Quantcast
Channel: Wilsons Dachboden
Viewing all 383 articles
Browse latest View live

ROOM 237: Wir sehen, was wir sehen wollen

$
0
0

In meinem Text zu Stanley Kubricks Horrorfilm THE SHINING habe ich angemerkt, daß der Film wie ein Puzzle funktioniert, das auf verschiedene Weisen zusammengesetzt werden kann - und biete dazu selber eine Bedeutung an, die ich jenseits der gezeigten Geistergeschichte wahrnehme: Ich sehe unter der Story um einen Winterhausmeister, der in einem über Monate hinweg eingeschneiten Hotel wahnsinnig wird und seine Familie umzubringen droht, eine Reflexion von familiärer Gewalt und Kontrollphantasien. Das ist keine wirklich gewagte Deutung - der Film bietet genug Elemente an, die diese Themen widerspiegeln. Und doch reihe ich mich mit exakt dieser letzten Behauptung in die Gruppe von SHINING-Exegetikern ein, die Kubricks Werk in Rodney Aschers Filmessay ROOM 237 mit höchst eigenwilligen Beobachtungen und Auslegungen bedenken und dafür Unmengen an Hinweisen aufdecken.

Da hätten wir zum Beispiel einen SHINING-Sachverständigen, der den Film als Parabel auf den Holocaust ansieht. Zentrales Motiv dafür ist für ihn die Schreibmaschine aus deutscher Manufaktur - und zwar von der Firma Adler, wobei der Adler ja von den Nazis als Symbol verwendet wurde. Außerdem ist die Zahl 42 mehrfach im Film zu finden - zum Beispiel auf Dannys Shirt, oder als Teil eines Nummernschildes - und das verweist auf das Jahr 1942, in dem der industrialisierte Völkermord begann. Die These: Weil der Tod von Millionen von Menschen emotional kaum greifbar zu machen ist, nimmt der Film stellvertretend einzelne Figuren, um deren Leben wir bangen. Immerhin wissen wir ja auch, daß Kubrick lange Zeit ein Filmprojekt verfolgte, das sich um den Holocaust dreht.


Etwas offensichtlicher funktioniert die Theorie, daß es in SHINING um den Mord an den Indianern geht. Der Leiter des Hotels sagt ja sogar am Anfang, daß das Gebäude auf einem alten Indianerfriedhof gebaut wurde (nur zwei Jahre nach SHINING war exakt dieses Motiv in POLTERGEIST Grund für die übernatürlichen Erscheinungen). An diversen Stellen des Hotels sind Bilder und Wandteppiche zu sehen, die mit den Indianern in Verbindung gebracht werden können oder sogar Indianer zeigen. Hinter dem Koch des Hotels ist in einem Regal eine Büchse Calumet-Backpulver zu sehen - auf der Büchse das Bild eines Indianerhäuptlings, der Name selbst das indianische Wort für "Friedenspfeife". Wenn der Fahrstuhl des Hotels später literweise Blut ausspuckt, liegt das daran, daß der Schacht ja auch in die Erde gehen muß - die metaphorisch und buchstäblich mit dem Blut der Indianer getränkt ist.

Andere Kommentatoren untersuchen die Architektur des Hotels und stoßen auf Fenster, wo eigentlich keine sein dürften, und andere Ungereimtheiten in der Geographie. Zufall oder Absicht? An einer Stelle wird über einen Stuhl gerätselt, der im Hintergrund zu sehen ist und in der nächsten Einstellung fehlt. Es könnte sich um einen einfachen Continuity-Fehler handeln - aber vielleicht, so wird erläutert, hat Kubrick ihn auch bewußt verschwinden lassen, um Horrorfilmklischées zu parodieren. Diese Mutmaßungen über Absichten und Intentionen sind bezeichnend für viele Lesarten, und stets wird Kubricks Perfektionismus als Stütze angeführt: Bei einem so detailversessenen Filmemacher, der Einstellungen über 100 Mal drehen ließ, bis alles zu seiner Zufriedenheit war, kann immer eingeräumt werden, daß das, was wir wahrnehmen, Absicht war.


Die Frage nach der Absicht führt uns natürlich zu einer großen Falle in der Deutung des Films (und natürlich auch jedes anderen Werkes): Sie beschränkt Bedeutungen auf das, was vom Künstler intendiert war, und gibt ihm gleichzeitig eine Allmacht über jeden Aspekt des Objekts. Gerade beim Film ist das natürlich Illusion: Selbst ein Perfektionist wie Kubrick kann nicht über den Zufall herrschen, und auch auf die Realität kann er nur eingeschränkt Einfluß nehmen. Ein SHINING-Spezialist führt in ROOM 237 Kubricks Interesse an unterschwelligen Bildern an und sieht in einer Wolkenformation am Anfang des Films - an genau der Stelle, wo Kubricks Name im Vorspann erscheint - das Gesicht des Regisseurs. Abgesehen davon, daß selbst angestrengtes Hinsehen kein solches Gesicht offenbart, wäre die interessante Frage dahinter wohl die, wie es Kubrick im Zeitalter ohne digitale Bildbearbeitung geschafft hätte, die Wolken am Himmel nach seinem Wunsch zu formen.

Nein, die Absicht des Machers spielt bei der Analyse nicht zwangsläufig eine Rolle - wie auch einer der Kommentatoren in ROOM 237 anmerkt. Was im Werk wahrnehmbar ist, ist da - ob es nun beabsichtigt war oder nicht. Immerhin kann ein Kunstwerk auch für seinen Schöpfer noch Überraschungen bieten - seien es Muster, derer er sich nicht bewußt war, oder Bedeutungen, an die er selber gar nicht gedacht hat.


Dennoch ist es nur natürlich, gewisse Lesarten eher als abstrus zu werten. ROOM 237 bietet zu all seinen ohnehin schon merkwürdigen Theorien eine SHINING-Analyse, die beinahe schon brilliant absurd ist: Der Film behandelt angeblich die Erfahrungen, die Kubrick machte, als er für die NASA Aufnahmen für die Apollo-Mondlandung fälschte. Laut Jay Weidner, dem Vertreter dieser These (Weidner hat sogar eine eigene Doku zu diesem Thema gemacht), war Kubricks Film 2001 eigentlich nur eine Begleiterscheinung oder vielleicht sogar eine Vertuschung eines Forschungsprojekts, bei dem der Regisseur Technologien und Möglichkeiten untersuchte, um möglichst echt Studiobilder einer Mondlandung herstellen zu können. (Interessanterweise glaubt Weidner, daß wir tatsächlich auf dem Mond waren - er behauptet nur, daß die Aufnahmen davon nicht echt sind.) Und weil dieses Unterfangen natürlich absolutes Stillschweigen erforderte, fand Kubrick ein Vehikel, mit dem er diese Verschwörung ansprechen konnte: Den Film THE SHINING.

Die codierte Beichte des Filmemachers beginnt natürlich einmal damit, daß Danny in einer Szenen einen Pullover trägt, auf dem die Apollo-11-Rakete zu sehen ist. Aber da fängt die Spurensuche erst an: Das Teppichmuster unter ihm ähnelt der Abschußrampe des Apollo-Projekts. Der (indianische!) Wandteppich, gegen den Jack seinen Tennisball wirft, zeigt ein Muster, das wie eine Reihe von Raketen aussieht. Und dann ist da das mysteriöse Zimmer 237 - eine Zahl, die für den Film geändert wurde; in Kings Romanvorlage handelt es sich noch um Zimmer 217. Ganz klar: Der Mond ist 237.000 Meilen von der Erde entfernt. Auf dem Schlüsselanhänger zu Zimmer 237 stehen die Worte "ROOM No 237", und aus den Großbuchstaben kann man die Worte "room" und "moon" bilden - Zimmer 237 ist also der "moon room". (Hämische Internetkommentatoren weisen darauf hin, daß man aus den Buchstaben auch das Wort "moron", englisch für "Idiot", ableiten kann.) Und wenn Jack seine Frau Wendy bedroht und ihr etwas von Verantwortungen und Verträgen erzählt, ist das laut Weidner eine Version des Gesprächs, das stattgefunden haben muß, als Kubricks Frau von dem Apollo-Geheimprojekt erfuhr.


Natürlich ist das Humbug. Aber es geht in ROOM 237 eigentlich gar nicht darum, ob die angebotenen Theorien stimmen oder nicht - sie müssen es gar nicht, und im post-modernen Sinne gäbe es gar keine falschen Lesarten. Vielmehr geht es darum, wie der individuelle Zuseher Teil des Werkes und Teil seiner Bedeutung ist: Wir sind es, die den Werken ihre Bedeutung geben. Das tun wir in Zusammenarbeit mit dem Werk - und manchmal, wie im Falle der hier sprechenden SHINING-Spezialisten, übernehmen wir eben den Großteil dieser Arbeit. Es ist bezeichnend, daß die Sprecher mehr als einmal darauf hinweisen, wie sie zunächst von dem Film enttäuscht waren, bis ihnen dann bei wiederholtem Ansehen ein Licht aufging - mit ihren Interpretationen haben sich diese Zuseher den Film zueigen gemacht, sie haben ihn gewissermaßen personalisiert. "It is a masterpiece - but not for the reasons that most people think", sagt einer der Interviewpartner, der SHINING zunächst gar nicht mochte. Er mußte sich offenbar erst einen persönlichen Zugang zum Film schaffen und ihn mit seinen eigenen Interessen und Ansichten in Einklang bringen.

Das ist eigentlich gar kein unüblicher Prozeß: Wir alle haben Filme, denen wir eine mehr oder wenige private Bedeutung zumessen. Die wundervollen Filme meiner Kindheit und meiner Jugend sind so besonders, weil sie mich geprägt haben - die Bedeutung, die ich ihnen beimesse, liegt in meiner Biographie. Und wir alle haben Werke - Filme, Bücher, Musik, Bilder, was auch immer - die uns auf gewisse Art und Weise inspiriert haben. Wenn ein Buch bestimmte Handlungen oder Entwicklungen in mir hervorruft, hat das Buch freilich etwas damit zu tun - aber wenn ich als Person in diesem Prozeß irrelevant wäre, würde das Buch bei jedem Menschen dasselbe bewirken.


Letztlich liegt darin ja auch eine der fantastischen Möglichkeiten der Kunst: Wenn ich finde, daß in einem Werk ein Thema verhandelt wird, das mich interessiert oder mir wichtig ist, dann wird es das auch. Nicht umsonst finden Menschen religiöse Bedeutung in UND TÄGLICH GRÜSST DAS MURMELTIER (der als Läuterungsgeschichte funktioniert), lernen Lebenslektionen aus dem KRIEG DER STERNE oder sehen James Whales FRANKENSTEIN (aufgrund der Biographie seines Regisseurs und dem Thema der Andersartigkeit) als Parallele zur Stigmatisierung Homosexueller. Warum kann THE SHINING also kein Mahnmal darüber sein, wie Amerika auf dem Blut der Indianer gebaut wurde?

Das Problem der hier angebotenen Thesen liegt eigentlich weniger in den Beobachtungen - immerhin untermauern alle Sprecher ihre Theorien mit Elementen des Films, auch wenn (wie z.B. im Falle des Wolkenbildes) die Beweislage nicht immer überzeugen kann. Es liegt vielmehr in der Behauptung, daß es sich hierbei jeweils um das "tatsächliche" Thema, die "wirkliche" Bedeutung des Films handelt. Sie verdrängen quasi die anderen möglichen Inhalte. Als thematische Textur genommen ist die Indianer-Theorie durchaus interessant - immerhin wird in SHINING oft genug das Thema der Vergangenheit angesprochen und auch gesagt, daß Orte schreckliche Ereignisse "speichern". Aber als Hauptidee hat der Gedanke viel zu wenig Tragkraft, seine Beweisführung muß sich zu sehr auf winzigste Details oder sehr vage Assoziationen stützen.


Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, daß ein Film, in dem sich ein Mann nicht nur in einem tatsächlichen, sondern auch in einem psychologischen Labyrinth verirrt, manche Zuseher auch auf ähnliche Reisen zu schicken scheint: Je länger und detaillierter man sich diesem Werk widmet, umso mehr verliert man offenbar den Blick für das Gesamtbild. Und so wie Jack Torrence seine Umgebung vergeblich zu kontrollieren versucht, bemühen sich auch die Sprecher darum, den Film gewissermaßen in den Griff zu kriegen. Aber eigentlich ist es kein Wunder, daß ein Filmemacher mit so ausgeprägten Obesssionen auch Zuseher mit ähnlich ausgeprägter Detailversessenheit anzieht.

In der Psychologie gibt es das Konzept des "Bestätigungsfehlers" (englisch: "confirmation bias"). Es besagt, daß wir Dinge wahrnehmen, die zu dem passen, was wir schon glauben oder erwarten, und andere Informationen ignorieren. Wenn ich also beispielsweise SHINING nach Elementen abklopfe, die etwas mit dem zweiten Weltkrieg zu tun haben, finde ich sie auch - und ignoriere solche, die das nicht tun. So funktioniert das menschliche Gehirn nun mal. In Bezug auf die Kunst gesehen ist exakt dieser Vorgang wohl unser Zimmer 237: Wir sehen, was wir sehen wollen.




Room 237 (USA 2012)
Regie: Rodney Ascher
Musik: William Hutson & Jonathan Snipes
Sprecher: Bill Blakemore, Geoffrey Cocks, Juli Kearns, John Fell Ryan, Jay Weidner

------------------
4 8 15 16 23 42

Der Kampf ums Weiße Haus: WHITE HOUSE DOWN vs. OLYMPUS HAS FALLEN

$
0
0

Das weiße Haus ist reif für eine Renovierung: Gleich zwei Kinofilme haben sich dieses Jahr mit Vehemenz an die Arbeit gemacht, den geschichtsträchtigen Regierungssitz der Vereinigten Staaten zu demolieren. Es ist mittlerweile gar kein Ausnahmefall mehr, daß zeitnah zwei Blockbuster dasselbe Thema beackern - sei es ein Asteroideneinschlag auf der Erde (ARMAGEDDON vs. DEEP IMPACT), ein Vulkanausbruch (VOLCANO vs. DANTE'S PEAK), die Schneewittchengeschichte (SPIEGLEIN SPIEGLEIN vs. SNOW WHITE & THE HUNTSMAN), oder nun eben die Terroristenattacke auf die Präsidentenbude. Zugegeben: Antoine Fuqua mag mit seinem OLYMPUS HAS FALLEN unserem liebsten Krawallkind Roland Emmerich bzw. dessen WHITE HOUSE DOWN um ein paar Monate zuvorgekommen sein, aber eigentlich treten beide mit der Geschichte in die Fußstapfen der Serie 24, in deren siebter Staffel schon 2009 böse Buben dieselbe Hütte besetzten. Die bekamen es dann mit Spezialagent Jack Bauer zu tun, und als informierter Zuseher rechnete man jede Sekunde damit, daß Jack für die amerikanische Sicherheit den Verteidigungsminister foltern und das Oval Office sprengen würde.

