfach ein Film des Sehens. In der Laufzeit des Films entsteht ein glaubwürdiger Wilder Westen vor uns, der so detailreich inszeniert wurde - Ciminos Perfektionismus ging angeblich soweit, daß er sogar die Statisten einzeln auswählte und ihnen höchstselbst die Krawatten zurechtrückte - daß er spürbar wird. Kameramann Vilmos Zsigmond, mit dem Cimino auch schon bei DIE DURCH DIE HÖLLE GEHEN arbeitete, malt mit dem Licht wie ein großer Meister mit den Ölfarben: Alles ist in sehnsüchtige Wärme getaucht, in hoffnungsvolles Strahlen oder in entrückendes Gleißen. Rauch und Dampf und Staub wehen fast plastisch durch die Bilder; die Landschaftsaufnahmen entfalten eine beinahe mythische Wirkung. Man könnte jedes Bild einrahmen und an die Wand hängen. Und wenn Averill und Ella bei dem Fest durch den Saal tanzen, der plötzlich leer ist, weil für die beiden in diesem Moment nur der jeweils andere existiert, dann wird auch klar, daß Cimino mehr an Poesie als an Plot interessiert ist.


"We disclaim all intention of making a change ...": Was Cimino mit diesem Satz und dem Ende, in dem Averill wieder zur reichen Oberschicht gehört, suggeriert, ist nicht nur, daß die Figuren darin scheitern werden, die bestehenden Verhältnisse zwischen den Klassen zu ändern. Er deutet auch an, daß diese alte Westerngeschichte heute noch aktuell ist, eben weil sich nichts geändert hat - das Ideal des Landes wird immer noch beschworen, die Wirklichkeit sieht für seine Menschen immer noch anders aus. Vielleicht liegt in dieser Kluft auch die Bedeutung des Filmtitels, der im Film nur als Name der örtlichen Rollschuhbahn auftaucht: Das Himmelstor ist ebenso wie das Land Amerika ein Versprechen an die Menschen, daß es ihnen dort besser gehen wird. Aber dieses Versprechen ist in seinem allumfassenden Anspruch eine Illusion: Wir können nur auf einen Ort hoffen, wo uns vielleicht - wie für die feiernden Einwanderer und Averill und Ella im "Heaven's Gate" - etwas Gemeinschaft und ein wenig Liebe erwarten. Und solange das Versprechen existiert, solange kämpfen wir darum, so einen Ort zu erhalten.




Heaven's Gate - Das Tor zum Himmel (USA 1980)
Originaltitel: Heaven's Gate
Regie: Michael Cimino
Buch: Michael Cimino
Kamera: Vilmos Zsigmond
Musik: David Mansfield
Darsteller: Kris Kristofferson, Isabelle Huppert, Christopher Walken, Jeff Bridges, Sam Waterston, John Hurt, Joseph Cotten, Brad Dourif, Richard Masur, Terry O'Quinn, Tom Noonan, Mickey Rourke, Geoffrey Lewis

Ernst Horst: NUR KEINE SENTIMENTALITÄTEN! - Über die Liebe zur Sprache im deutschen Entenhausen

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In einer der alten Donald-Duck-Geschichten von Carl Barks, dem Erfinder und Zeichner dieses cholerischen Pechvogels, versucht der Patriarch, die drei Neffen Tick, Tick und Track in die Badewanne zu bewegen, aber die sträuben sich und leisten einen Schwur: "Wir wollen sein ein einig Volk von Brüdern, in keiner Not uns waschen und Gefahr!" Daß da in einem Comic ganz beiläufig Schillers WILHELM TELL persifliert wird, verdanken wir der deutschen Übersetzerin Dr. Erika Fuchs, die mit Sprachwitz und Belesenheit eine ganz eigene Version dieser Geschichten kreierte. In seinem Buch NUR KEINE SENTIMENTALITÄTEN! - WIE DR. ERIKA FUCHS ENTENHAUSEN NACH DEUTSCHLAND VERLEGTE arbeitet Ernst Horst in lockerem Plauderton das Besondere an Fuchs'Übersetzungen heraus.

Erika Fuchs arbeitete von 1951 bis Ende der Achtziger als Chefredakteurin des deutschen Micky-Maus-Heftes und übersetzte den Löwenanteil der Donald-Stories von Carl Barks. Davor hatte sie Kunstgeschichte, Archäologie und Geschichte studiert, war viel gereist, hatte mit einer Arbeit über den Barockmaler Johann Michael Feichtmayr promoviert und dann als Übersetzerin für READER'S DIGEST gearbeitet. Man könnte sagen, daß sie überqualifizert war für den Job, die Stories aus Entenhausen zu übersetzen - aber genaugenommen haben ihre Bildung, ihr Sprachgefühl und ihr vielseitiges Interesse dafür gesorgt, daß sie aus den Originaltexten etwas Bemerkenswertes machen konnte. Nicht umsonst wird sie für ihre Texte so verehrt, daß man sogar eine Wortform nach ihr benannte: Wenn Geräusche und Vorgänge mit einer Inflektivform ausgedrückt werden (Schluck! Stöhn! Zitter!), nennt man das einen Erikativ.


Fuchs war eine große Verfechterin der Bildung und liebte die Sprache, weshalb, wie Horst zeigt, in Entenhausen selbst beim größten Ärgernis noch ganze Sätze und korrekte Konjunktive verwendet werden. Die Texte waren voller Anspielungen auf Literatur und Kultur: Das schöne Lautwort "Klickeradoms!", das einmal ertönt, als Glas zu Bruch geht, stammt aus Wilhelm Buschs DIE FROMME HELENE; Donald zitiert schon mal Schiller - mal korrekt, mal als Witz ("Wohltätig ist des Feuers Macht, wenn es der Mensch zur Lust entfacht"), die Drillinge sprechen mit Dante ("Laßt alle Hoffnung fahren!"), und wenn eine Feuersbrunst als "Waberlohe" bezeichnet wird, stammt das wohl aus Wagners RING DER NIBELUNGEN. Wobei auch die Popkultur nicht zu kurz kommt: Es ertönt schon mal ein Lied von Gus Backus im Radio ("Ich wünsch mir' eine kleine Miezekatze für mein Wochenendhaus ...").

Das geht natürlich damit einher, daß sich die Übersetzungen nicht streng an das Original halten. Manchmal wird etwas hinzudichtet: Wenn Donald beim Kauf einer Kamera "von der Witwe eines Naturforschers, der von einem Löwen gefressen worden ist" ganz prosaisch antwortet: "Nur keine Sentimentalitäten!", dann tut er das nur in der deutschen Version. Aus George Washington wird irgendwo schon mal der Turnvater Jahn. Das hat einerseits damit zu tun, daß die Comics damit in der Region verankert werden, nach der sie in der Übersetzung auch klingen - sprich: Wo deutsch gesprochen wird, kennt man auch deutsche Namen, Musik und Geschichte - andererseits aber auch oft mit der Tatsache, daß Fuchs den Witz der Originale etwas aufgepeppt hat: Aus einem "Mailman Mike" macht sie den "wackeren Hilfspostboten Säbelbein".


Horst gliedert sein Buch in verschiedene thematische Kapitel, aber ganz strenge Trennlinien zieht er nie: Wenn ihm eine Anmerkung gerade zum Hauptthema paßt, wird sie auch hineingenommen. Überhaupt ist das Buch keinesfalls wissenschaftlich aufgezogen, sondern eher als gemütliche Erzählung konzipiert: Horst redet assoziativ über die Geschichten, über Fuchs und auch über sich selber bzw. seinen Bezug zu den Comics. Daß das funktioniert, liegt einerseits daran, daß das Spielerische zu den Übersetzungen von Fuchs paßt, die ebenso einfach hineinnahm, was gerade passend und unterhaltsam erschien, und andererseits daran, daß er mit Witz und Eloquenz erzählt: "Erika Fuchs war ein Schoßkind des Glücks. Wenn man über ihre Biografie nachdenkt, dann kommt zwangsläufig der Zeitpunkt, an dem einen der grünäugige Eifersuchtsteufel mit der Wutessenz attackiert."