So drastisch waren die Geschehnisse aber dann doch nicht, weshalb nun zumindest die Zerstörung des Gebäudes auf Leinwandgröße mit Wonne nachgeholt werden kann. Von Emmerich ist man solcherlei Destruktionsmanie ja schon gewöhnt: Immerhin hat der Mann schon ein paar Mal die Welt untergehen lassen, New York vernichtet, diverse Denkmäler demoliert und die Shakespeare-Biographie zerfetzt. Die Vernichtung des Weißen Hauses ist für ihn ohnehin Selbstzitat: Schon in INDEPENDENCE DAY mußte das Bauwerk daran glauben. Und weil Emmerich sich nicht wahnsinnig ernst nimmt, darf in WHITE HOUSE DOWN auch ein Reiseführer bei der Tour durch das Weiße Haus eben diesen Film namentlich erwähnen.


Überhaupt ist Rolands Radaustreifen eine Angelegenheit mit viel Augenzwinkern - der Angriff ist höchst absurd und steigert sich ins Wahnwitzige, die Figuren sind überlebensgroße Stehaufmännchen, dazu gibt's Instant-Patriotismus und kernige Sprüche. Ganz nach eigener Schmerzgrenze und Empfindsamkeit ist das also - wie so oft bei Emmerich - entweder ärgerlich und hohl oder eben ein brillant eskapistisches Feuerwerk allerschelmischster Zerstörungsfreude. Der Präsident (Jamie Foxx) darf hier noch als idealistischer Superheld auftreten, ein Über-Obama ohne Abhörskandal, der zur Terroristenhatz die feinen Treter gegen Turnschuhe eintauscht und dem finsteren Obereumel der Verschwörung auch schon mal indigniert das böse F-Wort um die Ohren knallt. Sein Buddy in diesem LETHAL-WEAPON-STIRB-LANGSAM-Actionmix ist der nette Cop Cale (Channing Tatum), der sich an just dem Tag des Angriffs vergeblich als Secret-Service-Mann beworben hat und nun an der Seite des Staatsoberhauptes zeigen kann, aus welchem Holz er geschnitzt ist - aus unkaputtbarem nämlich. Nebenher darf er sein Töchterlein beschützen, das ebenfalls durch das Weiße Haus rennt, den coolen Präsidenten mal eben für ein YouTube-Video interviewt und den Terroristen auch schon mal die Meinung geigt.

Und ja, die bösen Burschen: Die läßt Emmerich nicht etwa aus irgendeinem Schurkenland antreten, sondern aus den eigenen Reihen. Sobald James Woods auf der Leinwand auftaucht, ist natürlich glasklar, daß er sich als Drahtzieher entpuppen wird - auch wenn es zu diesem Zeitpunkt noch gar keine Missetaten zu vermelden gibt. Die lassen aber nicht lange auf sich warten: Eine als Putzkolonne verkleidete Terrorgang läßt im Weißen Haus eine Bombe hochgehen und ballert dann zackig den kompleten Sicherheitsstab weg, um den Präsidenten als Geisel zu nehmen. Lange bleibt Amerikas Chef aber nicht in den Fängen der Rechtsextremisten, die offenbar mit seiner pazifistischen Außenpolitik nicht einverstanden sind, und für die restlichen anderthalb Stunden Laufzeit spielen Staatshäuptling und Supercop quer durch das White House Katz und Maus mit den Übeltätern. Wer glaubt, daß da nur Großteile der Architektur durchlöchert werden, war noch nie in einem Emmerich-Film: Es werden noch jede Menge große Vehikel und schweres Kriegsgerät in die Handlung geworfen, damit der Spaß alle fünfzehn Minuten noch ein bißchen mehr krachen kann.


Gegen Emmerichs spitzbübische Actionphantastik nimmt sich Antoine Fuquas OLYMPUS HAS FALLEN ernst und geradezu realistisch aus - sofern man bei einem Plot, in dem ein einzelner Secret-Service-Mann eine kleine Armee vernichten, den nuklearen Holocaust abwenden und seine Freundschaft zum Präsidenten wieder kitten kann, irgendwie von Realismus sprechen kann. Aber zumindest bemüht sich der Film um eine gewissermaßen bodenständigere Version dieses Terrorangriffs: Im Gegensatz zu den Over-the-Top-Pirouetten, die Emmerichs Plot schlägt, wird hier nicht noch beständig ein neues Actionkaninchen aus dem Hut gezogen. Nach der Besetzung des Weißen Hauses und der Geiselnahme des Präsidenten inklusive seines Stabes funktioniert der Film hauptsächlich als Thriller, bei dem nur im Ausnahmefall mal ein Helikopter einen gesamten Flügel des Gebäudes niederreißen darf.

Die Finsterlinge sind hier ganz in altamerikanischer Actiontradition misanthrope Ausländer - dem Zeitgeist gemäß humorlose Nordkoreaner - und die kommen mit immenser Kamikaze-Armee angerückt und durchlöchern nicht nur zwölfundsiebzigtausend Secret-Service-Agenten (denen man raten möchte, nicht dauernd auf dem Rasen herumzustehen), sondern auch noch die amerikanische Flagge - die dann in Zeitlupe achtlos auf den Rasen geworfen wird. Bei so viel Frevel ist es fast egal, was die Schurken überhaupt wollen, aber festgehalten sei es trotzdem: Sie wollen, daß Amerika seine Truppen aus Korea abzieht, um sich Südkorea dann unter den Nagel reißen zu können. Zum Glück hat Mike Banning (Gerard Butler), ehemaliger persönlicher Sicherheitschef von Präsident Asher (Aaron Eckhart), den Ansturm auf den Regierungssitz überlebt und kann nun die Terrororganisation mit viel Hartnäckigkeit nach und nach dezimieren.


Wo Emmerich auf ein gewisses harmloses Vergnügen abzielt, setzt Fuqua auf harte Auseinandersetzungen: In OLYMPUS HAS FALLEN wird blutigst gekämpft. Ein ums andere Mal spritzt das Blut der per Kopfschuß niedergestreckten Widerlinge durch die Gegend, die Wunden tun weh, im Hospital wird ein verletzter Agent mit abgetrenntem Arm durch das Bild geschoben. Auch sonst geht es hier nicht zimperlich zu: Unser Held darf beim Verhör auch schon mal einem Terroristen das Messer in die Kehle rammen, um dessen Kollegen einzuschüchtern.

Die verbissene Härte, die nur hin und wieder Raum für einen flotten Spruch läßt, resultiert einerseits in einem oberflächlich spannenden Powerfilm - aber andererseits ist es genau diese Ernsthaftigkeit, die die patriotischen Anflüge umso zynischer werden läßt. Wo Emmerichs Amerika-Lobpreisung immerhin mit leiser Selbstironie gezeichnet wird und durch den Plot der unzufriedenen Regierungsmitglieder auch einen gewissen Raum für den Gedanken läßt, daß sich nicht alle Menschen einig sind, wie dieses Land auszusehen habe, zelebriert Fuqua ein weit reaktionäreres US-Motiv: Wir halten zusammen, und der Rest der Welt soll nur probieren, uns ans Bein zu pinkeln.

Natürlich braucht man weder in den einen noch in den anderen Film zuviel hineinzulesen: Trotz Beschwörung zahlreicher politischer Symbole - freilich schon alleine in der Prämisse - wird hier keine Politik gemacht, hier werden Lust und Nervenkitzel am Katastrophenszenario ausgekostet. Mit seinem Witz ist Emmerichs Film tatsächlich der reizvollere, auch wenn er gleichzeitig der noch größere Unfug ist - aber im Gegensatz zum Fuqua-Gefecht scheint er das wenigstens auch zu wissen.



 

White House Down (USA 2013)
Regie: Roland Emmerich
Buch: James Vanderbilt
Kamera: Anna J. Foerster
Musik: Harald Kloser, "Thomas Wander" (= Thomas Wanker)
Darsteller: Channing Tatum, Jamie Foxx, Maggie Gyllenhaal, Jason Clarke, Richard Jenkins, Joey King, James Woods, Nicolas Wright, Jimmi Simpson, Michael Murphy, Rachelle Lefevre, Matt Craven, Jake Weber

Olympus Has Fallen - Die Welt in Gefahr (USA 2013)
Originaltitel: Olympus Has Fallen
Regie: Antoine Fuqua
Buch: Creighton Rothenberger, Katrin Benedikt
Kamera: Conrad W. Hall
Musik: Trevor Morris
Darsteller: Gerard Butler, Aaron Eckhart, Finley Jacobsen, Dylan McDermott, Rick Yune, Morgan Freeman, Angela Bassett, Melissa Leo, Radha Mitchell, Cole Hauser, Malana Lea

------------------
4 8 15 16 23 42

Das Böse lebt im Remake fort: Rob Zombies HALLOWEEN

$
0
0

"Make it your own", empfahl Regisseur John Carpenter dem Musiker und Filmemacher Rob Zombie, als der ihm erzählte, daß er sich an ein Remake von Carpenters Horrorklassiker HALLOWEEN wagen würde. Ein guter Ratschlag, nicht nur im Hinblick auf das Resultat von Gus Van Sants Experiment, den Hitchcock-Streifen PSYCHO so originalgetreu wie möglich zu verfilmen: Schließlich war Carpenters Geschichte ja schon perfekt erzählt (und mit diversen Fortsetzen bedacht worden), und die sinnhafteste Neuerzählung würde aus den Elementen des Originals eine eigene Story mit anderer Erzählstimme zusammensetzen - sprich: HALLOWEEN von Rob Zombie, nicht HALLOWEEN von jemand anderem.

Daß Carpenters längst kanonisierter Film überhaupt ein Remake erfahren muß, mag - wie so oft bei der Ankündigung von Neuauflagen altgedienter Klassiker - fragwürdig erscheinen, aber es war wohl eine sinnvollere Entscheidung, als der alten Reihe noch eine Fortsetzung hinterherzuwerfen. Ich finde es ja im Gegensatz zu vielen Puristen durchaus spannend, was im Laufe der Filmreihe alles aus der HALLOWEEN-Story gemacht wurde: Immerhin war das Original einfach nur die Geschichte eines Kindes, das aus niemals genannten Gründen seine Schwester ermordet, und das dann als Erwachsener aus der Heilanstalt ausbricht, um seine Mordtaten fortzusetzen. Was kann man mit einer Figur machen, die so sehr als Archetyp des Bösen gezeichnet ist, die niemals spricht und immer mit Maske auftritt? Die Fortsetzungen zu Carpenters Film haben sich bemüht, um den Psychopathen Michael Myers andere Konzepte herumzustricken und dabei aber diesen Grundzügen treu zu bleiben - so wurden Verwandschaftsverhältnisse dazugedichtet, telepathische Verbindungen eingeführt, die Figur emotionalisiert und ein Druidenzirkel als Drahtzieher im Hintergrund eingeflochten, aber selbst in dieser Mythologisierung blieb Myers einfach ein Mann ohne Eigenschaften, eine Personifikation des Todes.


Gerade diese allegorische Qualität der Figur ist es wohl, die (jenseits von finanziellen Motiven) als Antrieb dahinter dient, die Myers-Story immer wieder zu erzählen, ob als Sequel oder Remake. In seinem Meta-Horrorfilm NEW NIGHTMARE formulierte Wes Craven die These, daß wir die bekannten Horrorfiguren immer wieder in Geschichten kanalisieren müssen, damit das Böse, das sie repräsentieren, nicht in unsere Welt übergreifen kann - und diese Zuspitzung der Katharsis-Theorie verankert in gewissem Sinne auch eine Notwendigkeit, den Killer Michael Myers wieder und wieder auferstehen und aufs neue morden zu lassen; wie ein Geist wird er ein ums andere Mal neu beschworen, um dieselben Taten zu vollbringen. Die Details der Erzählung sind immer andere, die Figur hat mal diese oder jene zusätzlichen Eigenschaften, aber jede dieser Varianten erlaubt es uns, über diesen beinahe gesichtslosen Mörder in sicherer Umgebung (nämlich der der Fiktion) die Tatsache zu konfrontieren, daß in der Welt schreckliche Dinge passieren, für die wir keine Erklärung haben und für die es vielleicht auch gar keine gibt.

So ist Rob Zombies HALLOWEEN natürlich auch gleichzeitig immer noch John Carpenters HALLOWEEN - selbst, wenn das Remake nicht in seiner zweiten Hälfte mehrfach die Stationen der Vorlage sehr präzise zitieren würde. Ausgefleischt wird vor allem die "Entstehungsgeschichte" von Michael Myers: Wo im Original in einer kurzen Sequenz der Mord an der Schwester gezeigt wird und der Film dann gleich zu Myers' Ausbruch aus der Klinik springt, läßt sich Zombie weitaus mehr Zeit für Michaels Kindheit und Jugend. Wir sehen sein Elternhaus, erfahren etwas über seine Beziehung zu seiner Familie, beobachten eine Entwicklung seiner psychichen Störung und verbringen einige Zeit mit den Versuchen seines Arztes, Dr. Loomis, an ihn heranzukommen und ihn zu verstehen.


So eine Psychologisierung eines eigentlich motivlos handelnden Mörders kann natürlich gefährlich sein - wie so oft ist das Rätsel ja um einiges interessanter als die Auflösung. Denken wir nur einmal mehr an Hitchcocks PSYCHO, wo uns in einer absolut überflüssigen Szene am Schluß ein Psychologe die Taten und die Störung von Norman Bates erläutert. In seinem Buch MAKING MOVIES witzelt Filmemacher Sidney Lumet, daß er und Autor Paddy Chayefsky solche Erklärungsversuche als "rubber-ducky school of drama" betiteln: "Someone once took his rubber ducky away from him, and that's why he's a deranged killer."

Der Beginn von Rob Zombies HALLOWEEN-Version scheint genau dieser Quietscheentchen-Psychologie anheimzufallen: Myers wächst in einer traurigen White-Trash-Familie auf, der Stiefvater wirft ihm Beleidigungen an den Kopf und schlägt seine Frau, die als Stripperin arbeitet. Auch in der Schule wird Michael gehänselt und herumgeschubst - und weil er eine besondere Faszination für tote Tiere hat (die er allem Anschein nach auch selbst tötet), spricht der Kinderpsychologe Dr. Loomis auch prompt von Aggressionen, die auf tiefersitzende Probleme hindeuten. Aber trotz der gezeigten Situationen, die - wie viele Momente in Zombies Film - auf eine viel stärkere Ursache-und-Wirkung-Logik hinauslaufen als der Originalfilm, läßt Zombie der Figur noch genug Mysterium, um sie unerklärlich und abgründig zu belassen. Interessant ist dabei vor allem die psychologische Komponente von Myers' Maske: Das Kind sagt an einer Stelle, daß er mit der ständig aufgesetzten Maske seine "Häßlichkeit" verstecken kann; offenbar erinnert sich Michael auch nicht an die Bluttaten, die er mit aufgesetzter Maske begangen hat. Eine der traurigsten und erschreckendsten Szenen ist ein ganz kleiner Moment, wo Michaels Mutter den Jungen in der Klinik besucht und er sie fragt, ob es zuhause allen gut geht.