Was Horst am meisten vermittelt mit seiner Betrachtung der Fuchs-Übersetzungen, ist die Liebe zur Sprache, mit der die Übersetzungen gemacht wurden und die sie umgekehrt auch ausstrahlen. Ob Namen, Speisen oder Tiere: Sie liebte bildhafte und bemerkenswerte Wörter. Donalds Nachbar (im Original einfach "Jones") heißt bei ihr mal Knackfuß, mal Zorngibel; es taucht ein "Bäckermeister Bullerjahn" auf, Dagobert redet Donald in einer Piratengeschichte mit "Bootsmann Bottervogel" an und gibt sich in einer anderen Story als "Hilarius Haberstumpf" aus. Auf dem Speiseplan stehen Knusperflocken (Cornflakes!), Liebesknochen, Kremhütchen, Pumpernickel und ein strammer Max, unter den Tieren gab es Feuerfliegen, einen Rauhaarrollmops, einen Wassermolch, einen Brüllaffen und einen Teufelsrochen. Es wurden regionale und umgangssprachliche Ausdrücke eingeflochten - "Semmeln", "ausbaldowern", "anwanzen", "Meiner Treu!" - die dann auf hochgestochene Worte wie "Saigerteufe" und "Plutokraten" stießen. Die Fuchs-Figuren redeten so in einer wunderbar kauzigen Kunstsprache, die immer wieder zeigt, wie ihre Übersetzerin Freude am Sprachspiel hatte.


Auch wenn Horsts Buch keine systematische Arbeit eines Linguisten ist, bekommt man durch seinen höchst unterhaltsamen Streifzug durch das deutsche Entenhausen aber doch ein Gespür dafür, welche Herausforderungen mitunter auf den Übersetzer eines Comics warten. Ganz nebenher entsteht durch Horsts Erzählungen ein interessantes Bild vom Deutschland der Nachkriegszeit - beispielsweise, wenn er überholte Begriffe und Waren kommentiert (z.B. Hoffmannstropfen oder Kunsthonig), über seine Schulerfahrungen berichtet oder die Geschichte des Micky-Maus-Heftes anreißt. So fungieren die Fuchs-Übersetzungen teils auch als Geschichtslektion: Wenn auf einem Bild ein Boot den Namen "Kontiki" trägt, lernen wir von Ernst Horst, daß das der Name des Floßes war, mit dem der Norweger Thor Heyerdahl 1947 von Südamerika nach Polynesien segelte.

Horsts Buch ist sicherlich nicht das letzte Wort, das über Erika Fuchs und ihre Übersetzungen fallen wird. Sein oft recht assoziativer Blick auf den deutschen Donald schafft aber exakt das, was wohl Sinn der Sache war: Er ist eine Huldigung einer talentierten Frau mit eigener Handschrift und er schärft den Blick für reichhaltige Feinheiten, die man womöglich noch nie beachtet hat. Und weil Horst auf so viele Besonderheiten in den Fuchs-Übersetzungen hinweist, macht er mit jedem Kapitel Lust, sich wieder einmal auf eine vergnügliche Reise nach Entenhausen zu begeben - natürlich nur im Original von Erika Fuchs.





HÖLLE IM FRAUENGEFÄNGNIS plus HELL PENITENTIARY: Zwei Knastdramen zum Preis von einem

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Ich gestehe: So ganz verstehe ich das Subgenre "Frauengefängnisfilm" nicht. Oh, ich kapiere durchaus die Muster hinter diesen hübsch reißerisch aufgezogenen Stories: Hinter Gittern herrscht Sodom und Gommora. Die eingesperrten Leicht- und Schwerverbrecherinnen fallen hemmungslos übereinander her, Gewalt ist an der Tagesordnung, und die Wärter und Wärterinnen machen von ihrer Machtposition Gebrauch und mischen bei der Sex-und-Gewalt-Tagesplanung eifrig mit. Es lebe die Phantasie! Aber, um es mal neudeutsch zu sagen, den Appeal der Chose checke ich nicht völlig. Vermutlich liegt es daran, daß ich zwar weder etwas gegen Schmuddelphantasien habe noch gegen reißerisches Exploitation-Kino, aber mir die genussfreudigen Damendramen dann doch lieber in Settings ansehe, wo niemand nebenher verprügelt und gefoltert wird.

Freilich hält mich das keinesfalls davon ab, mich auch diesem Bereich des etwas anderen Kinos ausführlich zu widmen - und das heute sogar gleich als Double Feature! Es bietet sich nämlich an, die hier besprochenen zwei Italo-Filme zusammenzuziehen, da sie 1983 zeitgleich mit derselben Crew und denselben Schauspielern entstanden. HÖLLE IM FRAUENGEFÄNGNIS erschien zuerst, dann folgte der Zweitfilm HELL PENITENTIARY (der es nie bis nach Deutschland schaffte). Als Regisseur ist bei beiden Filmen ein gewisser "Willy Regant" angegeben, hinter dem man lange Sergio Garrone vermutete - der wohl auch beide Drehbücher geschrieben haben dürfte (im Vorspann wird kein Autor genannt) und für seine Regiearbeiten gerne das Pseudonym "Willy S. Regan" verwendete. Seit einiger Zeit behauptet die IMDB jedoch, daß sich in diesem Fall hinter "Regant" ein Mann namens Gianni Siragusa versteckt. Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich schlafe nachts sehr unruhig, solange solche wichtigen Fragen nicht geklärt sind - könnte also bitte mal jemand den mittlerweile 88-jährigen Sergio Garrone in Rom anrufen und das klären? Danke.


Der erste Film, HÖLLE IM FRAUENGEFÄNGNIS (die englische Version heißt HELL BEHIND BARS, das Original nennt sich PERVERSE OLTRE LE SBARRE), dreht sich um die Gaunerin Conchita, deren Freund gerade erfolgreich einige Diamanten geschmuggelt hat. Sie entledigt sich des armen Mannes und deponiert einen Großteil der Beute in einem Schließfach. Ein paar verkauft sie an einen Hehler, aber dann wird sie von der Polizei festgenommen, als einige Gauner ihr das Bargeld klauen wollen und sie die Burschen erschießt. Im Gefängnis muß sie sich mit dem rauen Umgangston zwischen den Gefangenen arrangieren und sich gegen die Machtspiele der sadistischen Direktorin wehren. Außerdem wollen die Ganoven, die hinten dem Diamantenraub stecken, ihre Beute zurückholen und arbeiten dafür mit einer der Insassinnen zusammen - wem kann Conchita also bei dem geplanten Ausbruch trauen?

Im zweiten Film, HELL PENITENTIARY (im Original: DETENUTE VIOLENTE), läßt sich die Ärztin Julia Rogers ins Gefängnis einschleusen, weil sie dort Beweise für den Mord an ihrer Schwester zu finden hofft, die mitsamt ihrem Liebhaber vom Gangsterboß Frank Cuomo erledigt wurde. Der einzigen Zeugin dieses Auftrags wurde von Cuomo eine Drogengeschichte angehängt, weshalb sie nun unschuldig im Knast sitzt. Im Gefängnis muß sich Julia mit dem rauen Umgangston zwischen den Gefangenen arrangieren und sich gegen die Machtspiele der sadistischen Direktorin ...naja, und so weiter.


In beiden Filmen dient die Handlung primär eh nur dazu, zu erläutern, warum wir uns ins Gefängnis begeben. Was vielleicht auch erklärt, weshalb in beiden Fällen der Plot an einen Schweizer Käse erinnert - vor allem beim zweiten Film: Wie genau schleust sich Julia ins Gefängnis ein? Geht die da hin und sagt: "Grüß Gott, ich bin Bankräuberin"? Und warum läßt der Gangsterboß die werte Zeugin nicht auch gleich ins Jenseits befördern? Warum wird sie im Keller des Gefängnisses langsam mit Drogen vergiftet, anstatt sie dort unauffällig verschwinden zu lassen? Der erste Streifen schlägt sich da nur marginal besser, und gegen einen Versuch, den Plan der Gangster hinterher im Detail plausibel zu erläutern, könnten Reden von Edmund Stoiber geradezu kohärent wirken.