Der Part nach Michaels Flucht als Erwachsener setzt hier erst nach gut einer Stunde ein und hält sich dafür viel enger an Carpenters Vorlage. Weil Laurie Strode, im Original Sympathieträger und Hauptfigur, also ebenso wie ihre Freundinnen erst sehr spät auf der Leinwand erscheint, fällt sie unseren Sehgewohnheiten entsprechend auch mehr in die Kategorie "Opfer"; entsprechend modernen Genrekonventionen ist ihre Auseinandersetzung mit Michael ein Survival-Horror-artiger Kampf bis aufs üppigst sichtbare Blut - die brutale Körperlichkeit, mit der heutige Heroinen quasi ihr Alltags-Ich abstreifen müssen, um als blutverschmierte, gequälte Urinstiktwesen auferstehen zu können, wird im neuen HALLOWEEN ausgiebigst ausgekostet. Überhaupt setzt Zombie auf bluttriefenden Realismus: Die Morde sind hart und schmerzhaft, die Inszenierung erinnert an die entmystifizierten Terrorbilder, die Tobe Hooper und Wes Craven in THE TEXAS CHAIN SAW MASSACRE bzw. LAST HOUSE ON THE LEFT eingefangen haben.

Natürlich kann man, wenn man die Vorlage kennt, gar nicht anders, als beide Fassungen miteinander zu vergleichen. In einer solchen Gegenüberstellung muß ich festhalten, daß ich die sorgfältig komponierten Bilder und schleichenden Kamerafahrten des Originals dem expliziteren, hektischeren Effektsturm der Neuauflage vorziehe, und daß ich die Auslassung der Myerschen Hintergrundgeschichte spannender finde als ihre Befüllung. Trotzdem ist Zombies Version eine lohnenswerte Variante, die ihre eigenen Reize bietet. Und mit ein paar Abstrichen - nämlich den Segmenten, die sich allzu sehr am Original orientieren - hat Zombie auch exakt das gemacht, was ihm Carpenter geraten hat: Er hat seinen eigenen Michael-Myers-Film geschaffen. Zombies Welt wäre auch ohne das Auftauchen dieses Killers schon kaputt und trist genug.


Letztlich macht Zombie mit Carpenters Figur das, was mit all den fiktiven Figuren gemacht wird, die eine nachhaltige Resonanz für uns haben: Er erzählt mit heutigen Mitteln von ihr. Ich habe diese Woche gleich zweimal im Gespräch mit (räuper) noch jüngeren Menschen als mir festgestellt, daß die gar nicht wissen, daß Zombies Film ein Remake ist - und im Prinzip, sofern sie nicht filmgeschichtlich interessiert sind, müssen sie das auch gar nicht: Zombies Film ist im Vergleich zum Original quasi genauso, nur anders. HALLOWEEN ist eine Geschichte, die weitergereicht wird, und ich habe das Gefühl, daß Michael Myers noch viele Jahre lang immer wieder auftauchen wird - vielleicht so lange, wie Grausamkeiten auf der Welt geschehen, für die es keine Erklärung gibt.




Halloween (USA 2007)
Regie: Rob Zombie
Buch: Rob Zombie
Musik: Tyler Bates
Kamera: Phil Parmet
Darsteller: Malcolm McDowell, Scout Taylor-Compton, Brad Dourif, Tyler Mane, Danielle Harris, Daeg Faerch, Sheri Moon Zombie, William Forsythe, Richard Lynch, Udo Kier, Clint Howard, Danny Trejo, Tom Towles, Bill Moseley, Leslie Easterbrook, Dee Wallace, Ken Foree, Micky Dolenz, Sybil Danning, Sid Haig

Die über Amazon erhältliche BluRay enthält die Kinofassung des Films. Der indizierte Director's Cut ist z.B. über die OFDB erhältlich.

CITY HALL: Die Macht eines Handschlags

$
0
0

"Menschkeit": Dieser jiddische Begriff - eine Abwandlung des Wortes "Menschlichkeit" - taucht immer wieder in dem Politdrama CITY HALL auf. "Menschkeit" hat etwas mit Ehre zu tun, mit Charakterstärke - der "Mensch" im Jiddischen ist mit all den positiven Attributen versehen, nach denen wir streben (Spuren dieser Bedeutung zeigen sich in der geläufigen Negation "Unmensch"). Kurz gesagt: Wer "das Richtige" tut, zeigt "Menschkeit". Bürgermeister John Pappas definiert den Begriff im Film auf interessante Art und Weise: "The space between a handshake".

Pappas bemüht sich sehr, "richtig" zu handeln, und seine Händedruck ist etwas wert. Entsprechend verehrt wird er von seinem Stellvertreter, dem jungen Kevin Calhoun. Der ist mit immensem Idealismus aus Louisiana nach New York gekommen und arbeitet nun als Pappas' rechte Hand. Calhoun und Pappas verstehen, wie die große Politik funktioniert: Es ist ein Geben und Nehmen. Um seine Baupläne für ein neues Bankenzentrum in Brooklyn umzusetzen, das Arbeitsplätze schaffen und die Wirtschaft ankurbeln wird, schließt Pappas mit dem Lokalpolitiker Frank Anselmo ein Abkommen, daß er in absehbarer Zeit dessen Pläne für neue U-Bahn-Haltestellen befürworten werde - die werden nämlich den Baugrund erheblich aufwerten, an dem Anselmo finanzieller Teilhaber ist. Die Abmachung wird quasi per Händedruck während einer Musical-Aufführung getroffen - Pappas und Anselmo sind alte Freunde von früher.


Als bei einer Schießerei zwischen einem Undercover-Cop und einem Drogendealer auf offener Straße nicht nur Polizist und Gangster sterben, sondern auch ein sechsjähriger Junge, versucht Calhoun, mehr über die Hintergründe dieser Tragödie herauszufinden. Warum war der Cop ohne Partner unterwegs? Und warum befand sich der Dealer auf freiem Fuß, wo er doch zuvor schon mit einer langen Liste an Anklagepunkten vor Gericht stand? Im Zuge dieser Ermittlungen deckt Calhoun ein immer verzweigteres Netz an Vertuschungen auf - und allesamt sind es Handschlag-Abmachungen.

Es stellt sich also heraus, daß der Dealer ursprünglich 10 bis 20 Jahre Gefängnis hätte kriegen sollen - aber dann nur zu kurzer Bewährungsstrafe verurteilt wurde. Warum? Weil er der Neffe des Mafiabosses Paul Zapatti war. Und weil Zapatti seinen Namen aus den Zeitungen heraushalten will, bittet er einen alten Freund und Geschäftspartner, Geld im Anwesen des toten Polizisten zu verstecken - um die Medien auf die Bestechlichkeit der Polizei hinzulenken. Der Geschäftspartner, der Zapatti diesen Gefallen tut, ist Frank Anselmo.


Es sind lauter kleine Gefallen, aus denen sich diese Welt zusammensetzt, und sie ziehen weite Kreise. Irgendwann landet Calhoun bei dem alten Richter Walter Stern, der seinerzeit die Bewährungsstrafe als Urteilsspruch gab. Es war wahrscheinlich ebenso ein Gefallen per Handschlag, ein Entgegenkommen für ein anderes. Vielleicht war es der einzige Fehltritt im Leben eines sonst anständigen Mannes - vielleicht aber auch nicht. "You don't sum up a man's life in one moment", warnt Pappas seinen Stellvertreter vor einem allzu schnellen und harschen Urteil über Stern. "I've known Walter my whole life. God, the man is - he's a decent man, he's a good man."

Aber Pappas' Verteidigung ist reines Wunschdenken: Manche Fehlentscheidungen sind eben genau jene, nach denen das Leben eines Mannes definiert wird - wie bei Nixon und Watergate. "A man's life is not the bricks, it's the mortar", erklärt Pappas - also nicht die Einzelteile, sondern das, was alles zusammenhält. Man möchte ihm zustimmen, aber manchmal ist so ein Händedruck eben schlichtweg Korruption, und ein Freundschaftsdienst hat dann nichts mit Ehre und "Menschkeit" zu tun, sondern ist nur ein Tauschgeschäft. Vielleicht hat Stern selber einmal einen solchen Gefallen erhalten und mußte ihn so zurückzahlen.


"There's black, and there's white, and in between is mostly gray. That's us", sagt Pappas an anderer Stelle. "It's what we are." Im Prinzip stimmt das natürlich: Die Welt ist viel zu komplex, um sie in einfache Gut-Schlecht-Schemata einzuteilen. "Menschkeit" ist etwas, wonach man streben kann - aber kein Mensch ist perfekt. Dazu paßt auch das Kennedy-Zitat, das an einer Stelle des Films fällt: "An error doesn't have to become a mistake until you refuse to correct it."

Zum Schluß aber zeigt sich, daß Pappas all diese Belehrungen über Grauzonen als Rechtfertigung für sich selbst verinnerlicht hat: Calhoun kommt darauf, daß es Pappas selbst war, der Stern um die verminderte Strafe gebeten hatte - als Freundschaftsdienst für Anselmo, der seinerseits Zapatti einen Gefallen tat. Und wahrscheinlich hat sich keiner der Beteiligten wirklich viel dabei gedacht - nur daß sie diese Kette an Handschlagdeals nun mitverantwortlich am Tod eines Kindes gemacht hat. "But down deep you know there's a line you can't cross", erklärt Pappas seine Entscheidung, "and after a thousand trades and one deal too many, the line gets rubbed out". Wahrscheinlich bringt das die Crux der Politik auf den Punkt: Das Geben und Nehmen ist ein essentieller Bestandteil eines solchen Amtes, und irgendwann rechtfertigt man genau damit einen Handschlag, von dem man eigentlich weiß, daß man ihn nicht geben sollte.


Als Calhoun Pappas mit dem Ergebnis seiner Nachforschungen konfrontiert, sagt er ihm, daß sein Konzept von "Menschkeit" Schwachsinn ist - es geht dabei nur um Abmachungen in Hinterzimmern. Man merkt, daß Pappas eigentlich an seine Version geglaubt hat: Sein Konzept von Ehrenwort und Charakterstärke war eine perfekte Selbstlüge. Und auch wenn Calhoun in einem sozusagen ödipalen Vatermord seinen Mentor dazu bringt, zurückzutreten, bleibt eine Enttäuschung über das Ungeschehene bei ihm übrig:"The things you could have done". Daß Politiker offenbar nur etwas bewirken können, wenn sie durch solche Handschlagdeals ihre Macht erringen und erhalten, muß Calhoun im Epilog erfahren, der nur oberflächlich betrachtet als idealistisches Happy End an den Film geklebt wurde: Er tritt als unabhängiger Kandidat bei einer Wahl an und verliert gnadenlos.

Was bleibt also übrig von der "Menschkeit"? Nun, im Grunde genommen läge Pappas nicht so daneben: Ein Handschlag ist etwas wert, ebenso wie das Ehrenwort, und es ist gut und wichtig, sich anderen gegenüber mit Respekt und Loyalität zu verhalten. Das Problem entsteht dort, wo man das Konzept des "richtigen Handels" dorthin verschiebt, wo man es gerade braucht. Das "Richtige" ist eben oft etwas anderes als das "Einfache". Und im Sinne des obigen Kennedy-Zitates ist "Menschkeit" vielleicht nicht, das "Richtige" zu tun - sondern zu versuchen, Fehler nicht zu Fehltritten werden zu lassen. Es ist nicht der Raum zwischen einem Händedruck, sondern der Raum zwischen zwei Handlungen.




City Hall (USA 1996)
Regie: Harold Becker
Buch: Ken Lipper, Paul Schrader, Nicholas Pileggi & Bo Goldman
Kamera: Michael Seresin
Musik: Jerry Goldsmith
Darsteller: Al Pacino, John Cusack, Bridget Fonda, Danny Aiello, Martin Landau, David Paymer, Tony Franciosa, Richard Schiff, Nestor Serrano, John Slattery
FSK: 12

Promotion: Horror bei Watchever

$
0
0

Inhalt sponsored by Watchever

Halloween 2013 ist zwar schon vorbei, aber Horror hat ja zum Glück Ganzjahressaison. Der deutsche Streaming-Anbieter Watchever will mit seiner Aktion "Wir können auch böse" auf ein gewachsenes Angebot in den Genres Horror, Mystery und Thriller hinweisen (und nebenher darf man darüber sinnieren, ob das Hamburger-Hafen-Setting des dazugehörigen Werbevideos nicht vielleicht auch gleich für ein ganz ungruseliges Paket an Hans-Albers-Filmen zweitverwertet werden könnte). Im Angebot sehe ich feine Klassiker wie Kubricks THE SHINING und Cronenbergs THE DEAD ZONE, dazu natürlich diverse aktuellere Filme (z.B. SCREAM 4) und auch vielgelobte Serien wie THE WALKING DEAD. Watchever bietet ein monatliches Abo für 8,99 Euro an, das man auch vorab für 30 Tage kostenlos testen kann.

FAST & FURIOUS 5: Von erhöhtem Blechschaden und überschüssigem Testosteron

$
0
0

Der schönste Moment von FAST & FURIOUS 5 steckt im Abspann. Da wird mit fast rührender Besorgnis darauf hingewiesen, daß alle Autostunts des Films von Profis in kontrollierter Umgebung gemacht wurden, und daß diese Stunts gefährlich seien und man sie deswegen bitteschön nicht zuhause nachmachen soll. Auch wenn sich der berüchtigte Genzelsche Dickschädel intuitiv gegen solch autoritäre Unterlassungsgesuche sträubt, gebe ich dann doch klein bei und verzichte darauf, nächste Woche mit einem Auto aus einem fahrenden Zug zu springen und dann damit über eine Klippe zu rasen. Unsere Helden im Film machen das übrigens, um ihre Haut zu retten - man könnte ihnen kaum einen besseren Plan vorschlagen! - während der Zugführer sich brav in die jüngste Reihe dienstbeflissener Oberschaffner einreiht, die nicht einmal zerstörte Waggons oder Explosionen am Zug dazu bringen können, ihre Lok zu verlangsamen oder gar zu stoppen (siehe auch: SKYFALL und SHERLOCK HOLMES 2).

FAST & FURIOUS 5 ist das, was man erwartet - beziehungsweise, was man durch die vorangegangenen Teile zu erwarten konditioniert wurde: Er ist laut, er ist schnell, er ist hohl, und er bietet wahnwitzige Stunts mit Mengenrabatt. Sprich: Die Fortsetzung einer uramerikanischen Actionsaga. Vielleicht sollte an dieser Stelle zusammengefaßt werden, was in den vorigen vier Teilen geschah: Harte Jungs fuhren schnelle Autos. Dabei ging allerlei zu Bruch. Und weil es Dinge auf der Welt gibt, die noch nicht zu Bruch gegangen sind, knüpft Teil 5 nahtlos an die Vorgänger an.


Wir wollen es nicht verschweigen: FAST FIVE (wie der Film sich im Geschwindigkeitsrausch selber im Vorspann nennt) macht ebensoviel Spaß wie die anderen vier Teile. Plagen wir uns nicht mit den Gründen ab, warum Vin Diesel, Paul Walker und all die anderen paar Dutzend Nebenfiguren, die wir aus den vorigen Streifen kennen, hier wieder die Straßen unsicher machen müssen und nebenher einen Geldtresor mit genug Cash für eine halbe AVATAR-Fortsetzung klauen wollen - sie tun es eben, und dabei werden mehr Autos geschrottet als bei den BLUES BROTHERS.