Macht nichts, dafür gibt es Sex. Sehr viel davon. Hier wie dort freunden sich die gefangenen Frauen mit neuen Zellenkolleginnen äußerst rasch und zärtlich an; überhaupt ist das Betriebsklima im Knast die meiste Zeit über so gut, daß sich die Insassinnen unter der Dusche gegenseitig einseifen. Die sadistische Direktorin schnappt sich in beiden Filmen eine Gefangene (beide Male dieselbe Schauspielerin!), mit der sie dann die Beziehungen zwischen Personal und Häftlingen intensiviert; im ersten Film bespaßt sie nebenher auch noch einen der männlichen Wärter. Im zweiten Film gibt es dafür noch einen Gefängnisleiter, der eine der Gefangenen als Hausmädchen engagiert und in freien Minuten auf dem Sofa beglückt. (Der Gefängnisleiter wird dann von seiner blinden und tauben Ehefrau erdolcht. Sie sieht die Welt ein bißchen wie durch Milchglas, was die Definition von "blind" vielleicht dehnt. Die Gefangene redet dann auf sie ein, und die Ehefrau guckt, als würde sie sich überlegen, ob sie jetzt wirklich taub ist oder nicht.)


Freilich gibt es auch ein paar Garstigkeiten. In HÖLLE IM FRAUENGEFÄNGNIS vermutet die sadistische Direktorin, daß eine der Gefangenen etwas in einer Körperöffnung versteckt hat, und schaut mit dem Schraubenzieher gründlich nach (zum Glück sieht der Regisseur dabei nicht ganz so gründlich hin). In HELL PENITENTIARY begeistert die Direktorin im Laufe des Films gleich drei Insassinnen mit einem glühend heißen Schüreisen - wobei das zwar geräuschvoll zischt, aber (wie wir bei späteren kleidungsarmen Sequenzen sehen dürfen) keinerlei Hautschäden verursacht. Ansonsten wird halt, wie im Genre so üblich, ein wenig gerauft unter den Mädels, hier und da wird auch mal eine umgebracht - der übliche Alltag eben in so einer Besserungsanstalt.

Das Gefängnis - in beiden Filmen dasselbe Set - ist übrigens auch ein paar Worte wert. Die Zellen sehen nach miefigem Keller aus, die übrigens Räume auch; der Innenhof scheint zu irgendeinem verfallenen Gemäuer zu gehören. Dafür ist die Anstalt in anderer Hinsicht hochmodern: Die Gefangenen dürfen sogar noch spätnachts zwischen den Kellerräumen, äh, Zellen herumgehen, und müssen keine Gefängnisuniformen tragen - stattdessen haben sie leichte Blusen (vorzugsweise weit geöffnet, damit keine Mißverständnisse über das Geschlecht der Gefangenen aufkommen), Röcke (vorzugsweise kurz, damit die Beine etwas Luft abkriegen) und sogar High Heels. Julia, die im zweiten Film irgendwann als Assistentin des Gefängnisarztes arbeitet, darf unter ihrem weißen Kittel sogar Strapse tragen! Die Wärterinnen müssen sich dagegen mit freudlosen braunen Mänteln begnügen.


Beide Filme wurden, wie erwähnt, größtenteils mit denselben Schauspielern gedreht, teils in anderen Rollen, teils aber auch nicht, weshalb es besonders unterhaltsam ist, sich beide Streifen direkt hintereinander anzusehen - es wirkt, als würde man einen Blick in ein Paralleluniversum werfen. Conchita aus dem ersten Film wird von Ajita Wilson gespielt, deren Filmographie einen entzückenden Titel nach dem anderen enthält (mein Favorit: KAFFEEBRAUN UND NYMPHOMAN, dicht gefolgt von APOKALYPTISCHER SEXWAHN FRÜHREIFER NACKTLUDER - wobei ich davon ausgehe, daß beide Filme mit der Kreativität ihrer Titel nicht mithalten können). Im zweiten Film spielt sie eine toughe Insassin, die auch schon mal unliebsame Mitgefangene um die Ecke bringt. Ajitas Gegenpart ist in beiden Fällen eine gewisse Linda Jones - wieder einmal einer von diesen uritalienischen Namen - die in Film Nr. 2 die Ärztin Julia Rogers spielt, in Film 1 dagegen die toughe Insassin, die auch schon mal ... genau. Linda Jones ist so schön, daß sie das Gesicht kaum mehr bewegen kann, weshalb sie vor allem im zweiten Film gerne mal wie eine Leihgabe vom Wachsmuseum wirkt. Die fiese Direktorin wird in beiden Fällen von Rita Silva gespielt, die ihr Haar streng maskulin hochgesteckt trägt, privat aber gerne mit einer wilden blonden Perücke auftritt. Auch diverse andere Darsteller und Darstellerinnen kann man in beiden Filmen erspähen.

Es sei nicht verschwiegen, daß die beiden Streifen, nunja, recht preisbewußt inszeniert wurden. Das merkt man vor allem im zweiten Film, wo ein Gefängnisaufstand abgesehen von einem Bild, in dem auf zwei Wärter geschossen wird, nur über eine Handvoll Schüsse aus dem Off dargestellt wird. Hübsch schmuddelig sind sie beide - wobei der erste Film von einem Finale profitiert, das vage an Garrones KILLER'S GOLD erinnert, wo ebenfalls die Gier dafür sorgte, daß die Besetzungsliste immer kleiner wurde. Dafür ist der andere Film in seiner Schmalhansinszenierung noch heiterer: Da wird eine Wärterin über ein Treppengeländer geworfen, fällt höchstens zwei Meter, aber der Schrei klingt, als würde sie in eine kilometertiefe Schlucht stürzen. Fröhlich ist auch der Beginn, bei dem ein Liebespärchen auf der Flucht vor den Killern auf einer Baustelle landet, wo die schon mit dem Bagger warten (gemeine Schurken!). Während die Attentäter mit der Baggerschaufel gemütlich den Wagen kleinpressen, kommt aber keines der beiden Opfer auf den Gedanken, auszusteigen.


Die Musik ist übrigens in beiden Filmen grandios - was vielleicht daran liegt, daß es beide Male mehr oder weniger dieselbe ist. Da wird schönster Sleazy-Listening-Funk gespielt, beim Anblick des Gefängnisses von außen haut mal wer auf die Orgel, eine nachdenkliche Synthmelodie ertönt auf Heavy Rotation, und wenn die Direktorin ihre Gespielin vernascht, singen körperlose Stimmen "ahhhhh-ahhhh", während sanft die Percussion gestreichelt wird. Ein Album mit diesem Score (von Franco Micalizzi unter dem Pseudonym "Frances Taylor") würde ich mir ja sofort kaufen.

Eine BluRay-Ausgabe mit beiden Filmen in feinster Qualität, diversen Audiokommentaren, Interviews und 64-seitigem Essay würde ich mir natürlich auch sofort kaufen, aber da werde ich in absehbarer Zeit wohl kaum in Verlegenheit kommen.




Hölle im Frauengefängnis (Italien 1984)
Originaltitel: Perverse oltre le sbarre
Alternativtitel: Hell Behind Bars
Regie: "Willy Regant" (= Gianni Siragusa oder Sergio Garrone?)
Buch: Sergio Garrone (nicht im Vorspann genannt)
Musik: "Frances Taylor" (= Franco Micalizzi)
Kamera: Maurizio Centini
Darsteller: Ajita Wilson, Rita Silva, Linda Jones, "Alex Freyberger" (= Alessandro Freyberger), Leda Simonetti, Helen Johansson, Enrica Saltutti