Das Sammelsurium an Actiongestalten in FAST FIVE paßt sich der Absurdität der inhaltlichen Vorgänge an: Vin Diesel ist so cool, daß er kaum mehr reden kann; The Rock als neu hinzugekommene harte Sau hat einen Bizeps, gegen den die Köpfe der Nebendarsteller klein wirken; und Tyrese Gibson als dritter Glatzkopf im Bunde bestärkt die These, daß überschüssiges Testosteron zu verfrühtem Haarausfall führen kann. Weil der im dritten Teil eingeführte und auch gleich wieder dahingeschiedene Han sich als zu populär entpuppte, spielt Teil 5 ebenso wie Teil 4 kurzerhand vor Part 3. Fesche Frauen gibt es auch, und die fungieren hauptsächlich als ansehnlichere Männer, weil sie nicht weniger ihre Lässigkeit demonstrieren und ihre Fahrkünste einbringen können - für Sex hätte in dieser PS-fixierten Welt ohnehin keiner Zeit, und man hat das Gefühl, daß diesen Burschen und Mädels die Autos ohnehin größeres Bauchkribbeln bereiten. Immerhin darf Jordana Brewster auf der Flucht vor Polizei und Drogendealern ihrem hübschen Hapschi Paul Walker gestehen, daß sie schwanger ist - woraufhin Vin Diesel zu schön gezupfter Musik nachdenkliche Worte hervorpressen darf.

Gewissermaßen steht die FAST-Reihe ganz in der Tradition der altamerikanischen Schnellfahrfilme, die in den Siebziegern und Achtzigern suggerierten, daß sich so mancher US-Bürger in seinen Grundrechten beschnitten fühlte, wenn er nicht wie ein Wahnsinniger über den Highway rasen durfte. Der frühere Stuntman Hal Needham inszenierte eine Menge dieser Filme, und auch wenn sie komödiantischer und lockerer gehalten waren, ist der Weg von Needhams AUF DEM HIGHWAY IST DIE HÖLLE LOS hin zu THE FAST & THE FURIOUS gar nicht so weit: Geschwindigkeit, coole Autos, beeindruckende Stunts - und das Vergnügen am Adrenalin stellt gleichzeitig den Mittelfinger im Gesicht der Ordnungshüter dar.


So kann FAST FIVE erwartungsgemäß hauptsächlich mit den Stunts punkten. Das Finale, in dem Diesel und Walker mit zwei Autos einen mit Stahlseilen befestigten begehbaren Tresor quer durch die Stadt zerren, ist freilich ein Höhepunkt der Absurdität in einer an Absurditäten nicht gerade armen Filmreihe - aber was da an Actioninszenierung aufgefahren wird, verdient dennoch Respekt. Dutzende von Autos überschlagen sich, werden von Brücken geworfen, zerquetscht, halbiert, ineinander gefahren und anderweitig demoliert, und Regisseur Justin Lin - der auch schon die Teile 3 und 4 erfolgreich betreute - choreographiert diese Schrottarbeit mit nimmermüdem Einfallsreichtum und herzhafter Hingabe. Needham wäre begeistert.

Im Abspann steht übrigens auch, daß beim Dreh Methoden angewendet wurden, um den Kohlendioxid-Ausstoß zu reduzieren. Gott sei Dank! Da habe ich mir ja 130 Minuten lang völlig umsonst Sorgen um die Umwelt gemacht.




Fast & Furious 5 (USA 2011)
Regie: Justin Lin
Drehbuch: Chris Morgan
Kamera: Stephen F. Windon
Musik: Brian Tyler
Darsteller: Vin Diesel, Paul Walker, Jordana Brewster, Tyrese Gibson, Ludacris, Matt Schulze, Sung Kang, Gal Gadot, Joaquim de Almeida, Dwayne Johnson, Elsa Pataky

Ein ausgekochter STUNTMAN!: Anekdoten und Angebereien von Hal Needham

$
0
0

"A real man of action", sagt Arnold Schwarzenegger über Hal Needham - einst Hollywoods bestbezahlter Stuntman, der nach eigenen Angaben in seiner Karriere 56 Knochenbrüche überstanden hat. Meine Kindheit prägte Needham aber mit einem Film, den er selbst inszenierte: Er konnte 1977 vom Stuntkoordinator zum Regisseur aufsteigen und drehte das Burt-Reynolds-Vehikel EIN AUSGEKOCHTES SCHLITZOHR (im Original: SMOKEY AND THE BANDIT), dessen enormer Erfolg ihm eine zweite Karriere hinter der Kamera bescherte. Das SCHLITZOHR war geradezu maßgeschneidert für Achtjährige aller Altersstufen: Flotte Sprüche am laufenden Band, rasante Action mit schnellen Autos, aufregende Stunts, ein lässiger Schelm als Held, eine cholerische Comicfigur als Bösewicht und eine augenzwinkernd anarchische Grundhaltung. Es ist eben nichts schöner, als zusammen mit einem sympathischen Schlitzohr der aufgeblasenen Obrigkeit ein Schnippchen zu schlagen - und dabei unbekümmert ein paar Fahrzeuge und die Landschaft zu demolieren.

Auch Needhams anderer großer Hit paßt mühelos zu diesem Muster: AUF DEM HIGHWAY IST DIE HÖLLE LOS, im Original THE CANNONBALL RUN, schickte einmal mehr Burt Reynolds auf die Straße (Needham und Reynolds verband eine langjährige persönliche Freundschaft) - diesmal für ein illegales Autorennen quer durch die Staaten und mit einer ganzen Armee von anderen Stars im Gepäck: gewissermaßen EINE TOTAL, TOTAL VERRÜCKTE WELT für das Jahr 1980. Needham drehte auch die eher mißglückte Fortsetzung zum SCHLITZOHR, das hemmungslos alberne HIGHWAY-Sequel und die putzige Westernkomödie KAKTUS-JACK, in der ein junger Arnold Schwarzenegger quasi als Roadrunner auf der Flucht vor Kirk Douglas als Coyote ist. Needhams andere Filme - darunter HOOPER, STROKER ACE, MEGAFORCE, RAD und vier BANDIT-Fernsehfilme - habe ich nie gesehen, aber sie klingen, als würden sie zu den anderen Werken passen.

2011 veröffentlichte Needham seine Autobiographie STUNTMAN!, die den Untertitel "My Car-Crashing, Plane-Jumping, Bone-Breaking, Death-Defying Hollywood Life" trägt. Und ja, entsprechend dieser Betitelung bietet das Buch zahlreiche Anekdoten über Needhams Leben als Stuntman - er fing in den Fünfzigern an, arbeitete bei zahlreichen Fernsehshows, doubelte später John Wayne, dann Burt Reynolds, und koordinierte mit eigenem Team die Stunts bei Dutzenden von Filmen. Auch außerhalb seiner Hollywood-Tätigkeiten liebte Needham das aufregende Abenteuer: Er arbeitete an einem Raketenauto, mit dem er die Schallmauer brechen wollte, stellte ein eigenes NASCAR-Team auf die Beine, war der erste Mensch, der den Airbag testete, und gewann einen Oscar für die Entwicklung eines Kamerafahrzeugs, das bei Autoverfolgungsjagden eingesetzt werden konnte.

Das klingt nach einem spannenden Leben, und gewiß war es das für Needham auch. In Buchform allerdings ermüdet die Aneinanderreihung unzähliger Anekdoten eher: Nach einem kurzen Abriß über seine Kindheit - ein gelungener Einblick in das Leben zur Zeit der amerikanischen Depression - geht es los mit Geschichten über diesen Sturz und jenen Kampf, diesen Flug und jenes Gefährt, gebrochene Knochen, Beinahe-Unfälle, Klettern hier, Abspringen dort, Pferde und Pfeile, Fäuste und Fahrten, Action und Angebereien. Das ist manchmal amüsant und manchmal trivial, aber so oder so auf circa 200 Seiten gestreckt irgendwann nurmehr Variation und Wiederholung.

Es mag auch am Tonfall liegen, daß Needhams Stunt-Erzählungen nicht wahnsinnig involvieren: Einerseits will er gerne demonstrieren, was für ein kühner Haudegen er war - er spricht selten über Vorbereitungen oder Schutzmaßnahmen - und gibt gleichzeitig gerne eine Welle an, wie fantastisch seine Arbeit immer war: Er verbessert Szenen, bringt John Wayne den richtigen Fausthieb bei, beäugt kritisch die Arbeit der Pyrotechniker, und brüstet sich damit, an einem Drehtag an fünf verschiedenen Fernsehserien gearbeitet zu haben. Über Peter Bogdanovich berichtet er, er sei "the most arrogant know-it-all I have ever been with on a set" (Needham war Stuntkoordinator für Bogdanovichs NICKELODEON); von anderen Hollywood-Legenden wie John Wayne erzählt er vor allem gerne dann, wenn er sie mit seinem (unbestreitbar vorhandenen) Talent beeindrucken konnte.

"The stuntmen I have trained have all moved up the ladder to become great stuntmen, stunt coordinators, second-unit directors, and even directors. I believe I had the ability to get more out of a stuntman than anyone in the business - not because I would challenge them, but because they knew I wouldn't settle for second best."

Mitunter kann man auch gar nicht anders, als mit dem Kopf zu schütteln. Nachdem ein Autostunt mit Explosion völlig schiefgelaufen ist und Needham mit gebrochenem Rückgrat, sechs gebrochenen Rippen und verletzter Lunge ins Krankenhaus gebracht wird, kehrt er nach nicht einmal zwei Wochen wieder an ein Set zurück, um dort die Stunts zu überwachen. Die Selbstreflexion darüber fällt recht knapp aus: "On the flight home I thought, am I crazy or dedicated? One thing for sure, I never called in sick because I had a headache." Jaja, der Needham war eine harte Sau, und manchmal gibt es gar keine Trennlinie zwischen "harte Sau" und "dummer Hund".

Besonders enttäuschend wird das Buch, wenn Needham zu seinen eigenen Filmen kommt: Über die hat er offenbar nicht sehr viel zu erzählen. Er berichtet ein wenig darüber, wie EIN AUSGEKOCHTES SCHLITZOHR zustandegekommen ist, erzählt ein paar Anekdoten vom Dreh, und sinniert ein paar Absätze lang über die schlechten Kritiken, die seine (finanziell immens erfolgreichen) Filme stets bekamen. Gleiches macht er mit AUF DEM HIGHWAY IST DIE HÖLLE LOS, HIGHWAY 2 und HOOPER; zu KAKTUS JACK berichtet er hauptsächlich, daß er einen großen Fehler gemacht hat, als Arnold ihm das Skript zu CONAN zeigte und ihn als Regisseur dafür begeistern wollte - und Needham ihm aber sagte, daß er mit der Story nichts anfangen könne. Die anderen Filme werden nicht einmal namentlich erwähnt. Mag sein, daß es zum Beispiel zu den vier Fernseh-BANDITs nicht ausufernd viel zu plaudern gibt - aber daß ein Großteil der Filmographie einfach unter den Teppich gekehrt wird und auch nicht darüber gesprochen wird, warum er zum Beispiel den dritten SCHLITZOHR-Teil nicht inszeniert hat oder warum er letztlich in Ruhestand ging, hinterläßt doch ein bis drei Fragezeichen.

"I worked in the world of stunts from 1956 until I directed SMOKEY AND THE BANDIT. I've been thrown, run over, and busted up more times than I can count. Looking back, movies and I had a pretty volatile relationship, but there's nothing like working for weeks or months - even years - to get it done and do it right. The payoff is on the screen. Even today, with all the new technology used in movies and stunts, they still need people - real people - crashing cars, doing high falls, and generally getting it done with the same kind of adrenaline rush I've felt throughout my career, and my life."

Dieser Adrenalinstoß ist offenbar der rote Faden in Needhams Leben: Wenn es etwas Aufregendes oder Gefährliches zu tun gab, war er mit vollem Einsatz dabei. Es läßt sich aber auch noch ein anderes Schema erkennen: Wie im Danny-Wallace-Selbstversuch DER JA-SAGER hat er offenbar jeder Gelegenheit und jedem Angebot zugestimmt und dann geschaut, was da passieren würde. So hat sich sein Leben in Richtungen entwickelt und mit Tätigkeiten gefüllt, die er sich selbst wohl nie hätte träumen lassen. Bei aller Trivialität seiner Erzählungen - die Nachdenklichkeit ist eben nicht sein Ding - kann man also aus STUNTMAN! doch im Kern eine gesunde Lebenseinstellung herauslesen: Einfach machen, einfach leben, und einfach mal riskieren. Es muß ja dabei nicht wie bei Needham immer um Kopf und Kragen gehen. Das Leben kann damit enorm bereichert werden - und ob dabei hinterher ein profundes Buch herauskommt, ist gewissermaßen egal.



DIE MUSE - Ausschnitt online!


STAIND: TAINTED - Eine Dokumentation über gar nichts

$
0
0
 
Nehmen wir mal an, wir wollten eine Doku über eine Band machen - was brauchen wir dazu? Die Musik der Band, sehr gut. Die Band selber, auch nicht schlecht. Leute, die etwas mit der Band zu tun haben, fantastisch. Und möglichst viel Bildmaterial von der Band, alles klar. Und wenn uns das alles nicht zur Verfügung steht? Dann filmen wir einfach trotzdem drauf los und machen eine Doku wie STAIND: TAINTED, die uns lehrt, daß wir eigentlich unnötig kompliziert an die Sache herangegangen wären - man kann nämlich auch anderweitig 50 Minuten füllen.

Weil also die Macher der 2001 entstandenen Doku offenbar nicht bis zur Band selbst vordringen konnten und auch keine relevanten Produzenten, Manager oder sonstige Menschen aus der Staind-Entourage vor die Kamera zerren konnten, werden fast wahllos Leute abgefilmt, die sich halt irgendwie zu der Gruppe äußern können. Wenn man Glück hat, haben sie einen marginalen Bezug zu Staind - zum Beispiel der nachnamenlose Radio-DJ Quinn, der schon mal Lieder der Gruppe gespielt hat und den Burschen auch schon mal begegnet zu sein scheint. Aber weil soviel Expertentum ja auf Dauer anstrengt, kommen beispielsweise auch diverse Musiker aus Springfield zu Wort, der Heimatstadt von Staind, und einer von ihnen darf zu Protokoll geben, daß er das erste Mal von der Band gehört hat, als er dieses Video mit Aaron Lewis und Fred Durst auf MTV gesehen hat. Ein bißchen fühlt sich die Sache an wie eine Everest-Bergsteiger-Doku, die ohne Berge auskommen muß und nur Surfer im Interview hat. (Moment, das muß ich mir als Filmidee notieren.)

Quinn hat schon mal Songs von Staind im Radio gespielt und
scheint daher fast überqualifiziert für diese Doku zu sein.
Weil die Rechte an der Musik von Staind Geld kosten, haben die Filmemacher komplett darauf verzichtet, die in den Interviews erwähnten Songs anzuspielen - oder sonstwie klanglich ein Bild der Band zu vermitteln. Stattdessen läuft in Dauerrotation eine schwerst anonyme Gitarrenmucke im Hintergrund, die immer aus demselben Riff besteht, und wenn dieser Loop gerade mal Pause hat, hören wir stattdessen steifes Getucker aus dem Drumcomputer. Es beschleicht einen gelegentlich das Gefühl, die Doku sei das Werk eines verbitterten Avantgardisten, der so zum Ausdruck bringen möchte, daß diese ganzen neumodischen Bands ohnehin alle gleich klingen.