Hell Penitentiary (Italien 1985)
Originaltitel: Detenute violente
Regie: "Willy Regant" (= Gianni Siragusa oder Sergio Garrone?)
Buch: Sergio Garrone (nicht im Vorspann genannt)
Musik: "Frances Taylor" (= Franco Micalizzi)
Kamera: "Maurice Centine" (= Maurizio Centini)
Darsteller: Ajita Wilson, Rita Silva, Linda Jones, "Alex Frayberger" (= Alessandro Freyberger), "John Vincent" (= Cesare Di Vito), "Laura Simonson" (= Leda Simonetti), Helen Johansson, "Elizabeth Sherbrooke" (= Enrica Saltutti)

DER LETZTE HAREM: Schöne Frauen und vornehme Tristesse

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Ex-Bond liebt Ex-Bond-Girl ... und viele andere Frauen: Auf dem deutschen VHS-Cover zu Sergio Garrones Schmusedrama DER LETZTE HAREM steht George Lazenby, 1969 Connery-Nachfolger im Bond-Film IM GEHEIMDIENST IHRER MAJESTÄT, umringt von zahlreichen schnuckeligen und spärlich bekleideten Damen. Ganz anders als im Film selbst, wo die zahlreichen schnuckeligen und spärlich bekleideten Damen die meiste Zeit ohne Lazenby herumstehen, weil sie in seinem Harem leben und frustriert sind, weil er sie alle vernachlässigt.

Harem? Aber hallo! Lazenby spielt in dieser Verfilmung eines Romans von Alberto Vázquez Figueroa den reichen Prinz Almalarik, der sich einen üppigen Harem voll schöner Frauen hält. Denen mangelt es an gar nichts - außer vielleicht an Almalariks Zuneigung, sobald er eine neue Flamme hat, und an Freiheit, weil sie beim Fluchtversuch aus dem Harem bestraft und eventuell sogar exekutiert werden. Eine der Frauen, Sara, liebt Almalarik ganz besonders - so sehr, daß er sich sogar überlegt, dafür den Harem aufzulösen und monogam zu werden. Aber Sara wird hinterrücks ermordet, und niemand weiß, welche der anderen Frauen es getan haben könnte ...


Die Geschichte mag wie ein Krimi klingen, aber tatsächlich - obwohl sich später sogar ein weiteres Attentat abzeichnet - nimmt das Mysterium um den Mörder hier einen Platz in den allerhintersten Sitzreihen ein. Die Geschichte ist verschachtelt erzählt, über diverse Rückblenden und Erzählungen, eingebettet in einen Fernsehbericht, ohne klare Hauptfigur - aber letztlich geht es hauptsächlich darum, daß sich die Frauen im Harem gefangen fühlen, während Prinz Almalarik seine Sara im Wüstensand vergräbt, sich dann in der Wüste verirrt und letztlich zu sich selbst findet. Aus sowas könnte ein Melodram werden oder eine Betrachtung der Machtstrukturen zwischen Mann und Frau im mittleren Osten - aber Garrone und seine Produzenten dürften sich stattdessen gedacht haben, daß es bei so vielen feschen Frauen doch irgendwie Verschwendung wäre, wenn sie nicht doch einen Softsexstreifen drehen.

Und wen der Prinz bzw. die Produzenten da so alles herangeschleppt haben! Da wäre zunächst mal als Sara (die zwar zu Beginn schon das Zeitliche segnet, aber in diversen Rückblenden auftaucht) die Französin Corinne Cléry, die mit Just Jaeckins GESCHICHTE DER O bekannt wurde und 1979 in MOONRAKER als Bond-Girl auftauchte. Dann ist die Italienerin Daniela Poggi dabei, die 1980 das Cover des Playboy zierte und in einigen der seinerzeit so populären Italo-Sexkomödien auftauchte. Als Griechin - warum auch nicht - spielt die Spanierin María Kosty mit, die zuvor diverse Horrorfilme von Amando de Ossorio und Leon Klimovsky drehte (unter anderem DAS BLUTGERICHT DER REITENDEN LEICHEN und BLUTRAUSCH DER ZOMBIES).