Aber sieht man denn gar nichts von Staind in der Doku? Von wegen! Irgendwo muß ein Umschlag mit Photos herumgelegen haben, von denen ausgiebigst Gebrauch gemacht wird: Ständig sind dieselben Bilder der einzelnen Bandmitglieder zu sehen, entweder als Porträt (im Falle von Aaron Lewis) oder als Proberaumschnappschüsse (im Falle der restlichen Band). Um auf knapp eine Stunde Laufzeit zu kommen, werden übrigens nicht nur diese mageren paar Bildchen immer wieder hervorgekramt - auch so mancher Interviewclip ist zweimal zu hören, zum Beispiel die Aussage eines Menschen, der Sean Astin recht ähnlich sieht, daß Staind zunächst eine Coverband waren und dann nach und nach eigenes Material in ihre Sets eingebaut haben.

"Ich habe unter einem Künstlernamen auch schon mal
in einer großen Tolkien-Verfilmung mitgespielt."

Es ist beinahe schon faszinierend, wie hier um ein völliges Vakuum herumgeredet wird: Weil weder Band noch Musik zugegen sind, kommt man sich vor, als würden die Menschen vom legendären Yeti sprechen - nur daß die Interviewpartner kaum etwas zum Sujet zu sagen haben. Da hockt eine Studiomanagerin im Bild und erklärt uns, daß Bands typischerweise 6-8 Wochen brauchen, um bei ihnen ein Album einzuspielen - warum das nun etwas mit unserer Phantomband zu tun hat, bleibt ungeklärt. Einen kurzen Moment lang glaubt man, im falschen Film gelandet zu sein, als plötzlich die Mama von Staind-Bassist Johnny April (!) zu Wort kommt, aber zum Glück hat sie in ihren 10 Sekunden Auftritt nichts Wichtiges zu sagen und fügt sich so nahtlos in das sonstige Geschehen ein. TAINTED ist wahrlich eine Doku über gar nichts.

Und natürlich hat mich dieses Filmchen nun angeregt, selber einmal ohne jeglichen Bezug zum Thema in irgendeiner Reportage sitzen zu wollen. Mag mich jemand zu den Themen Eisenbahngeschichte, Netzwerktechnik, Päpste im Wandel der Zeit, Bonbonfabrikation, chilenische Poesie, Quantenphysik oder dem Backkatalog von Karel Gott interviewen? Ich verspreche auch, mich vorher nicht heimlich zu informieren.



Mein Newsletter

$
0
0
Ab sofort gibt es einen Newsletter, mit dem ich alle Neuigkeiten rund um meine ganzen Projekte kundtue. Dazu zählen hauptsächlich meine Filme und meine Texte, aber gelegentlich auch Veranstaltungen und musikalische Unterfangen. Wer also mit formschönen eMails immer auf dem Laufenden bleiben will, kann sich hier flugs für den Newsletter registrieren und damit seine Mailbox verschönern.

(Der Newsletter kann natürlich jederzeit wieder abbestellt werden. Alle Eingaben außer der eMail-Adresse sind optional. Die Daten werden nicht an Dritte weitergegeben.)

Newsletter abonnieren

* indicates required
Email Format

Durch die Nacht mit PRINCESS WARRIOR

$
0
0

Es ist gut, wenn man Freunde hat, die einem neue Horizonte eröffnen. Letzten Freitag hätte ich wohl einen ganz schnöden Arthouse-Film gesehen, Truffaut vielleicht oder Fellini - wäre da nicht der junge Don Arrigone vorbeigekommen und hätte mich dazu überredet, stattdessen ein obskures Direct-to-Video-SciFi-Epos mit dem Titel PRINCESS WARRIOR zu begutachten. Spärlich bekleidete Frauen, Lichtschwerter, Neonfarben, ein Kampf auf Leben und Tod und ein Wet-T-Shirt-Contest - wer mich kennt, weiß, wieviel Zeit der junge Eleve aufwenden mußte, um mich für dieses Werk zu begeistern. (Hartnäckige Gerüchte besagen freilich, daß ich den Film für den besagten Filmabend vorgeschlagen hätte. Welch absurder Gedanke!)

PRINCESS WARRIOR dreht sich nicht um die gute Xena, sondern um die beiden Schwestern Ovule und Currette, die auf einem von diesen Planeten herumspazieren, auf dem die Frauen die Alleinherrschaft haben und deshalb in knappsten Outfits durch schwarz ausgehangene Räume spazieren. Schon zu Beginn wird es traurig: Die Mama der beiden, immerhin Königin des Low-Budget-Reichs, hat sich schon auf einer Liege drapiert, weil sie gleich den letzten Schnaufer von sich geben wird. Eigentlich wäre Currette als ältere der beiden Schwestern die Nachfolgerin, aber weil die immer so misanthrop in die Gegend guckt und so wenig Frohsinn versprüht, entscheidet sich Mama für die blonde Ovule. Nur wenige Sekunden nach der Übergabe des königlichen (königinnenlichen?) Rings scheidet die Mama auch schon aus der Handlung aus und muß sich den Rest nicht mehr mitansehen.

"Ich komme aus der Zukunft und muß alle Prequels verhindern!"

Currette ist ein wenig verstimmt über die Wahl und greift Currette gleich zusammen mit ein paar Handlangerinnen an. Im folgenden Lichtschwertkampf fallen gleich mehrere Details auf: a) Ich meine, so eine Herumwedelei mit leuchtenden Lichtschwertern schon mal in einem anderen erfolgreichen Film gesehen zu haben. b) Beim Leuchteffekt für die Lichtschwerter muß irgendetwas schiefgelaufen sein, weil am linken Bildschirmrand auch immer ein neonfarbener Streifen entlang der Bildkante zu sehen ist. c) Diese Lichtschwerter können kleine Kügelchen in die Gegend ballern, mit denen Gegner sofort pulverisiert werden. Weil das aber wohl unsportlich ist, wird größtenteils darauf verzichtet.

Ovule kann fliehen und kommt in eine Transporterkammer, wo sie sich in Sicherheit beamen läßt. Hier kommt nun der Teil des Films, bei dem dem Drehbuchautor höchster Respekt gezollt werden muß: Ganz in der Tradition des TERMINATORS kann der Transporter keine Kleidung teleportieren, sondern nur organisches Material. Sprich: Ovule muß sich ausziehen. Und wohin wird sie geschickt? Na, nach Los Angeles in ein Lokal, wo gerade ein Wet-T-Shirt-Wettbewerb stattfindet. Oh ja, der Autor weiß, was er tut: Wenn Ovule stattdessen in einen Badesee oder in eine Publizistikvorlesung geploppt wäre, wäre sie nämlich überhaupt niemandem aufgefallen.

"Was soll das heißen, es gibt keine Seife mehr?"

Ovule kann sich flugs mit einem herumliegenden Shirt ausrüsten (und trägt ab sofort auch wieder Schuhe) und gewinnt im Nu den Wettbewerb. Wenn ich "im Nu" sage, bedeutet das natürlich, daß man sich vorher minutenlang drei herumtanzende Mädels bei der Veranstaltung ansehen darf, die beständig von einem Herren mit einer Sprühflasche bespritzt werden. Die Shirts sind allesamt aus viel zu dickem Material, als daß man wirklich Freude an diesem traditionsreichen Gemeinderitual haben könnte, aber das stört die Filmemacher keinesfalls: Je länger man nämlich dieselben drei Mädels zeigen kann, desto eher kommt man auf Spielfilmlänge.

Curette und zwei ihrer Helferinnen landen nun ebenfalls im Lokal, aber nicht, ohne vorher noch nackt im Teleporter ausführlich über das weitere Vorgehen diskutiert zu haben. Ovule ist aber schon weg: Sie spaziert nur mit Shirt bekleidet durch L.A., während der DJ des Lokals, ein Vollhorst namens Bob, ihr auf dem Motorrad folgt und ein wenig Süßholz raspelt. Im Laufe des Films werden sie mehrfach exakt diese Straße besuchen und immer wieder vor demselben Laden stehen. Bob wird dabei stets das Gesicht verziehen und sich beim Reden weit nach vorne beugen, als wäre er entweder sehr aufdringlich oder als hätte er ein lästiges Rückenleiden.

"Hey du, ist das auch dein erster Film?"

Schon bald tritt auch die Polizei auf den Plan - beziehungsweise das, was uns die Filmemacher dafür verkaufen wollen. Weil Curette & Co. nämlich ein paar Kerle im Laden verprügelt haben, um deren Klamotten stehlen zu können (hochmodische Spandex-Bodysuits!), tauchen ein alter schwarzer Mann mit Rentnerhut sowie ein Macho-Typ mit Lederjacke auf, die als Polizisten ungefähr so überzeugend sind wie Bruce Lee als Indianerhäuptling. Sie nehmen die Verfolgung auf (in einem Auto, das auch mit aufgeklebtem roten Licht keinen Deut mehr nach Polizeifahrzeug aussieht) und landen bei Bob, der sich mittlerweile schon erfolgreich an Ovule heranmacht (obwohl er ihr vor ein paar Minuten noch erklärt hat, daß er sie nicht anfassen wird, wenn sie mit zu ihm nach Hause kommt).

Curette und ihre Mädels sind auch schon dort, und jetzt machen wir's schelmischerweise kurz, wo es der Film lang macht: Ab sofort verfolgen sich nämlich die diversen Parteien durch die Gegend. Und das machen sie sehr langsam. Gemächlich. Geradezu transzendent im ewigwährenden Moment treibend. Bob und Ovule kommen auch prompt wieder an demselben Straßeneck und demselben Laden wie vorher vorbei, die Polizei kommt hinterher, und so geht's munter weiter in der wohl längsten und trübsten Verfolgungsjagd der Filmgeschichte. Zum Glück ist aber Los Angeles nicht groß: Obwohl sich Verfolger und Verfolgte permanent verlieren, finden sie nur wenige langsame Augenblicke später wieder zueinander, und das Gondeln durch die Nacht kann weitergehen. Wir lernen: Wenn Menschen durch die Finsternis fahren und wenig drumherum geschieht, kommt manchmal DRIVE dabei heraus und manchmal PRINCESS WARRIOR.

"Nächstes Mal drehe ich wieder mit Mel Gibson."

Irgendwann sind sie alle bei einer Fabrikhalle: Bob und Ovule, die zu Nebenscheinwerfer und softer Beleuchtung ein Schäferstündchen einlegen, bevor die anderen ankommen; die Polizisten, die gegen einen Sandhaufen fahren und dabei das Bewußtsein verlieren; Curvette und ihre Gang, die auf dem Rücksitz des "Polizeiautos" mit Handschellen gefesselt herumsitzen und dann endlich, nachdem der Wagen gegen den Sand geprallt ist, freikommen und unsere Helden weiterverfolgen können. Und zwischendurch wird immer mal wieder auf den Heimatplaneten zurückgeschnitten, wo einige Hohepriesterinnen herumsitzen und meditieren. Ach, man zittert ja regelrecht vor soviel Aufregung.

Und das Finale erzähle ich jetzt nicht mehr. Ätsch. Aber so viel sei verraten: Es wird zu Ende meditiert.




Princess Warrior (USA 1989)
Regie: Lindsay Norgard
Buch: John Riley
Produzent: Philip J. Jones
Musik: Marc David Decker
Darsteller: Sharon Lee Jones, Dana Fredsti, Mark Pacific, "Tony Riccardi" (= Mark Riccardi), Augie Blunt, Lauri Warren, "Isibella Peralta" (= Christina Lucia Peralta-Ramos), Diana Karanikas

DIE MUSE - Behind-the-Scenes-Clip online!

$
0
0
Hier ist ein kleiner Behind-the-Scenes-Clip, den unser Tonmann Claus Zingler Ende 2010 bei den Nachsynchronisations-Arbeiten zu meinem Film DIE MUSE erstellt hat. Die Bildqualität ist dank kleiner Kamera eher mittelsuper, aber der Clip gibt dennoch einen netten Eindruck von der Fertigstellung des Films. Aber Vorsicht: Wer keine Spoiler zur Handlung hören will, schaut besser nicht rein ...


Die Muse - Making of: Nachsynchro from Christian Genzel on Vimeo.

Gastbeitrag: PRINCESS WARRIOR - Schlecht oder schlimmer?

$
0
0

Und nochmal PRINCESS WARRIOR: Auch der junge Don Arrigone möchte über dieses Billigstepos berichten, das wir kürzlich begutachten durften. Mein eigener Text findet sich hier. Ich übergebe das Wort an den Don:



Unlängst habe ich mit Herrn Genzel diskutiert, welches denn der schlechteste Film sei, den wir bisher gesehen haben. Dabei kamen wir bald darauf zu sprechen, wie schwer es ist, "schlecht" zu definieren, und daß es sich um einen subjektiven Eindruck handelt, auch wenn man konkrete Fehler benennen kann. Einig waren wir uns nur, daß es besonders problematisch ist, wenn schlicht und ergreifend nichts passiert. Auslöser der Diskussion war übrigens PRINCESS WARRIOR von 1989, den man gleich als Beweis für diese These anführen kann.

Gleich zu Beginn des Filmes lernen wir, daß Frauen nicht von der Venus stammen, sondern vom Planeten Vulkaria, wo sie eine matriarchale Herrschaft errichtet haben, in der Männer nur noch als Konkubinen dienen. Herrscherin ist die alte Königin Mutter, die allerdings im Sterben liegt und ihre beiden Töchter zu sich rufen läßt. Dabei handelt es sich um die gute Ovule (wir wissen, daß sie gut ist, da sie blond ist und weiße Kleidung trägt) und die böse Curette (schwarz gekleidet und zuviel Make-up, somit eindeutig böse). Ovule wird zur neuen Königin ernannt, und dementsprechend sauer ist Curette. Da Tribadie auf Vulkaria (leider) keine anerkannte Form der Konfliktlösung ist, metzeln Curette und ihre Lakaiinnen kurzerhand die Anhängerinnen ihrer Schwester nieder; nur der Blondschopf kann mit einem Transporter zur Erde fliehen. Curette schnappt sich zwei getreue Dienerinnen, Exzema und Bulemia (sich über diese Namen lustig zu machen, ist selbst mir zu einfach), und folgt ihr. Erwähnt sei noch, dass sich sämtliche Damen entkleiden müssen, bevor sie den Teleporter benutzen, da dieser keine unbelebte Materie durch den Raum senden kann und der Film eindeutig mehr Brüste brauchte.


Als wäre dies noch nicht genug, landen die jungen Frauen auf der Erde mitten in einem Wet-T-Shirt-Contest, der rund 20 Minuten dauert und dank extrem dicker Baumwoll-Shirts auch denkbar unspektakulär ausfällt – daß die Filmemacher selbst am T-Shirt-Kauf scheiterten, sollte zu denken geben. Ovule verlässt den Nachtclub, gefolgt von Bob dem DJ, der offensichtlich ein Auge auf die hübsche Blondine geworfen hat – und übrigens der einzig wirklich bemühte Schauspieler ist, wobei sein Engagement sich in wildem Gestikulieren äußert. Curette und ihre Gefährtinnen gehen etwas brachialer vor, verprügeln die anwesenden Herren und klauen ihnen ihre Klamotten – Stiefel und Motorräder waren leider nicht im Angebot.