Reicht noch nicht? Also bitte: Unter dem Namen "Ursula Fellner" spielt Ursula Buchfellner mit, Playmate des Monats Oktober 1979, die mit Lisa-Film-Streifen wie POPCORN UND HIMBEEREIS und COLA, CANDY, CHOCOLATE bekannt wurde und später auch zwei Jess-Franco-Streifen drehte - JUNGFRAU UNTER KANNIBALEN und SADOMANIA - HÖLLE DER LUST. Nächste im Raum: Mirta Miller, eine Argentinierin, die unter anderem in Umberto Lenzis LABYRINTH DES SCHRECKENS und in Alfonso Brescias DIE FRAUEN, DIE MAN TÖTERINNEN NANNTE zu sehen war. Außerdem dabei: Adriana Vega, eine Spanierin, die in einer Sexklamotte mit dem unsterblichen Titel ALFREDS UNHEIMLICHE BEGEGNUNG MIT DER REIZWÄSCHE mitspielte und später in Carlos Aureds Horrorstreifen IN ANGST GEFANGEN die Hauptrolle hatte. Und als siebte im Bund ist Karin Fiedler zu sehen, die zuvor in Salvatore Bugnatellis Okkultgiallo DIABOLICAMENTE ... LETIZIA spielte.

Puh. Bei einer solchen Haremsbesetzung hat George Lazenby natürlich einiges zu tun - wobei es durchaus zu verstehen wäre, wenn er gerade wegen den vielen Kolleginnen überhaupt die Rolle angenommen hätte. Ich selber würde das auch so machen (allerdings scheint mein Management alle derartigen Anfragen bislang abgeschmettert zu haben). Nun geht es ja aber in der Geschichte darum, daß Prinz Almalarik seine Frauen eher vernachlässigt, weshalb Lazenby sich nur um ein paar der Damen kümmern darf. Die anderen bespaßen sich im Zweifelsfalle gegenseitig oder laufen frustriert durch die üppigen Kulissen (vor allem Mirta Miller schaut eher sauertöpfisch und malt aus langer Langeweile).


So sitzt DER LETZTE HAREM also ein wenig unschlüssig zwischen zwei Stühlen. Einerseits wird ein bißchen Drama aufgezogen, ein wenig Tragödie gesponnen, etwas Sinnsuche betrieben, und weil schon zu Beginn der Prinz von seinem Vater belehrt wird, daß das Haremskonzept überholt ist, hat man gerne mal das Gefühl, daß einem die Geschichte etwas sagen will - nur was? Andererseits ist der Film vor allem nach der verschachtelt aufgezogenen ersten Hälfte hauptsächlich eine Softsexphantasie, wie sie in den Siebzigern nach EMMANUELLE so beliebt war: Exotische Kulisse, Weichzeichner, säuselnde Klänge, ein wenig nackte Haut und Sinnlichkeit. Damit bleibt der hübsche Reigen so oder so etwas unbefriedigend: Er traut sich nicht, ganz Erotikfilm zu sein, und will aber auch - wohl angesichts der Gästeliste - auf den Sex nicht verzichten. Dabei wäre gerade die sinnliche Seite die, in der der Film am besten funktioniert - das Drama versprüht nämlich eher vornehme Tristesse.

Wobei es natürlich durchaus möglich ist, daß ich angesichts von Corinne, Daniela, María, Uschi, Mirta, Adriana und Karin die profunde Botschaft einfach übersehen habe. So wie George sich wohl das Skript nicht gar so genau angesehen haben dürfte.




Der letzte Harem (Italien/Deutschland/Spanien 1981)
Originaltitel: L'ultimo Harem
Alternativtitel: El ultimo harén / The Last Harem
Regie: "Willy S. Regan" (= Sergio Garrone)
Buch: Federico G. Aicardi, Sergio Garrone, Heinz Freitag, "Alberto Vasques Figueroa" (= Alberto Vázquez Figueroa), nach dem Roman "The Last Harem" von Alberto Vázquez Figueroa
Kamera: Fernando Arribas
Musik: Stelvio Cipriani
Darsteller: Corinne Clery, George Lazenby, Daniela Poggi, Maria Kosty, "Ursula Fellner" (= Ursula Buchfellner), Mirta Miller, Adriana Vega, Karin Fiedler, Peter Lamarr
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