Zum ersten offenen Konflikt zwischen den beiden Parteien kommt es in Bobs Haus, wo Curette ihn mit einem heißen Löffel foltern will – Darstellerin Dana Fredsti wurde noch Jahre später auf Parties dafür ausgelacht. Glücklicherweise kommen zufällig zwei Polizisten des Weges, die nur als solche zu erkennen sind, da sie entweder von Donuts schwärmen oder über Papierkram fluchen. Besagte Gesetzeshüter wollen alle Anwesenden verhaften, scheitern aber an ihrer eigenen Unfähigkeit. Und damit beginnt nun die wohl längste Verfolgungsjagd der Filmgeschichte, die rund die Hälfte des Films in Anspruch nimmt (immerhin 40 Minuten).


Von der Polizei oder der bösen Curette verfolgt, fahren Bob und Ovule nämlich nun endlos durch die Nacht, ohne wirkliches Ziel und ohne wirkliche Spannung fahren sie einfach durch die leeren Straßen von L.A., wobei sich die Aufnahmen und Straßen frappierend ähneln – was soll auch passieren, wenn man einfach durch die Nacht fährt, denn was bei anderen Regisseuren Anstoß für philosophische Überlegungen darstellt, ist hier reiner Selbstzweck, um die 80 Minuten Laufzeit zu füllen – und die Verfolgungsjagd endet nur, um dann unter anderem Vorwand wieder neu zu beginnen, zieht sich einfach endlos hin, denn wie soll in leeren Straßen und Fahrten im Schritttempo auch Spannung aufkommen … Heiterkeit stellt sich nur ein, als Ovule einmal fragt, ob man nicht schon einmal an dieser Straße vorbeigekommen sei – nur 5 oder 6 Mal, antwortet der aufmerksame Zuschauer, der den gefühlt einzigen Schauplatz des Films sofort wiedererkennt.

Schließlich kommt es in einem alten Steinbruch zum großen Finale. Bob und Ovule schlafen endlich miteinander, wobei der Koitus in der mysteriösen Softsex-Dimension stattfindet, in der es bekanntlich nur spärliche Beleuchtung und weißen Nebel im Hintergrund gibt. Dann prügelt sich Ovule endlich mit Curette, wobei der Abspann verrät, daß Fredsti für die Choreographie der Kampfszenen verantwortlich war – eine wertvolle Information, aus dem Film selbst geht es nämlich nicht hervor, daß es eine Choreographie gab (dasselbe lässt sich allerdings auch über das Drehbuch an sich sagen).


Natürlich obsiegt das Gute, und Ovule nimmt Bob mit sich auf den Planeten Vulkaria, auf dem sie sofort die Gleichberechtigung der Männer sicherstellt und somit die jahrhundertelange Arbeit unzähliger Feministinnen innerhalb von Sekunden in den Sand setzt. Simone de Beauvoir würde sich im Grab umdrehen.

Die eigentliche Handlung nimmt also rund 10 Minuten in Anspruch, das Finale ungefähr ebenso viel. Dazu kommen über 20 Minuten Wet-T-Shirt-Contest und die 40-minütige Verfolgungsjagd – es läßt sich also sagen, daß in diesem Film so gut wie gar nichts passiert, und daß Regisseur Lindsay Norgard wohl sogar L'ARRIVÉE D'UN TRAIN EN GARE DE LA CIOTAT auf Spielfilmlänge gebracht hätte. Sämtliche anderen Fehler – das grottige Schauspiel, die absurden Dialoge, die Requisiten aus dem 1-Euro-Shop – verblassen angesichts der enormen Langeweile. Am schlimmsten ist es nun einmal doch, wenn rein gar nichts passiert. Quod erat demonstrandum.



Princess Warrior (USA 1989)
Regie: Lindsay Norgard
Buch: John Riley
Produzent: Philip J. Jones
Musik: Marc David Decker
Darsteller: Sharon Lee Jones, Dana Fredsti, Mark Pacific, "Tony Riccardi" (= Mark Riccardi), Augie Blunt, Lauri Warren, "Isibella Peralta" (= Christina Lucia Peralta-Ramos), Diana Karanikas

SILVER LININGS - Von der Strategie, mit sich selber umzugehen

$
0
0

Nach acht Monaten Psychiatrie kommt Patrick wieder nach Hause. Er hatte seine Frau mit einem anderen Mann erwischt und diesen krankenhausreif geschlagen. Dann wurde festgestellt, daß er an einer zuvor nicht diagnostizierten bipolaren Störung leidet, weshalb man ihn in eine Nervenheilanstalt gebracht hat. Für Patrick liegt das alles nun entschieden hinter ihm: Mit ungebrochenem Optimismus will er sein altes Leben wieder aufnehmen und seine Frau zurückgewinnen - ein richterlicher Bescheid, daß er sich weder ihr noch ihrem alten Haus noch der Schule, wo sie arbeitet, nähern darf, stellt für ihn dabei nur ein temporäres Hindernis dar. Er muß nur der Welt zeigen, daß es ihm jetzt wieder gut geht.

Das ist natürlich keinesfalls so leicht, wie es sich anhört - zumal Patricks felsenfeste Überzeugung, seine Ehe retten und einfach am Punkt von vor knapp einem Jahr weitermachen zu können, schon davon zeugt, daß er bei weitem nicht so gesund ist, wie er denkt. In der Tat kämpft Patrick schwer mit sich: Wenn er den Stevie-Wonder-Song "My Cherie Amour" hört, kriegt er Panikzustände - das Lied lief, als er seine Frau beim Fremdgehen erwischt hat und seine Wutexplosion hatte. (Bezeichnenderweise ist der Text des Songs wie ein altes Minnelied, in dem der Sänger darum bittet, von der Frau endlich erhört zu werden: "Won't you tell me how could you ignore / That behind that little smile I wore / How I wish that you were mine".) Manchmal, wenn er sich aufregt, stürmen Bilder auf ihn ein von dem, was passiert ist, was seine Aggression nur noch steigert. Und auch im ganz alltäglichen Umgang mit Menschen kann er persönliche Grenzen nicht ganz einschätzen - weswegen sein Umfeld auch nicht unbedingt erfreut ist, ihn zu sehen, und im Zweifelsfall auch schon mal die Polizei ruft.


Bei einem Abendessen bei seinem besten Freund Ronnie und dessen Frau Veronica lernt Patrick die junge Tiffany kennen, Veronicas Schwester, deren Mann Tommy bei einem Unfall gestorben ist. Tiffany gibt sich tough und schroff, aber in Wahrheit blockt sie damit nur den Schmerz und die Leere in sich ab: Nach dem Tode ihres Mannes stieg sie wahllos mit Männern ins Bett und verlor darüber sogar ihren Job. Das Abendessen bei Ronnie und Veronica steht sie nicht mal bis zum Nachtisch durch, weil sie die (vermeintlich) heile Welt ihrer Schwester nicht aushält.

Da treffen also zwei Menschen zusammen, die mit sich und der Welt kämpfen, die beide ein Trauma zu überwinden haben, und die doch ganz unterschiedlich damit umgehen: Patricks Motto ist das Wort "Excelsior", der Komparativ vom lateinischen "excelsus" - erhaben, ausgezeichnet. Er ist optimistisch und glaubt daran, daß er sich seine Chancen erarbeiten kann: "You have to do everything you can, you have to work your hardest, and if you do, you have a shot at a silver lining." Sie dagegen spielt alle Bedeutung im Leben herab und glaubt nicht an den Silberstreif am Horizont: "Humanity is just nasty and there's no silver lining." Es wären beides ganz gewöhnliche Sichtweisen auf die Welt, wenn sie sich nicht so mit aller Macht daran klammern müßten, um mit ihr überhaupt fertig zu werden.


Es ist bemerkenswert genug, daß ein Film psychische Probleme so greifbar und nachvollziehbar erzählt. Noch bemerkenswerter ist die Tatsache, daß SILVER LININGS im Grunde genommen eine Liebesgeschichte ist, die mit menschlichem Optimismus an das Thema herangeht - ohne dabei Patricks Krankheit oder Tiffanys Trauma zu verharmlosen oder herunterzuspielen. Es gibt zahlreiche Szenen, deren emotionale Intensität wirklich an die Nieren geht, und der tiefverwurzelte Schmerz der beiden Figuren wirkt nachhaltig. Und doch blickt Regisseur David O. Russell liebevoll auf seine Charaktere: Es geht ihm nicht um das emotionale Elend, sondern um den Heilungsprozeß. Daß er dafür mit Bradley Cooper und Jennifer Lawrence zwei Darsteller hat, die so viel von sich zeigen können und ihre Figuren mit so nahegehender Wahrhaftigkeit spielen, macht den Film nur umso packender.

Am bemerkenswertesten aber ist die Tatsache, daß es in SILVER LININGS eigentlich gar nicht zwangsläufig um psychische Probleme geht: Es geht darum, wie schlimme Dinge im Leben passieren können und wie Menschen damit fertigwerden. Es geht darum, wie man mit sich selbst klarkommen kann, auch wenn dieses Selbst Seiten hat, mit denen man kämpft. Tiffany hat das bei allem Zynismus gelernt: "There will always be a part of me that is dirty and sloppy, but I like that, just like all the other parts of myself. I can forgive."


Im Original heißt der Film SILVER LININGS PLAYBOOK, und dieses "Playbook" bezeichnet im Sport eine Liste an Strategien, die man im Spiel einsetzen kann. "You have to have a strategy", wird Patrick auch von seinem Therapeuten eingebleut. Und das ist ein guter Rat, egal, mit welchen Schwierigkeiten man kämpft: Wir brauchen alle eine Strategie, um mit den schlechten Seiten des Lebens umzugehen, und meistens haben wir - ohne es zu wissen - schon eine, die nicht wahnsinnig gut funktioniert.

Mir spukt schon seit Jahren ein Satz im Kopf herum, der ausgerechnet in der an Tiefgang nicht gerade reichen TV-Serie SEX AND THE CITY geäußert wurde. Da spielt Gaststar David Duchovny den ehemaligen Highschool-Schwarm von Carrie und erläutert, warum er Patient in einer psychiatrischen Klinik ist: "[I'm] trying to figure out why some things seem to be harder for me than they are for other people". Nicht nur Patrick und Tiffany müssen sich derselben Frage stellen - wir alle kommen irgendwo in Situationen, wo wir so mit uns hadern. Es ist schwierig, gute Wege zu finden, mit diesen Problemen umzugehen - aber SILVER LININGS zeigt, was ich selber auch glaube: Es gibt den Silberstreif, ob wir daran glauben oder nicht.




Silver Linings (USA 2012)
Originaltitel: Silver Linings Playbook
Regie: David O. Russell
Buch: David O. Russell, nach dem Roman von Matthew Quick
Kamera: Masanobu Takayanagi
Musik: Danny Elfman
Darsteller: Bradley Cooper, Jennifer Lawrence, Robert De Niro, Jacki Weaver, Chris Tucker, Anupam Kher, John Ortiz, Julia Stiles, Shea Whigham, Dash Mihok, Brea Bee

ALIENKILLER - Von der Strafe, Mensch zu sein

$
0
0

Schon Sartre wußte es: "Die Hölle, das sind die anderen." Die Menschheit bereitet sich die Hölle selber zu. Und deshalb gibt es wohl keine grausamere Strafe als die, die zu Beginn von John McNaughtons THE BORROWER einem außerirdischen Mörder widerfährt: Er wird dazu verurteilt, in Menschenform auf die Erde verbannt zu werden. Bei solch drastischem Strafmaß erscheint sein weiteres Dilemma beinahe nebensächlich: Weil ihm mitunter der Kopf abhanden kommt, muß er sich regelmäßig einen neuen "ausleihen". Und so darf die Polizei von Chicago einen Serienmörder jagen, der an jedem Tatort den Kopf des vorigen Opfers deponiert ...

ALIENKILLER - so der sagenhaft austauschbare "deutsche" Titel - könnte ein Film von Tobe Hooper sein, der seine Geschichten ja gerne als "Horror-Comics" bezeichnet und damit eine Art von Ästhetik meint, die Genre-Phantastik, EC-Comic, derben Splatter, schwarzen Humor und eine generell recht bizarre Blickweise auf die Welt verknüpft. Tatsächlich ist der Streifen aber von John McNaughton, dem Regisseur des Kult-Undergroundfilms HENRY: PORTRAIT OF A SERIAL KILLER - und wo er sich dort traute, fast urteilslos in die Köpfe von zwei sehr kranken Verbrechern hineinzublicken, macht er sich in seinem zweiten Film eher den Spaß, einfach mal ganz bildlich gesprochen die Köpfe zu wechseln. Auch damit erinnert er an Tobe Hooper, der nach einem düster-brillanten Erstlingswerk ein eher leichtfüßiges und doch tiefschwarzes Kuriositätenkabinett folgen ließ.


Die Welt, die uns McNaughton zeigt, ist jedenfalls keine einladende - tatsächlich wäre sie auch ohne die Ankunft eines gewalttätigen Außerirdischen schon trüb genug. In THE BORROWER treibt sich nämlich auch ein brutaler Vergewaltiger herum, den die Polizei ebenso jagt wie das Alien - und natürlich werden sich die beiden Handlungsstränge zum Schluß kreuzen. Aber auch unabhängig davon blickt McNaughton auf einen Moloch - zum Beispiel in einer langen Sequenz, in der unser Alien erst von einem Obdachlosen unter die Fittiche genommen wird und später selber dessen Identität annimmt.

Wie die besten Exploitationfilme erlaubt somit auch THE BORROWER einen zynischen Kommentar zu sozialen Realitäten, die anderswo in Hollywood entweder ignoriert oder romantisiert werden. Wenn der Außerirdische mit klaffender Wunde am Hals und blutverschmiertem Hemd mitten durch die Straßen von Chicago spaziert, dreht sich kaum jemand nach ihm um. Später sitzt er in einem Diner, wo im Hintergrund ein Feuergefecht zwischen Besitzern und Räubern zu einem Blutbad führt. Überhaupt, die Waffen: Schon zu Beginn sitzen zwei Hinterwäldler im Wald und schießen mit großkalibrigem Gewehr und Schalldämpfer auf Rehe. Später können sich die Mitglieder einer jungen Heavy-Metal-Band gegen das Alien wehren, weil an der Wand des elterlichen Hauses diverse Gewehre dekorativ plaziert sind.


Und ja, der Film genießt seine Absurdität und zeichnet seine Geschichte mit schrägem Humor. Alleine die ständigen Bemühungen des Aliens, Gesten und Äußerungen der Menschen zu imitieren, die es trifft, sind geradezu drollig. Schon recht früh wird dem Außerirdischen von einer Autofahrerin (die ihn versehentlich überfährt und ihn dann gemütlich beim Krankenhaus absetzt - ohne mit reinzukommen, wegen der Versicherung, Sie verstehen?) eine putzige Sonnenbrille verpaßt, die ihn nur umso bizarrer aussehen läßt. Daß der Film durchweg billig gehalten ist und der Außerirdische mit dem Kopf auch gleich die Hautfarbe ändert (weil die Figur dann ganz einfach von dem jeweils anderen Schauspieler weitergespielt wird), gehört da eigentlich schon zum Charme des Prozederes - Groschenhefte gehören eben nicht in einen Ledereinband.

Zum Schluß darf unser tragisches Monster sogar mit einem Hundekopf durch die Gegend laufen - Mensch, Tier, ist doch eins. Und dann wird einem irgendwann klar, daß der wirklich harte Teil seiner Strafe nicht der ist, daß er Mensch sein muß - sondern daß er gewissermaßen jeder Mensch sein muß. Wenn die Hölle die anderen sind, dann durchlebt dieser Außerirdische das volle Ausmaß davon. Er kann einem fast leid tun.







Alienkiller (USA 1989/91)
Originaltitel: The Borrower

Regie: John McNaughton
Buch: Mason Nage, Richard Fire
Kamera: Julio Macat, Robert C. New
Musik: Robert McNaughton, Ken Hale, Steven A. Jones
Darsteller: Rae Dawn Chong, Don Gordon, Tom Towles, Antonio Fargas, Neil Giuntoli, Pam Gordon, Mädchen Amick

FIRE SYNDROME - Hoopers hysterische Welt

$
0
0

Eines muß man Tobe Hooper ja lassen: Er scheut nie davor zurück, seine Grusel-Geschichten irgendwann in die Hysterie zu führen. Das ist insofern bemerkenswert, weil er damit das sichere Gelände verläßt: Wenn es funktioniert, nimmt er seine Zuseher damit auf eine intensive Achterbahnfahrt - wenn nicht, droht der Effekt ins Lächerliche umzukippen. In seinem ersten Film BLUTGERICHT IN TEXAS führte er uns schnurstracks in den grellen Wahnsinn; auch in POLTERGEIST geht der Ansatz auf, den Zuseher irgendwann nur noch unnachgiebig zu bombardieren. Aber auch wenn Hoopers sonstige Werke selten so stimmig sind und ihm deshalb auch gerne mal jegliches erzählerische Talent aberkannt wird: Ich behaupte, diese fiebrige Aufregung ist essentieller Teil von Hoopers bizarren Welten, die quasi als Zerrspiegel fungieren - egal, ob wir emotional mitgerissen werden oder nicht.

Wie so viele von Hoopers Filmen zeichnet auch sein 1989 gedrehter SPONTANEOUS COMBUSTION zumindest anfänglich ein hübsch perverses Amerikabild: Da wird das jung und naiv wirkende Ehepaar Bell als "first nuclear family" eingeführt, weil die beiden Patrioten sich Mitte der Fünfziger zu den in Nevada durchgeführten Atombombentests in den Bunker einsperren lassen und dort einen Impfstoff testen, der sie gegen die Radioaktivität schützen soll. Neun Monate später zeigen die beiden keinerlei Strahlungsbeeinträchtigung, aber dafür kommt ihr Sohn David zur Welt - am 6. August, was einen hochrangigen General geradezu begeistert, weil der Geburtstag damit auf das 10jährige Jubiläum der Hiroshima-Atombombe fällt. Leider kommen die stolzen Eltern kurz nach der Geburt aufgrund eines bizarren Falles von spontaner menschlicher Selbstentzündung ums Leben.


In der filmischen Jetztzeit - sprich: 1989, also 34 Jahre später - lernen wir nun Sam (Brad Dourif) kennen, von dem wir natürlich schon ahnen, daß er David sein muß, bevor ihm kleine Flammen aus der Fingerspitze schießen. Sam findet die Wahrheit über seine Herkunft und seine Eltern erst nach und nach heraus - und natürlich bleibt es nicht bei vernachlässigbaren Zündeleien: Schon bald lodern Sam die Hände und Arme, während um ihn herum Menschen den Feuertod sterben.

Schon angesichts des Titels wissen wir, daß hier einiges an Pyrotechnik zu erwarten ist - die sich nebenher noch mit schmerzhaften Wunden und (aus welchem Grund auch immer) leuchtender Elektrizität verbindet. Der üppigste Spezialeffekt des Films ist allerdings Hauptdarsteller Brad Dourif, der schon in den alltäglichen Expositionsszenen völlig entrückt wirkt. Ab der zweiten Filmhälfte zischt er und schreit, spuckt und humpelt, dampft und gestikuliert, knirscht mit den Zähnen, keucht, schnauft, zittert, schwitzt, wird von der Maske immer weiter verunstaltet und starrt in jeder Sekunde grenzwertig wahnsinnig auf sein Umfeld. Ein bißchen wirkt es, als hätten Dourif und Hooper eine Wette laufen gehabt: Wer als ersten den anderen auszubremsen versucht, verliert.


Aber natürlich gehört es zur angesprochenen Hooperschen Hysterie, wie sich Dourif hier die Seele aus dem Leib spielt. Es ist nicht so, als würde das Geschehen wahnsinnig viel Sinn ergeben, aber das muß es auch nicht: FIRE SYNDROME (ja, wie jedes vernünftige B-Movie der Achtziger hat auch SPONTANEOUS COMBUSTION einen grandiosen "deutschen" Titel erhalten) ist die Art von Story, in der irgendwann ein alter Milliardär im Rollstuhl sich als Drahtzieher einer jahrzehntelangen Verschwörung entpuppt, die mit dem "Nuklearkind" die perfekte Waffe heranzüchten wollte und sogar die Beziehungen unseres Protagonisten inszeniert hat. Es ist nicht unsere Welt, die Hooper da zeigt - es ist eine groteske Alptraumversion davon, die sich gewissermaßen irgendwann selber zerstören muß.

Bei allem, was es an FIRE SYNDROME zu belächeln gibt - die wackligen Spezialeffekte, die hanebüchenen Dialoge, das hemmungslose Overacting, die generell billige Machart - kann sich der Film aber doch aufgrund eben jener ungehemmten Undiszipliniertheit im Kopf festsetzen, die Hoopers Schaffen durchzieht. Da trifft der Billighorror auf ein Finale, das in stilisierter Architektur fast opernhafte Theatralik abfeiert; da mutiert die Atomsatire zum tragischen Identitätsfindungsprozeß, an dessen Ende der Protagonist nur noch zur radioaktiven Schlacke werden kann; da ist Platz für einen Gastauftritt von John Landis, der als Techniker einer paranormalen Radioshow (!) von Dourifs Zorn über das Telefon gegrillt wird (!); und ganz nebenher funktioniert die Geschichte als auswegslose Verschwörungsparanoia, in der das Schicksal der Figuren wie in der griechischen Tragödie schon vorgezeichnet ist.

Letzten Endes ist das alles natürlich reiner Budenzauber: FIRE SYNDROME ist purer B-Horror. Und trotz aller Abstriche paßt er in Hoopers hysterische Welt, die eben manchmal Großtaten wie BLUTGERICHT IN TEXAS und manchmal Kleintaten wie FIRE SYNDROME hervorbringt. Ich mag ihn für beides.




Fire Syndrome (USA 1989)
Originaltitel: Spontaneous Combustion
Regie: Tobe Hooper
Buch: Tobe Hooper, Howard Goldberg
Kamera: Levie Isaacks
Musik: Graeme Revell
Darsteller: Brad Dourif, Cynthia Bain, Jon Cypher, William Prince, Melinda Dillon, Dey Young, Dale Dye, John Landis

DEF BY TEMPTATION: Von Dämonen und wichtigen Lebensentscheidungen

$
0
0

"Ich kann allem widerstehen, nur nicht der Versuchung", schrieb Oscar Wilde im Jahr 1892. Diese Versuchung tritt natürlich in allen möglichen Gestalten auf: Es ist immer das, was man nicht tun sollte oder darf - und das reizt natürlich besonders. In dem Horrorfilm DEF BY TEMPTATION aus dem Jahr 1990 ist die Versuchung Person und Dämon zugleich: Ein im wahrsten Sinne des Wortes männermordendes Ungeheuer zieht hier als unwiderstehlicher Vamp durch die Bars von New York und nährt sich an der Lebenskraft der willigen Männer, die nur zu gerne mit der schönen Frau nach Hause gehen.

Für den jungen Theologiestudenten Joel taucht diese Verführerin an einem schwierigen Zeitpunkt in seinem Leben auf: Er ist aus der Kleinstadt, wo er noch bei der Großmutter lebte, nach New York gekommen, um über die weitere Richtung seines Lebens nachzudenken. Sein Jugendfreund "K", der früher mit ihm zusammen studierte, aber dann das weltliche Leben als Schauspieler vorzog, berichtet ihm von einer aufregenden Frau, die er gerade erst kennengelernt hat - exakt jener Vamp, der nun plötzlich "K" gar nicht mehr kennt und sich stattdessen bemüht, Joel von seinen Moralvorstellungen abzubringen ...


Auch wenn DEF BY TEMPTATION von dem für grobe Geschmacklosigkeiten und hemmungslosen Trash bekannten New Yorker Undergroundstudio Troma vertrieben wird, stellt der gering budgetierte Horrorstreifen eine gewisse Anomalie in deren Programm dar: Der Film wirkt fast so, als hätte sich der junge Spike Lee an einer Vampirgeschichte versucht. Der Vergleich kommt nicht von ungefähr: Regisseur, Autor, Produzent und Hauptdarsteller James Bond III (kein Pseudonym!) war einer der Darsteller in Lees SCHOOL DAZE, ebenso wie die Nebendarsteller Kadeem Hardison (bei uns hauptsächlich aus der Cosby-Spinoff-Serie COLLEGE-FIEBER bekannt), Bill Nunn (später in SISTER ACT und SPIDER-MAN) und Samuel L. Jackson (noch einige Jahre vor seinem Durchbruch mit PULP FICTION). Daß Lees Kameramann Ernest Dickerson auch die Bilder für DEF BY TEMPTATION einfing, verdichtet die Verbindung zum Ende der Achtziger aufblühenden jungen schwarzen US-Kino natürlich umso mehr.

Diese stimmungsvolle Kameraarbeit, die den Film trotz seines offensichtlichen Minimalbudgets weitaus besser aussehen läßt als andere Horrorstreifen, ist dabei aber nicht das einzige, was DEF BY TEMPTATION auszeichnet. Bond III nimmt seine Geschichte durchaus ernster, als es das Genre erfordern würde: Seine Story von der naiven Unschuld, die durch die Verführung verdorben zu werden droht, hat eine gewisse Resonanz, weil der Glaube der Hauptfigur als persönliche Wertvorstellung und nicht als weltfremdes Dogma gezeichnet wird. In den Gesprächen zwischen Joel und "K" klingt eine Authentizität durch, die beide Figuren stärkt und uns in das Geschehen hineinzieht - da ist beispielsweise Platz für die Anmerkung, daß Joel als Prediger seine Augen nicht vor der Realität der Straße verschließen darf, und daß diese Realität ein Resultat der "Reaganomics" ist, also der Wirtschaftspolitik von Präsident Ronald Regan. Nicht nur die Tatsache, daß Bond III den Film seinem verstorbenen Vater und seinem verstorbenem Großvater widmet und im Film selber die Hauptfigur als letzter seiner Familienlinie fungiert (Joels toter Vater erschient ihm mehrfach im Traum), läßt erahnen, daß Bond III die Horrorstory als Vehikel nimmt, um über Dinge zu reden, die ihm wichtig sind.

"When you are just one step away from reaching your goal - that actually is a crossroad, and it's up to you to look both ways."


Vielleicht kann der Film sogar als AIDS-Allegorie gelesen werden. An einer Stelle entdeckt ein Opfer von Temptation, dem unwiderstehlichen Vamp, schwere Kratzspuren am Rücken - interessanterweise läßt sie den Mann leben, der als Ehebrecher gezeigt wird, sagt ihm aber: "Those marks are nothing compared to what you're going to get later. Honey, I've given you something there's no cure for. It's gonna grow and grow until it consumes you." Natürlich redet sie eigentlich von der Schuld - aber die Tatsache, daß der Mann in einer späteren Sequenz mit körperlichem Verfall gezeigt wird, läßt den Gedanken an die schreckliche Immunkrankheit, die in den Achtzigern aufkam, nicht abwegig erscheinen.

Bei allen ernsten Anklängen macht DEF BY TEMPTATION aber auch durchaus Spaß. Der Film nimmt ganz beiläufig männliche Verhaltensmuster aufs Korn - mal recht zynisch, wenn das erste Opfer des verführerischen Dämons zuvor noch einem One-Night-Stand am Telefon schulterzuckend erläutert, sie solle halt einfach abtreiben; dann wieder eher augenzwinkernd, wenn ein hoffnungsfroher Aufreißer in der Bar mit immer blöderen Sprüchen regelmäßig bei den Damen abblitzt. Und nicht zuletzt bleibt der Film ja primär mal ein sparsam budgetierter Horrorstreifen, bei dem ein wenig Blut spritzen darf, preiswerte Dämonenmasken eingesetzt werden und ein armes Opfer in einer clever gemachten Sequenz von seinem eigenen Fernseher vernascht wird.


Eigentlich hätte der Film dem ehemaligen Kinderdarsteller James Bond III die Türen zu weiteren Projekten öffnen sollen - bei aller B-Horror-Verpackung zeigt DEF BY TEMPTATION genug Ambition, daß man neugierig wäre, was uns der Filmemacher noch zu sagen hätte. Tatsächlich aber verschwand Bond III danach von der Bildfläche - sowohl als Filmemacher als auch als Schauspieler. Erst seit ein paar Jahren ist er zumindest als Produzent wieder aufgetaucht. Auch die Darstellerin der Temptation, Cynthia Bond (vielleicht verwandt?), ward nie wieder gesehen - obwohl sie hier eine großartige, attraktive Verführerin mit einer prächtigen Mischung aus gespielter Unschuld und durchblitzender Boshaftigkeit spielt.

Aber so ist das im Leben: Die wenigsten Biographien verlaufen auf einer vorhersehbaren geraden Linie von A nach B. Und das paßt ja auch wieder ein bißchen zu den angeschnittenen Themen des Films.




Def by Temptation (USA 1990)
Regie: James Bond III
Buch: James Bond III
Produktion: James Bond III
Kamera: Ernest R. Dickerson
Darsteller: James Bond III, Kadeem Hardison, Bill Nunn, Samuel L. Jackson, Minnie Gentry, Rony Clanton, Cynthia Bond, Najee, Freddie Jackson, Melba Moore, Michael Michele

FAST & FURIOUS 6: Erinnerungsarbeit und magischer Realismus

$
0
0

Es war einmal ein schnittiges Actiondrama namens THE FAST AND THE FURIOUS, in dem ein Undercoveragent in der Welt illegaler Autorennen ermittelte. Das funktionierte so wie GEFÄHRLICHE BRANDUNG, nur daß statt Patrick Swayze schnelle Autos mitspielten und statt einem Surfbrett Vin Diesel zu sehen war. Oder war das umgekehrt? Egal: Die Sause war geschmeidig gemacht und höchst erfolgreich, weshalb die Sequelmaschine immer neue Gründe ausknobeln mußte, warum Menschen schnell fahren. Teil 6 der nimmermüden Adrenalinschleuder hakt einen wichtigen Punkt auf der Liste von Motivationen ab: Vin Diesel und Paul Walker rasen wie die Irren über eine Bergstraße, weil sie zu spät zur Geburt von Walkers Sohnemann zu kommen drohen. Weil wir uns noch vor dem Vorspann befinden, stürzt dabei noch niemand die Klippen hinab und klettert im Fall über einen ebenso herabstürzenden Laster wieder nach oben. Aber nachdem dann mal der Titel eingeblendet wurde, kann man sich da nicht mehr so sicher sein.

Wir erinnern uns: Diesel, Walker und die vielen anderen schönen Menschen, die sich auf dem Plakat tummeln, haben am Ende des fünften Teils ein wenig Geld mitgehen lassen - $100 Millionen, also $60 Mio. zuwenig für diese Fortsetzung - und leben nun das entspannte Leben in der Art von Ausland, von wo aus keine Banditen ausgeliefert werden. Derweil macht ein misanthroper Terrorist namens Shaw die Welt unsicher und klaut Bauteile für irgendeine Superwaffe, die etwas so Ungeheuerliches kann, daß ich es schon beim Abspann wieder verdrängt hatte, um nicht wahnsinnig zu werden. Weil Übercop The Rock nicht gern allein auf Terroristenjagd gehen will, holt er sich Verstärkung von Diesel und seiner Gang. Er verspricht ihnen dafür Generalamnestie - vielleicht auch Generalamnesie, wenn sie nur hart genug mit dem Kopf auf das Lenkrad knallen; außerdem zeigt er aktuelle Photos von Michelle Rodriguez her, die eigentlich schon im vierten Teil der Reihe die Zündkerzen abgeben mußte.


So macht sich Diesel mit seinem Automobilclub auf den Weg, um Shaw zu stoppen und gleichzeitig herauszufinden, wieso Rodriguez noch am Leben ist. Gleich beim ersten Einsatz in London fühlt man sich als Zivilbürger wieder optimal beschützt: Bei der Jagd nach Shaw fliegen die Autos so herzhaft durch die Luft und krachen dabei in lästigerweise im Weg herumstehende Londoner Bauwerke, daß die Regierung wahrscheinlich nächstes Jahr allein für die Instandsetzungsmaßnahmen sämtliche Steuern erhöhen muß.

Rodriguez, die hier nach RESIDENT EVIL: RETRIBUTION schon in ihrer zweiten Franchise wiederbelebt wird und deswegen sicher hoffnungsfroh auf die geplanten AVATAR-Sequels blickt, ist aber gar nicht erfreut über das Wiedersehen mit Vin Diesel: Sie schießt ihm in die Schulter. Im Hauptquartier operiert sich Diesel die Kugel mit langer Pinzette im Stehen selber heraus und bewegt dabei nur kurz den Mundwinkel. Wahrscheinlich, weil auch seine Gefühle verletzt wurden.


Es stellt sich heraus, daß Rodriguez das Gedächtnis verloren hat und beinahe so wie ich keine Ahnung mehr hat, was in den Teilen 1-4 geschah. Deswegen arbeitet sie nun für Shaw. Diesel macht sie bei einem illegalen Autorennen in London ausfindig und tritt dort (unter Verfolgung der Polizei und knapper Verfehlung hunderter von Zivilisten) gegen sie an; danach erklärt er ihr auf einem Parkplatz, wo ihre ganzen Narben herkommen, um ihrem Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen. Nicht viele Menschen wissen, daß Erinnerungsarbeit im Altenheim fast genauso funktioniert.

In der Zwischenzeit kommt Walker darauf, daß Shaw mit einem in Amerika inhaftierten Drogenbaron zusammenarbeitet, der schon in Teil 4 dabei war. Leider kann Walker nicht einfach so in die Staaten, weil man ihn dort sofort festnehmen würde. Um an weitere Informationen zu kommen, heckt er also folgenden cleveren Plan aus: Er bittet einen befreundeten FBI-Agenten, ihn als Gefangenen in das entsprechende Gefängnis zu schmuggeln. Dort verprügelt er seinen Kumpel, um in Einzelhaft zu kommen - wo auch der Drogenmensch sitzt (wenn man zusammen in Einzelhaft sitzt, ist das dann eigentlich noch Einzelhaft?). Den verprügelt er auch, um eine Rückblende gezeigt zu kriegen, warum Michelle Rodriguez noch lebt. Dann wird er von seinem FBI-Freund wieder außer Landes gebracht. Gelohnt hat sich der Ein-Tages-Trip alleine schon deswegen, weil damit bewiesen ist, daß die Serie PRISON BREAK narrativ nur unnötig in die Länge gezogen wurde.


Wir kommen schon bald zu einer Actionsequenz, die wahrlich nicht in Worte zu fassen ist. Probieren wir's trotzdem: Shaw kapert einen Militärtransport, mit dem das wichtige Bauteil für die erwähnte Superwaffe in Sicherheit gebracht werden soll (weshalb das Wachpersonal auch bei der Basis bleibt und der Konvoy dagegen nur mit einem Jeep geschützt wird). Unsere Jungs von der flotten Werkstatt halten den Militärlaster mit einem über die Straße gespannten Stahlseil auf - Shaw hat aber schon den im Laster befindlichen Panzer besetzt, mit dem er nun aus dem Laster herausspringt und in Hochgeschwindigkeit den Highway entlangrast. Tyrese Gibson, einer der lustigen Mannen aus dem Diesel-Team, fährt seinen Wagen direkt vor den Panzer und wird davon dann durch die Gegend geschoben (andere entgegenkommende Fahrzeuge werden natürlich plattgefahren oder mit der Kanone pulverisiert). Zum Glück kann er aus dem fahrenden Wagen klettern, ein Stahlseil am Kanonenrohr befestigen und ... ach, vermutlich muß man es doch wirklich sehen, wie dann alles damit endet, daß Menschen über Schluchten fliegen und nicht etwa beim Aufprall aufeinander herunterfallen, sondern sich auf der anderen Brückenseite gemütlich auf einer Windschutzscheibe abrollen. Nennen wir es einfach magischen Realismus.

Weil aber Regisseur Justin Lin, der die Reihe schon seit Teil 3 betreut, ein großer Freund des Absurden ist und sich mit herumfliegenden Panzern nicht begnügt, gibt es auch noch ein Finale, in dem Shaw mit einem Flugzeug zu entkommen versucht, während Diesel und seine Entourage mit den Autos hinterherhetzen und versuchen, das Ding am Abheben zu hindern. Da hängen irgendwann drei Wagen unten am Flieger, innen drin kloppt sich The Rock mit dem wahrscheinlich einzigen Typ Hollywoods, der einen gleich großen Bizeps hat, und alle rasen sie auf einem unendlichen Runway, der wahrscheinlich die ganze Strecke von Spanien bis Rumänien gerade durchgeht.

Oh ja, FURIOUS 6 - wie der Streifen im Vorspann knapp heißt - ist ein wundervoll überdrehter Spaß, der nicht eine Sekunde lang Sinn macht und doch für seine kreative Schrottarbeit ständigen Beifall erhalten sollte. Die Jungs aus Diesels Gang machen in der letzten Szene das Nächstbeste: Sie sprechen ein Tischgebet.




Fast & Furious 6 (USA 2013)
Originaltitel: Furious 6
Regie: Justin Lin
Buch: Chris Morgan
Musik: Lucas Vidal
Kamera: Stephen F. Windon
Darsteller: Vin Diesel, Paul Walker, Dwayne Johnson, Jordana Brewster, Michelle Rodriguez, Tyrese Gibson, Sung Kang, Gal Gadot, Ludacris, Luke Evans, Elsa Pataky, Gina Carano, Shea Whigham

DIE MUSE - Neuer Ausschnitt online!

DAS GEISTERSCHLOSS - Ein Film als begehbarer Raum

$
0
0

Wenn Filme Räume sind, die man wie eine Ausstellung neugierig durchschreiten kann, dann ist Jan De Bonts THE HAUNTING ein besonders lohnenswerter. Das liegt nicht unbedingt an der Story und auch nicht zwangsläufig an der Effektivität der Erzählung - nein, THE HAUNTING ist primär wegen dem sehenswert, was es, jawohl, zu sehen gibt, und dieser visuelle Aspekt ist eng verknüpft mit dem tatsächlichen Raum, in dem sich der Film abspielt. Orte nehmen in Geistergeschichten fast zwangsläufig Hauptrollen ein; viel mehr als die Figuren, die dort Spuk und Unheil erleiden müssen, sind es die Schauplätze selber, die der Geschichte ihren Charakter geben und die - im übertragenen wie im buchstäblichsten Sinne - am dreidimensionalsten gezeichnet sind.

Das "Hill House", wie das mondäne Anwesen im Film heißt, ist wahrlich ein phantastischer Ort, der gleichsam als majestätische Kathedrale wie als nachtschwarzer Albtraum erscheint, als detailverliebt ausgestattetes Kunstwerk wie als üppiger Prunkbau, als Platz des Staunens und als Platz der Leere. Das Äußere besteht aus Dutzenden von Zinnen und Erkern, innen drin ist jede Wand, jeder Bogen und jeder Kaminsims ein kunstvoll geschaffenes Ausstellungsstück. Wie ein jahrhundertealter Dom scheint das Haus zu suggerieren, daß bei der Erschaffung ganze Menschenleben verbraucht wurden - und wie in solchen Kirchen ist auch hier jeder Raum so gigantisch und jede Tür so groß, daß ein Mensch sich zwangsläufig klein und verloren fühlen muß.


Unsere Protagonisten Eleanor, Theo und Luke kommen nach Hill House, weil sie dort an einer psychologischen Studie teilnehmen: Dr. Marrow hat sie unter dem Vorwand eingeladen, daß er Schlafstörungen untersuchen will, während er in Wirklichkeit das Phänomen der Furcht erforschen will. Und die greift bei den drei Versuchspersonen schnell um sich, als sie feststellen müssen, daß das Haus eine tragische Vergangenheit hat und deswegen nicht zur Ruhe kommt ...

Es gilt als "überliefertes Wissen", daß Horrorfilme unter großem Budget und vielen Spezialeffekten zwangsläufig leiden. Aber wie so oft, wenn Meinungen darüber übernommen werden, was gemacht werden darf und was nicht, ist eine Hinterfragung durchaus sinnvoll - und das nicht nur, weil mit Tobe Hoopers POLTERGEIST und John Carpenters THE THING flugs zwei Filme angeführt werden können, in denen weder das große Studiogeld im Rücken noch die üppige Verwendung von Effekten dem Spuk irgendwie abträglich gewesen wären. Freilich ist es reizvoll, den Horror im Kopf geschehen zu lassen und psychologisch statt visuell auszukosten - aber das müssen so viele Filme ja zwangsläufig tun, weil sie wenig andere Mittel haben, und somit ist THE HAUNTING schon mit der Ambition interessant, den Grusel ins Bild zu zerren. Überhaupt scheint mir die wichtige Frage ja nicht die zu sein, wie viel oder wie wenig man sieht, sondern was uns damit erzählt wird: THE THING zum Beispiel ist sehr explizit und deutet doch weitaus mehr an.


Dabei ist De Bonts Film zunächst gar nicht so effektlastig, wie man meinen könnte, und den gruseligen Geschehnissen liegt eine originelle Kreativität zugrunde - zum Beispiel, wenn sich im flatternden Vorhang Geistergestalten abzeichnen, die dann auf das darunterliegende Bett huschen und die Decke entlangkriechen, oder wenn sich die Haare unserer Heldin beim Kämmen einen Spalt öffnen, als würde etwas hineinkriechen wollen. Später wird das Haus im wahrsten Sinne des Wortes lebendig: Ein netter visueller Gag zum Beispiel ist eine Sequenz, in der zwei Fenster plötzlich als Augen des bösen Geistes fungieren, der in dem Spukschloß umhergeht. Erst im Finale wird dann wirklich der ganz große Zauber losgetreten, und daß der dem Spuk keine wirklich befriedigende Präsenz bzw. dann auch Befreiung geben kann, liegt eher daran, daß die Auseinandersetzung zwischen Hauptfigur und Geist auf Storyseite nicht mehr viel Resonanz erzeugt.

Interessant ist bei allem Effektgewitter aber auch, wie geduldig De Bont seine Story aufzieht - es braucht eine halbe Stunde, bis sich das Übernatürliche überhaupt mal bemerkbar macht, und danach läuft die Geschichte keinesfalls nach dem Zehn-kleine-Negerlein-Prinzip ab, das so viele andere Horrorproduktionen auszeichnet. Vor allem zu Beginn wird da auch gekonnt mit der Suggestion gespielt - zum Beispiel in einer Sequenz, in der etwas von außen gegen die Zimmertür poltert, während innen der Raum so kalt wird, daß der Atem sichtbar wird. Das Sounddesign tut sein Übriges, das Haus als beinahe lebendiges Wesen zu inszenieren: Geräusche hallen nach, überall dröhnt und rumpelt es, und ständig scheint außerhalb des Bildes hörbar ein kalter Luftzug vorbeizugehen.


Auch wenn die Geschichte selber eher ins Skizzierte als ins Ausgefleischte läuft, bietet sie ein paar interessante Bausteine, die das Geschehen emotional ein wenig verankern. Die Hauptfigur Eleanor wird als unsichere und zurückgezogene Person gezeichnet, die sich ihr Leben lang um ihre kranke Mutter gekümmert hat; dieses umgedrehte Mutter-Kind-Verhältnis spiegelt sich in ihrer Funktion in der Geistergeschichte wieder, wo sie - nachdem sie herausfindet, daß in dem Haus Kinder gefangengehalten wurden und gestorben sind - sich der unruhigen Seelen annimmt und diese letztlich erlösen kann (es wird sogar an einer Stelle eingeführt, daß die Ehefrau des Hausherren ihre Ur-Ur-Urgroßmutter gewesen sein muß). Dem gegenüber steht Dr. Marrow, der gewissermaßen als Patriarch für die Gruppe verantwortlich ist - und sich dabei nicht nur als wenig hilfreich entpuppt, sondern auch eine gewisse Paralelle zum bösen Geist suggeriert, der zu Lebzeiten ebenso Personen (in dem Fall Kinder) unter falschem Vorwand ins Haus lockte.

Wirkliches Gewicht erhalten dann aber weder die Figuren noch der Storyverlauf - das Haus selber wird schnell zum raison d'être des Films. So mag THE HAUNTING als Erzählung nur ein solides Grundgerüst bieten, das irgendwann seine Figuren und Themen in den Hintergrund rückt - aber als begehbarer Raum, wenn man so will, oder als wahrnehmbares Objekt aus Bildern, Geräuschen und Stimmungen ist der Film eine faszinierende Evokation eines Ortes, von dem man immer mehr sehen will - was natürlich nur möglich ist, wenn man die Geister mit einem nochmaligen Filmstart wieder aufscheucht. Das Haus ist der beste und teuerste Spezialeffekt des Films - und damit ein Beweis, daß sich Aufwand und Phantasie nicht ausschließen.





Das Geisterschloß (USA 1999)
Originaltitel: The Haunting
Regie: Jan De Bont
Buch: David Self, nach dem Roman von Shirley Jackson
Kamera: Karl Walter Lindenlaub
Musik: Jerry Goldsmith
Darsteller: Liam Neeson, Catherine Zeta-Jones, Owen Wilson, Lili Taylor, Bruce Dern, Marian Seldes, Virginia Madsen
FSK: 12
Viewing all 383 articles
Browse latest View live